FIFA: Bis in die höchsten Ebenen korrupt

Die FIFA-Zentrale in Zürich.

Bei der Fifa folgen die Ereignisse in letzter Zeit Schlag auf Schlag. Unmittelbar vor dem Beginn des FIFA-Jahreskongresses in Zürich verhafteten die Schweizer Behörden mehrere Top-Funktionäre des Verbandes, der seit Langem in einem Sumpf von Korruption versunken ist.

Am Dienstagabend ist der soeben wiedergewählte FIFA-Präsident Joseph „Sepp“ Blatter völlig überraschend zurückgetreten, nachdem er wenige Tage zuvor noch betont hatte, dass er sich nichts vorzuwerfen hätte. Im Gegenteil hatte er am Wochenende die US-amerikanischen Justizbehörden sowie den europäischen Fussballverband UEFA noch in scharfen Worten angegriffen und moniert, dass die Medien ihn ohne jeden Respekt behandelt hätten.



Der Rücktritt Sepp Blatters: Schöne Worte, handfeste Hintergründe

In seiner Rücktrittsrede erklärte Blatter, dass ihm klar geworden sei, dass er „kein Mandat von der gesamten Fussballwelt“ mehr habe. Daher sei er Fans, Vereinen, Spielern und allen anderen Menschen, die die Fussball-Welt ebenso „lieben“ wie die FIFA-Funktionäre, seinen Rücktritt schuldig.

Ausserdem seien Reformen innerhalb der FIFA überfällig – allerdings brauche es Zeit, einen Nachfolger zu finden und Veränderungen zu etablieren. Blatter wird die Geschäfte des Verbandes mindestens bis Oktober 2015 weiterführen. Im Herbst soll dann ein ausserordentlicher FIFA-Kongress über seinen Nachfolger entscheiden.

Neben der „Liebe zum Fussball“ gibt es durchaus andere Erklärungsmuster für den Rücktritt. Personen aus dem engsten Umfeld Blatters meinen, dass dessen Entscheidung dafür bereits einen Tag nach den Züricher Verhaftungen gefallen sei. Am Donnerstagmorgen habe sich Blatter mit verschiedenen Funktionären des Verbandes getroffen. In den Gesprächen sei er zu dem Schluss gekommen, dass er sich mit seinen Plänen für Reformen an der FIFA-Spitze „machtlos“ fühle. Er wolle dem Verband ein „positives Vermächtnis“ hinterlassen, sehe aber auch, dass ein Teil der Top-Funktionäre ihn „fertigmachen“ wolle.

Zudem dürfte auch Blatter klar sein, dass er für die Ermittlungsbehörden der „dickste Fisch“ ist. Immerhin arbeitet er seit 40 Jahren für die FIFA, 18 Jahre davon als ihr Präsident. Einen konkreten Korruptionsverdacht gegen ihn gibt es bisher nicht. Laut einem Bericht der „New York Times“ hat das FBI jedoch bestätigt, dass es gegen Blatter in allgemeiner Form ermittelt.



Blatter will die FIFA-Angelegenheiten in seinem Sinne regeln

Eine andere Lesart zielt darauf ab, dass Blatter sich aus taktischen Gründen zuerst in seinem Amt bestätigen liess und dann zurückgetreten ist. Seinen Kritikern und den Medien bietet er ab sofort keine Angriffsfläche mehr. Gleichzeitig hat er mehrere Monate Zeit gewonnen, die Angelegenheiten des Verbandes in seinem Sinn zu regeln, einen Nachfolgekandidaten aufzubauen und seine Ehrenpräsidentschaft vorzubereiten. Zudem hätte die Gegenfraktion um den jordanischen Prinzen Ali bin Al-Hussein unmittelbaren Zugang zu den Bilanzen und sensiblen Unterlagen gehabt, wenn Blatter vor der Wahl zurückgetreten wäre.

Das Geständnis Chuck Blazers: „Bandenartige Verschwörung“

Probleme drohen Blatter und der FIFA allerdings auch aus der bisherigen Führungsriege. Chuck Blazer, der frühere Generalsekretär der nord- und mittelamerikanischen Fussball-Föderation CONCACAF, hat in den USA ein umfassendes Geständnis abgelegt, in dem er insgesamt zehn verschiedene Straftaten zugab. Dazu gehören neben Korruption und Steuerhinterziehung auch Betrug, Geldwäsche sowie „bandenartige Verschwörung“ zum Zweck der gemeinschaftlichen Bereicherung.

Blazers Schicksal für die kommenden Jahre scheint besiegelt, ihm drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe und Gefängnis. Als Kronzeuge der US-amerikanischen Justiz gegen die FIFA kann der 70-Jährige allerdings mit einer gewissen Milde rechnen. Anhand des Protokolls der richterlichen Vernehmung in New York lassen sich einige Personen aus dem FIFA-Führungszirkel eindeutig identifizieren.

Belastet der frühe FIFA-Vize Warner auch Sepp Blatter?

Zu ihrem Kreis gehört Jack Warner, der über lange Jahre als Blatter-Intimus galt und laut Blazer die Zahlung von Bestechungsgeldern im Zusammenhang mit der Vergabe der Weltmeisterschaften 1998 und 2010 organisiert hat. Aus Südafrika seien dafür seinerzeit zehn Millionen US-Dollar an die CONCACAF geflossen, das Geld soll Warner in Empfang genommen haben. Der südafrikanische Sportminister Fikile Mbalula sowie der Präsident des dortigen Fussballverbandes, Danny Jordaan, erklärten allerdings inzwischen, dass es sich dabei nicht um Bestechungsgeld, sondern um Zahlungen für ein genehmigtes Projekt gehandelt habe. Blazer selbst, aber auch andere Funktionäre hatten für die Vergabe der Weltmeisterschaft 1998 Schmiergelder von Marokko angenommen, den Zuschlag erhielt danach jedoch trotzdem Frankreich.


Turbulente Zeiten für Sepp Blatter.
Turbulente Zeiten für Sepp Blatter. (Bild: © kojoku – Shutterstock)

Der frühere FIFA-Vize Warner hat sich den US-Behörden selbst gestellt und ist vorerst gegen eine Kautionszahlung auf freiem Fuss. Er teilte mit, dass er belastendes Material „an andere Personen“ weitergegeben habe, in dem auch Blatter eine Rolle spielt.

US-Justizministerin Lynch: FIFA durch und durch korrupt

Die US-Justizministerin Loretta Lynch erklärte kurz vor Blatters Rücktritt in einem Interview, die Ermittlungsbehörden hätten festgestellt, dass die FIFA bis in ihre höchsten Ebenen korrupt sei. Zu den bisher 14 Angeklagten gehören neben Chuck Blazer und Jeff Warner weitere ranghohe Vertreter der Regionalverbände sowie Mitglieder des Exekutivkomitees der FIFA.

Untersucht wird inzwischen auch das Vergabe-Prozedere für die Fussballweltmeisterschaften in Russland und Katar 2018 und 2022. Die Ermittlungen hierzu liegen in der Hand der Schweizer Justizbehörden. Sollten Unregelmässigkeiten gefunden werden, müsste die FIFA eine Neuvergabe in die Wege leiten. Als besonders beunruhigend beschrieb Lynch die Tatsache, dass die Korruption tiefe Wurzeln im System der FIFA habe. Die Ermittler haben auch herausgefunden, dass die Absetzung korrupter Funktionäre nach FIFA-internen Untersuchungen jeweils ohne Folgen blieb. Auch die Nachfolger sahen ihre neue Position vor allem als eine Möglichkeit, Bestechungsgelder zu erhalten.

Die Korruption innerhalb des Verbandes funktioniere immer nach dem gleichen Muster.

Ein Neuanfang der FIFA ist bis auf Weiteres nicht in Sicht

Wie eine Lösung für die FIFA aussehen könnte, steht bisher in den Sternen. Die deutsche Journalistin Grit Hartmann schreibt in einem Kommentar, dass es den FIFA-Granden nach dem Rücktritt des bisherigen Präsidenten zwangsläufig darum gehen müsse, das „System Blatter“ ohne Blatter zu erhalten. Dessen Nachfolger werde demnächst von denselben 209 Mitgliedsverbänden gewählt, die letzte Woche noch für Blatter stimmten. Ein integrer Kandidat, der die Vergabepraxis der Weltmeisterschaften und die Finanzströme der FIFA in transparenter Weise kontrollieren wolle, wäre in diesem System nicht mehrheitsfähig.

Aus Hartmanns Sicht kann dem Weltfussballverband nur noch eine radikale Lösung helfen: Bei einem Austritt der UEFA – und damit der Aussicht auf künftige Weltmeisterschaften ohne Fussballnationen wie Frankreich, England, Holland oder Deutschland – wäre die FIFA zu einem Neuanfang gezwungen. Reale Aussichten darauf bestehen bis auf Weiteres nicht.

 

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