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Medizin: Der Wirkstoff EBC-46 könnte die Krebstherapie revolutionieren

28.05.2015 |  Von  |  News

Im australischen Regenwald, genauer im Norden von Queensland, wächst eine Frucht, die im Volksmund Fountains Blushwood genannt wird und bei Wissenschaftlern unter dem lateinischen Terminus Fontainea picrosperma bekannt ist. Aus den Samen dieser Frucht des Blushwood Trees haben Forscher das Präparat EBC-46 hergestell, das binnen kurzer Zeit eine erstaunliche Wirkung auf mit diesem Wirkstoff behandelte Tumore hat.

Besonders vielversprechend ist die Tatsache, dass die Heilung und das Abstossen der Primärtumoren nach einer Injektion mit EBC-46 in unglaublicher Geschwindigkeit erfolgen.

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Fontainea picrosperma – eine tropische Frucht macht Krebspatienten Hoffnung

Lediglich in einer bestimmten Region im australischen Bundesstaat Queensland, nämlich den nordwestlich von Innisfail und südwestlich von Cairns gelegenen Atherton Tablelands wächst der Blushwood Tree. Dieser Baum bringt schöne, weisse Blüten hervor, aus denen schliesslich kleine rosafarbene bis rote Früchte reifen, die zu Beginn wie Pfirsiche anmuten und landläufig als Fountains Blushwood bekannt sind. Forscher des QIMR Berghofer Medical Research Institute haben aus diesen Früchten ein Medikament entwickelt, dem sie den Namen EBC-46 gegeben haben. Dieser Wirkstoff vermag es – bis dato zumindest bei Tieren – Primärtumore schnell und nachhaltig zu heilen und abzustossen, was die Ergebnisse einer umfangreichen Tierstudie belegen.

Bei der Fountain Blushwood handelt es sich um ein bei wilden Tieren sehr begehrtes Obst, das verzehrt wird, sobald es geniessbar ist. Bei den Tieren ist die runde, leicht pelzige Frucht sogar so beliebt, dass – glaubt man den Australiern – eine reife Frucht nur sehr selten zu finden ist. Die Kerne der abgenagten Fountain Blushwood verschmähen die Tiere jedoch, so dass diese meist auf dem Boden liegen bleiben. Diese Tatsache machte australische Forscher neugierig. Sie vermuteten Giftstoffe in den Kernen und unterzogen sie deshalb einer genaueren Analyse.


Fontainea-Pflanze im Botanischen Garten in Melbourne, Australien (Bild: Melburnian, Wikimedia, CC)

Fontainea-Pflanze im Botanischen Garten in Melbourne, Australien (Bild: Melburnian, Wikimedia, CC)


Die Kerne der Fountains Blushwood heilen Krebs innerhalb von Minuten

Wie sich bei diesen Untersuchungen herausstellte, beinhalten die Fruchtkerne der zu den Wolfsmilchgewächsen zählenden Fontainea picrosperma einen äusserst effektiven Wirkstoff gegen maligne Primärtumoren. Dies fand ein Team aus Wissenschaftlern des QIMR Berghofer Medical Research Institutes im australischen Brisbane heraus. Die Forschergruppe um Glen Boyle führte eine acht Jahre dauernde Studie durch, in der sie 300 an Krebs erkrankten Versuchstieren den aus den Kernen extrahierten Wirkstoff EBC-46 verabreichten. Das Ergebnis war ebenso überraschend wie beeindruckend, denn im Durchschnitt verschwanden 75 Prozent der Tumore. Zu den Versuchstieren gehörten neben Hunden und Katzen auch Pferde und Mäuse.

Besonders interessant ist der Sachverhalt, dass der Krebs auch Jahre nach der Therapie mit EBC-46 keinerlei Rezidive bildete. Entsprechend euphorisch war das Wissenschaftler-Team. Dessen Leiter, Glen Boyle, berichtete, dass sich die Tumore innerhalb von fünf Minuten nach der Injektion lila färbten. Weitere zwei Stunden später zeigten die Tumoren eine noch dunklere Färbung und am nächsten Tag seien sie schliesslich schwarz gewesen. Boyle erläuterte zudem, dass die Abstossung der Tumore in einer ausserordentlichen Geschwindigkeit erfolgte. In den darauffolgenden Tagen habe sich eine Kruste gebildet und bereits eine Woche später sei der Tumor einfach abgefallen. Aufgrund der Tatsache, dass das Präparat direkt in den Tumor injiziert werden muss, sei jedoch ausschliesslich eine Behandlung von Brust- Haut-, Prostata- und Darmkrebs sowie Tumoren, die sich im Hals- und Kopfbereich befinden, möglich.



Wirkstoff EBC-46: nur bei Primärtumoren anwendbar

Wie so oft gehen diese durchaus positiven Ergebnisse auch mit einer Einschränkung einher, denn das Präparat zeigt ausschliesslich bei malignen Primärtumoren Wirkung. Hat der Tumor bereits Absiedlungen in entfernten Geweben, also Metastasen, gebildet, ist der Wirkstoff EBC-46 nicht einsetzbar. Dies besagt zumindest der derzeitige Forschungsstand. Glen Boyle erklärt, zur Zeit sei das Präparat lediglich als Injektion anwendbar. So blockiere es die Blutversorgung zum Tumor selbst, töte die Tumorzellen und kurbele das Immunsystem an. Zudem weist er darauf hin, dass vor allem wegen dieser Wirkung auf das menschliche Immunsystem das Präparat direkt in den Tumor injiziert werden müsse. Geschehe dies nicht, könnten vollkommen andere, möglicherweise sogar negative (Neben-)Wirkungen die Folge sein.

Im Gegensatz zu traditionellen, schulmedizinischen Tumorbehandlungen, die, wenn überhaupt, erst nach mehreren Wochen oder gar Monaten eine Wirkung zeigen, sind erste Erfolge bei der Gabe von EBC-46 bereits nach wenigen Minuten sichtbar. Darüber hinaus bergen die klassischen Krebstherapien der Schulmedizin wie beispielsweise die Chemotherapie und die Bestrahlung enorme Risiken. So steht auch eine „erfolgreiche“ Chemotherapie im Verdacht, auf Grund der verabreichten Zellgifte nach einigen Jahren die Ursache eines neuen und besonders bösartigen Krebses zu sein, dessen unmittelbare Folge der Tod des Patienten sein kann. Daneben dauert eine schulmedizinische Krebstherapie sehr lange und vermindert die Lebensqualität der Betroffenen enorm.

Mit der Entdeckung der neuen, pflanzlichen Krebstherapie mit EBC-46 könnte sich dies nun ändern. Die bisher an Tieren erfolgten Studien erwiesen sich als vielversprechend. Aus diesem Grund gehen die Forschungen nun in die nächste Etappe – klinische Studien am Menschen – über. Für die erste Phase dieser Studien liegt bereits die Zulassung vor, so dass der Wirkstoff an bis zu 30 Probanden getestet werden kann.

Die klinische Arzneimittelprüfung dauert circa neun Jahre

Die nun folgende Studie am Menschen wird in vier Phasen differenziert. Während in den Phasen I und II die geeignete Dosierung, die Verträglichkeit des neuen Präparats sowie die Bestimmung der Krankheitsbilder, die auf die Substanz ansprechen, im Fokus stehen, dient die Phase III der Bestimmung der Wirksamkeit der Behandlung bei bestimmten Krebsarten. Dabei erfolgt im Allgemeinen ein Vergleich mit einem Plazebo (Scheinmedikament) oder der Standardtherapie. Während dieser (randomisierten) Studienphase erhält ein Teil der Probanden den neuen Wirkstoff und der andere Teil das schon etablierte Medikament oder das Plazebo. Und letztlich wird in Phase IV das Medikament nach seiner Einführung im klinischen Alltag erneut geprüft. Für eine derartige klinische Arzneimittelprüfung muss ein Zeitrahmen von circa neun Jahren angesetzt werden.

Untersuchungen zur Pflanze: Blushwood Tree

Ein zweites Wissenschaftlerteam untersucht derzeit – parallel zu den medizinischen Forschungen – den Blushwood Tree, d. h. die Pflanze selbst, an der die Fontainea picrosperma wächst. Im Fokus der Forschungen steht die Frage, ob die australische Tropenpflanze überall kultiviert und somit kommerziell angebaut werden kann. Zudem erforschen die Wissenschaftler das Habitat, also den Regenwald, in dem der Blushwood Tree wächst. Sie erhoffen sich davon Erkenntnisse über dessen Wachstumsbedingungen und eine Antwort auf die Frage, ob es möglich ist, den Blushwood Tree (künstlich) zu vermehren und anzupflanzen, damit der Wirkstoff in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden kann.

Warum diese Fragen für die Wissenschaftler so zentral sind, ist klar, denn nicht jede Pflanze gedeiht überall. Wie die Pflanze auf unterschiedliche Witterungs- und Bodenverhältnisse reagiert, ist noch unbekannt. Zudem ist fraglich, ob der Blushwood Tree spezielle Stoffe aus der Umwelt benötigt, um den Wirkstoff EBC-46 zu bilden. So gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass geringe Mengen bestimmter Stoffe im Stoffwechsel von Tieren und Pflanzen eine enorme Wirkung haben. So produzieren beispielsweise die sogenannten Baumsteigerfrösche (Dendrobatiden), die im Regenwaldgebiet des Amazones leben, in ihren Körpern ein hochwirksames Pfeilgift, welches bereits durch das blosse Berühren des Frosches zum Tod führen kann. Wird das Tier dagegen in Gefangenschaft gezüchtet, hat es zwar das gleiche Aussehen wie seine wilden Artgenossen, allerdings ist es völlig ungiftig. Wissenschaftler führen dies auf bestimmte Nahrungsbestandteile beziehungsweise spezielle Beutetiere im Nahrungsspektrum zurück, die der Frosch im Regenwald zu sich nimmt.



Knappe Ressource könnte der Pharmaindustrie Maximalgewinne bescheren

Zwar zeigt sich das Forscherteam um Boyle optimistisch, dass der Wirkstoff EBC-46 auch beim Menschen wirkt und – salopp formuliert – kommerziell angebaut werden kann. Allerdings weisen die Wissenschaftler zugleich darauf hin, dass es sich bei EBC-46 vor allem um eine zusätzliche Therapiemethode handele, die vorrangig bei Patienten, bei denen andere Therapien erfolglos geblieben sind sowie bei älteren Betroffenen, für die eine weitere Chemotherapie zu strapaziös ist, eingesetzt werden könnte.

Sicher ist allerdings: Erweisen sich die Studien am Menschen als erfolgreich, werden Krebspatienten definitiv alles dafür tun, um einer quälenden Chemotherapie zu entgehen und zur Krebsbekämpfung stattdessen ein Präparat mit dem Wirkstoff EBC-46 zu erhalten. Sicher ist auch, dass kein Krebspatient, der unter einem für die EBC-46-Therapie zugänglichen Tumor leidet, sich noch freiwillig herkömmlichen schulmedizinischen Therapiemethoden unterziehen würde. Lassen sich die Pflanze und damit auch der Wirkstoff jedoch nicht kommerziell anbauen, kann schon jetzt davon ausgegangen werden, dass die Pharmaindustrie aus der knappen Ressource Maximalgewinne erzielen und zugleich nicht darauf verzichten wird, Chemotherapie-Pharmazeutika weiterhin so gut wie möglich zu vermarkten.

 

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