Geiselnehmender Taliban versteht Schweizerdeutsch

Einer der Taliban, die am 1. Juli 2011 das Schweizer Ehepaar Daniela W. (28) und David O. (31) nahe der pakistanischen Stadt Loralai entführten, versteht möglicherweise Berndeutsch. Auch soll er bereits im Visier von Schweizer Behörden und Justiz gewesen sein. Das berichtet die „SonntagsZeitung“.

Grund für die Vermutung: In einem von zwei Entführungsvideos, die am letzten Dienstag veröffentlicht wurden, benutzen die Schweizer Geiseln ihre Muttersprache – für die Taliban ein Risiko wegen eventuell versteckter Botschaften. Der besagte Taliban könnte als Übersetzer dienen und kontrollieren, was die beiden ausgebildeten Polizisten aus Langnau im Emmental (Kanton Bern) sagen – so die Meinung von Experten.

„Heute ist der 17. September 2011 und das ist die Zeitung vom 15. September 2011“, sagt David O. im Video, wobei er eine pakistanische Zeitung in die Kamera hält. „Die Botschaft geht an die Schweizer Regierung, an die Regierung in Pakistan und an die Schweizer Botschafter in Islamabad. Die Taliban Pakistan halten uns seit über zweieinhalb Monaten hier am unbekannten Ort fest. Die Taliban Pakistan fordern, Mudschaheddins aus den Gefängnissen von Pakistan freizulassen. Bitte nehmt Kontakt mit den Taliban Pakistan auf und sie werden euch sagen, wie viele Gefangene sie für unser Leben wollen. Wir fürchten um unser Leben. Geht auf die Forderungen ein“, fleht der Mann im markanten berndeutschen Dialekt.

Analysten des Genfer Zentrums für Terrorismus (GCTAT) vermuten, dass der Taliban mit Schweizerdeutsch-Kenntnissen der vierte Mann rechts hinter den Geiseln ist. In der Aufnahme ist er elektronisch unkenntlich gemacht.

GCTAT-Experten haben Moezeddine Garsallaoui in Verdacht, der früher in Düdingen (Kanton Freiburg) wohnte, berichtet die Zeitung weiter. Das GCTAT war ihm auf den Fersen, seit er von dort aus Al-Qaida-Propaganda und Bombenbaupläne verbreitete. Laut GCTAT versteht Garsallaoui Berndeutsch. 2007 wurde er vom Bundesstrafgericht zu einer Haftstrafe verurteilt, konnte aber nach Pakistan flüchten, wo er laut GCTAT ins mittlere Al-Qaida-Kader aufstieg. Er soll sich in Nord-Waziristan aufhalten – genau dort werden auch die Schweizer Geiseln vermutet.

Könnten aber nicht auch Taliban aus Deutschland übersetzt haben? Schliesslich halten sich laut deutschen Sicherheitsbehörden 20 bis 40 Deutsch-Taliban bei militanten Gruppen in Pakistan auf. Während Saifullah Mahsud, Direktor des Forschungsinstituts FRC in Islamabad, dies für möglich hält, weist der deutsche Journalist und Islamismuskenner Florian Flade diese Vermutung zurück. Die Zeitung zitiert ihn mit den Worten: „Der Schweizer Dialekt von David und Daniela ist für die Deutsch-Taliban eine Fremdsprache. Die meisten haben arabische, türkische oder deutsche Eltern. Dieses Berndeutsch versteht nur jemand, der einige Zeit in der Schweiz gelebt hat.“

Und warum haben die pakistanischen Taliban die Geiseln im Video überhaupt im Schweizer Dialekt sprechen lassen – statt nur in Englisch? Die Taliban wüssten, dass die Wirkung im Heimatland grösser ist, wenn sie ihre Muttsprache benutzen, so der Terrorforscher Mahsud gegenüber der Zeitung.


 

(Quelle: Youtube)


Titelbild: Oleg Zabielin – shutterstock.com

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