IWF: Schweizer Wirtschaftswachstum verhalten

Der aktuelle Konjunkturausblick des Internationalen Währungsfonds sieht weltweit Licht und Schatten, wie auch innerhalb der Euro-Zone. Für die Schweiz sieht der IWF ein eher verhaltenes Wirtschaftswachstum voraus, für das aber nicht nur das Franken-Hoch verantwortlich sein soll. 

Weltweit prognostiziert der IWF für 2015 ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent, im kommenden Jahr könnte die globale Wachstumsrate dann auf 3,8 Prozent steigen. In den beiden letzten Jahren ist die Weltwirtschaft jeweils um 3,4 Prozent gewachsen, der generelle Ausblick des IWF ist also verhalten positiv.

Die Industrieländer zeigen derzeit ein relativ stabiles Wirtschaftswachstum, in den Schwellen- und Entwicklungsländern hat sich die Konjunktur dagegen abgeschwächt. Im Vergleich zum letzten globalen Wirtschaftsausblick vom Oktober 2014 sind die kurzfristigen globalen Risiken geringer ausgeprägt. Der Preisverfall für Erdöl könnte sich als ein globaler Konjunkturtreiber erweisen. Wirtschaftliche Unwägbarkeiten ergeben sich aus den verschiedenen geopolitischen Spannungsherden, auch die Entwicklung der Finanzmärkte ist nicht komplett vorhersehbar.

USA bleiben globales Zugpferd

Die USA sieht der IWF auch weiterhin als Wachstumstreiber, hat seine Konjunkturprognose für 2015 und 2015 jedoch leicht nach unten korrigiert. Die US-Wirtschaft kann demnach Wachstumsraten von jeweils 3,1 Prozent erwarten, zuvor hatte die IWF-Prognose noch bei 3,5 Prozent gelegen. Hier dürften sich die zuletzt eher mässigen US-amerikanischen Konjunkturdaten niederschlagen. Die Arbeitsmarktentwicklung in den USA hat sich im letzten Monat abgeschwächt. Statt der ursprünglich erwarteten 245.000 Jobs entstanden nur noch 126.000 neue Stellen. Zudem fiel der ISM-Index als der wichtigste US-amerikanische Konjunkturindikator im März 2015 zum fünften Mal in Folge, mit 51,5 Zählern befindet er sich jetzt auf dem tiefsten Stand seit dem Frühjahr 2013.

China robust, Brasilien und Russland rückläufig

Für China erwartet der IWF mit unveränderten Wachstumsraten von 6,8 und 6,3 Prozent eine robuste Konjunkturentwicklung. Die ökonomische Krise in Russland ist dagegen seit längerem manifest und wird voraussichtlich ein negatives Wirtschaftswachstum von – 3,8 Prozent nach sich ziehen – die russische Wirtschaft schrumpft damit stärker als ursprünglich erwartet. Auch für Brasilien sagen die Washingtoner Wirtschaftsweisen eine Rezession voraus. Die starke Aufwertung der US-amerikanischen Währung könnte für viele Schwellen- und Entwicklungsländer problematisch werden, da die Rückzahlung von Dollar-Krediten für Staaten und Unternehmen für absehbare Zeit deutlich teurer wird.

Euro-Zone: zwiespältige Aussichten

Als zwiespältig bewertet der IWF die konjunkturelle Entwicklung in der Euro-Zone. Zwar habe sich deren Wirtschaft kurzfristig erholt, auf lange Sicht wirkt sich jedoch die hohe Verschuldung vieler Euro-Staaten als Bremse für das Wirtschaftswachstum aus. Als Gegenmassnahmen fordert der IWF weitere Strukturreformen, grössere Stabilität im Bankensektor sowie öffentliche Investitionen in Infrastrukturprojekte. Letztere würden in grösserem Umfang neue Arbeitsplätze schaffen, damit die private Kaufkraft stärken, die Verschuldung der Privathaushalte mindern und die zuletzt sehr niedrige bis negative Inflation in der Euro-Zone treiben. Mittel- und langfristig rechnet der IWF mit einer schwachen Konjunktur im Euro-Raum. IWF-Chefökonom Olivier Blanchard stellt fest, dass die erwarteten geringen Wachstumspotenziale bereits heute Investitionen schwächen. Das grösste wirtschaftliche Problem bleibt bis auf weiteres die Schuldenkrise. Hinzu kommen Unsicherheitsfaktoren wie der Schuldenstreit mit Griechenland oder die politisch-militärische Krise zwischen Russland und der Ukraine.


Die Industrieländer zeigen derzeit ein relativ stabiles Wirtschaftswachstum (Bild: © isak55 – shutterstock.com)

Die Rezession des Jahres 2013 haben die Euro-Länder allerdings vorerst überwunden. Laut IWF wird sich ihr Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf 1,5 Prozent und 2016 auf 1,6 Prozent belaufen. Der europäische Arbeitsmarkt wird sich perspektivisch nahezu überall erholen. Auch die Krisenländer Griechenland, Spanien, Italien sowie Frankreich können in den nächsten beiden Jahren mit akzeptablen Zuwachsraten rechnen. Deutschland galt bisher als wirtschaftliches Zugpferd in der Euro-Zone und wird diese Position vorerst beibehalten. Als Gründe für die kurzfristig positive Prognose benennt der IWF den fallenden Ölpreis, vor allem jedoch den schwachen Euro, der den Euro-Staaten Exportvorteile verschaffe.

Schweiz mit verhaltenem Wirtschaftswachstum

Die IWF-Konjunkturprognose für die Schweiz liegt recht nahe bei den Prognosen der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die für 2015 ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent erwartet. Der IWF rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum von 0,8 Prozent, 2016 könnte sich die Wirtschaftsleistung der Eidgenossenschaft dann um 1,2 Prozent vergrössern. In diesem Jahr ist die Schweiz zusammen mit Italien allerdings das konjunkturelle Schlusslicht in Europa – die Wirtschaftskraft des Nachbarlandes wächst voraussichtlich nur um 0,5 Prozent. Das Hauptproblem der Schweizer Wirtschaft bleibt bis auf Weiteres der starke Franken, der vor allem die Entwicklung des Exportsektors deutlich negativ beeinflusst. Darauf könnte demnächst auch der Arbeitsmarkt reagieren: Im Jahr 2014 lag die Arbeitslosenquote in der Schweiz bei 3,2 Prozent, für die kommenden beiden Jahre kalkuliert der IWF mit einem leichten Anstieg auf 3,6 Prozent – ein Wert, der allerdings immer noch sehr deutlich unter dem europäischen Durchschnitt bliebe. 

Problematisch ist auch die Inflationsentwicklung in der Schweiz. Der IWF erwartet, dass die Konsumentenpreise im laufenden Jahr um 1,2 Prozent und 2016 um 0,4 Prozent fallen werden. Ob sich aus der negativen Teuerung eine „echte“ Deflation entwickelt, ist noch längst nicht ausgemacht – die meisten Ökonomen sind der Ansicht, dass ein solches Szenario in ansonsten wirtschaftlich stabilen Ländern eher unwahrscheinlich ist. Allerdings haben die prognostizierten Inflationsraten der Schweiz nicht nur in Europa, sondern unter den Industrieländern insgesamt das mit Abstand niedrigste Niveau.



Quantitative Easing bald auch in der Schweiz?

Vor diesem Hintergrund empfehlen die IWF-Experten der Schweiz eine Lockerung der Geldpolitik durch den Kauf internationaler Wertpapiere. Sie bekräftigen damit eine Empfehlung, die sie im Rahmen ihrer Länderanalyse bereits Ende März gegeben haben: Ebenso wie die US-amerikanische Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) soll die SNB zur Vermeidung einer Deflation durch Anleihenkäufe ein „Quantitative Easing“ praktizieren. Ob die Schweizerische Nationalbank diesem Vorschlag folgt, bleibt abzuwarten. Der letzte geldpolitische Rat des IWF bezog sich auf den Übergang zu negativen Zinsen – von der SNB wurde er mit ihrem Zinsentscheid vom Dezember 2014 in die Praxis umgesetzt. Die konventionelle Geldpolitik ist damit auch in der Schweiz an den Grenzen ihrer Möglichkeiten angekommen.

 

Oberstes Bild: © valeriiaarnaud – shutterstock.com

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