Kinderlebensmittel – bunte Verlockungen in Augenhöhe

Knallige Verpackungen, lustige Sticker, interaktive Websites – das Marketing der Lebensmittelindustrie ist extrem kreativ, wenn es darum geht, kleine Kunden zu gewinnen. Oft sind die Methoden jedoch grenzwertig – bis zum Vorschulalter nehmen nämlich Kinder Reklame für bare Münze.

Milchschnitte, Frühstücksmüsli, Chips – in leuchtenden Farben liegen Kinderlebensmittel in den Regalen der Supermärkte. Bei den Kids sind sie heissbegehrt, die Eltern wollen am liebsten schnell an ihnen vorbei. Tatsache ist, dass das Angebot immer grösser wird und die Industrie alles daran setzt, die Verkaufszahlen zu erhöhen. Kein Wunder – ist doch die Gewinnmarge bei diesen Nahrungsmitteln enorm.

Eine gesetzliche Grauzone

Nahrungsmittel für Säuglinge und Kleinkinder sind in der Schweiz gesetzlich streng reglementiert. Vitamin- und Nährstoffgehalt dieser Lebensmittel richtet sich nach klaren Vorschriften, dazu kommen noch Bestimmungen für die Angaben in der Werbung und auf der Verpackung. Ab drei Jahren ist die Umstellung auf eine normale Ernährung abgeschlossen, so lautet jedenfalls die Annahme der Behörden. Daher gibt es auch keine Unterscheidung zwischen Lebensmitteln für Erwachsene und jenen für Kinder über drei Jahren. Es existiert also keine gesetzliche Regelung des Begriffes „Kinderlebensmittel“.

Für die Industrie ist das ziemlich praktisch. Kinder sind nämlich für Marketingexperten ein dankbares Publikum. Sie haben ein gutes Gedächtnis und lernen schnell. Unkritisch nehmen sie die Werbeslogans auf, können sie doch bis zum 5. Lebensjahr kaum zwischen Werbung und anderen Inhalten unterscheiden. Was sie sehen, glauben sie auch.

Zielgruppengerechte Werbung für Kinder

Die Kleinen sind über ihre Eltern eine zahlungskräftige Käufergruppe. Die Händler sind dabei besonders einfallsreich, ihre Produkte attraktiv zu präsentieren. Die Strategien in diesem lukrativen Kampf sind im wahrsten Sinne des Wortes augenscheinlich. Eine auffällige Gestaltung der Verpackung, eine spezielle Formung, zum Beispiel als Comicfigur oder Tier, Aufkleber, Sammelbilder oder Spielfiguren – das sind die Hauptmerkmale von Kinderlebensmitteln.

Prädestiniert für das möglichst breite Erreichen der Zielgruppe ist die TV-Werbung. Kinder erkennen erst im Alter von sechs bis acht Jahren den Unterschied zwischen Programm und Werbeblock. Erst ab dem 10. Lebensjahr entwickelt sich überhaupt die Fähigkeit, Reklame distanziert zu betrachten. Besonders günstig für die Industrie: Kinder sehen gewöhnlich ziemlich viel fern – das verlängert das Zeitfenster, in dem Spots geschaltet werden können.

Auch das Internet bietet für die Werbeprofis ungeahnte Möglichkeiten. So sind die Websites für Kinderlebensmittel fast durchweg interaktiv gestaltet. Comics, lustige Werbeclips und Filme sind darauf ebenso zu finden wie Malblätter und Sammelalben zum Downloaden. Höchst erfolgreich ist zum Beispiel die Homepage „Paulas Welt“ von Dr. Oetker. Wer den Vornamen „Paula“ googelt, landet tatsächlich auf der Website des fleckigen Kinderpuddings.



Ein fragwürdiger Nährwert

Um es vorweg zu nehmen: Meistens haben massiv beworbene Kinderlebensmittel ein eher ungünstiges Nährwertprofil. Zucker, Salz und gesättigte Fette sind der Grund dafür, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO von diesen Nahrungsmitteln nicht gerade begeistert ist. Im Gegenteil, so wird eine Verminderung der an Kinder gerichteten Werbung für solche Lebensmittel gewünscht. Leider findet diese Forderung in Politik und Wirtschaft wenig Gehör.

Verbrauchertests zeigen jedoch klar auf, dass auf diesem Gebiet sehr wohl Handlungsbedarf besteht. Meistens sind keine Höchstwerte definiert. Aufgrund ihres geringen Körpergewichtes kommt es bei Kindern schnell zur Überschreitung des ADI-Werts (duldbare tägliche Aufnahme = Accetable Daily Intake). Ein Thema sind auch Farbstoffe und Aromen. So sind zum Beispiel etwa 75 % der Kinderlebensmittel mit künstlichen Aromen versetzt. Immerhin ein Viertel der Produkte sind mit Kalzium und Vitaminen angereichert. Zum Vergleich: In einem Glas Milch sind mehr Mineralstoffe und Kalzium enthalten, als in einer Portion aller getesteten Produkte.

Ein unschlagbares Argument: Gesund

Dieses Zauberwort öffnet die Geldbörsen der Eltern. Logisch, will man ja nur das Beste für seinen Nachwuchs. So liegt es auf der Hand, wie Lebensmittelkonzerne ihre Marketingstrategie auslegen – und sie gehen dabei ziemlich selbstbewusst vor. „Ein vollwertiger Start in den Tag!“ – so bewirbt zum Beispiel Nestlé seine Frühstücksflocken „Kosmostars“. Einen Snack, auf den eine Vollwertgarantie vergeben wird, kann man doch seinen Kindern nicht vorenthalten. So werden mit Knisterzucker und Fruchtpüree verfeinerte Joghurts als „gesunde Zwischenmahlzeit“ verkauft.

Die beliebten Kinderriegel und Milchschnitten bestehen gut zur Hälfte aus Zucker. Der Fettgehalt ist ähnlich hoch wie bei reiner Schokolade – also sind solche Kinderprodukte kaum eine geeignete Zwischenmahlzeit. Bei Kinderjoghurts und Fruchtsäften ist unbedingt auf den Zuckergehalt zu achten. Die Pom-Bär-Chips von Funnyfrisch enthalten ein Vielfaches an Salz und doppelt so viele gesättigte Fette wie die Pommes Frites der Fastfoodkette McDonald‘s.

Hersteller nehmen die Kritik ernst

Nichts ist den Lebensmittelkonzernen unwillkommener als öffentlicher Druck aufgrund ihrer Werbemethoden und der Zusammensetzung ihrer Produkte. Daher nehmen sie die Kritik ziemlich ernst und reagieren auf die Vorwürfe der Konsumentenschützer. In der heutigen Zeit sind sich mündige Bürger und Bürgerinnen nämlich ihrer Macht bewusst. Es lohnt sich deshalb, mit offenen Augen und gesundem Menschenverstand durch unsere Supermärkte zu gehen.

 

Oberstes Bild: © Costi Iosif – Shutterstock.com

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