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Graubünden gibt Hybrid-Steinböcke zum Abschuss frei

11.09.2014 |  Von  |  Beitrag

Jeder kennt sie, jeder liebt sie: die Bündner Steinböcke Gian und Giachen, die wohl beliebtesten Mitarbeiter in der Bündner Tourismusbranche. Sie betreiben auf ihre schusselig-liebenswerte Art ein Reisebüro, sagen das Wetter vorher oder verbringen ihre Freizeit damit, auf den Felsen zu liegen und über die Bergsportler zu lachen und zu lästern.

Ihren Artgenossen dagegen dürfte im Bündnerland das Lachen vergehen: Allein in diesem Jahr haben Wildhüter in Pontresina acht Hybridtiere gezählt.

Dabei handelt es um Kreuzungen von Steinböcken mit Hausziegen. Auffallend sind die weissen Paarhufe und das hellere Fell. Nun besteht Sorge um die Reinrassigkeit der Bündner Steinböcke. Während der wohl bekannteste Hybrid, der Maulesel, welcher aus einer Kreuzung von Pferd und Esel hervorgeht, nicht fortpflanzungsfähig ist, können Hybrid-Steinböcke problemlos Junge bekommen. Leider müssen die Tiere geschossen werden, soll eine Verunreinigung des Erbgutes verhindert und der reinrassige Alpsteinbock geschützt werden. Fünf Tiere konnten bereits in diesem Sommer geschossen werden, von den anderen drei fehlt jede Spur.






Pro Natura hatte im Jahre 2006 den Steinbock zum Tier des Jahres ernannt. Nachdem der „König der Alpen“ 1809 hierzulande ausgerottet war, zählt er heute zu den häufigsten wildlebenden Säugetieren der Berge und ist in den Alpen weit verbreitet. Bis ins Mittelalter hinein wurden Steinböcke gejagt und das nicht nur als Bereicherung des Speisezettels: Aus den Spitzen seiner Hörner wurde ein Potenzmittel hergestellt, sein Blut half angeblich gegen Blasensteine und selbst Teilen seines Magens dichtete man heilende Kräfte an, sie vertrieben angeblich Melancholie. Selbst eine Verordnung, die schon 1612 seinen Abschuss verbot, nützte nichts.

Der Versuch einer Wiederansiedlung wurde zuerst mit Ziegen-Steinbock-Bastarden versucht, was allerdings missglückte. Zwar besass der italienische König Emanuele II. in seinem Jagdrevier für sein persönliches Jagdvergnügen an die 3000 Steinböcke, weigerte sich aber, ein paar Kitze an die Schweiz zu verkaufen. Schliesslich bekam der Wilderer Giuseppe Bérard von den Bundesräten Zemp und Forrer 1906 den Auftrag, drei Kitze zu stehlen. Er schmuggelte die Kleinen im Rucksack aus dem Aostatal ins Unterwallis. Mit Flaschen aufgezogen, waren sie  später die ersten wieder freilebenden Steinböcke der Schweiz.

Laut dem Bündner Jagdinspektor G. Brosi sind  heutzutage bereits bei allen Bündner Steinböcken Gene der Hausziege zu finden. Sowohl Wildhüter wie auch Jagdinspektoren vermuten, dass die in der Schweiz gesichteten acht Bastarde aus Italien kamen. Es dürfte sich um Hybride der zweiten oder dritten Generation handeln. In Italien war es früher üblich, Steinböcke mit Ziegen zu kreuzen und die Jungtiere in die Schweiz zu verkaufen. Der bekannteste Steinbock-Hybrid ist Fridolin. Er wird ausgestopft im Bündner Nationalmuseum gezeigt.

 

Oberstes Bild: © Peter Wey – Shutterstock.com

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