Erweitertes Adoptionsrecht: Kindeswohl gewahrt?
von Alin Cucu
Paare sollen nach dem Willen des Bundesrats auch Stiefkinder adoptieren können – unabhängig vom Geschlecht der Partner.
Das öffnet auch Homosexuellen die Möglichkeit der Adoption. Die Novelle kommt nicht unerwartet – und ist doch höchst umstritten.
Adoption ist in der Schweiz auf vier Wegen möglich: nationale Adoption (von Kindern aus der Schweiz), internationale Adoption, Stiefkind- und Erwachsenenadoption. Derzeit stehen alle nur verheirateten Paaren offen. Die schweizerische Fachstelle für Adoption begründet das so: „Kinder, die nicht in der eigenen Familie aufwachsen können, benötigen ein Umfeld, welches ihnen Sicherheit und verlässliche emotionale Beziehungen ermöglicht.“ Genau diese Aussage interpretieren führende Politiker inzwischen freier – nicht mehr nur verheiratete Paare könnten ein solches Umfeld bieten.
Entsprechende Vorschläge hat der Bundesrat am vergangenen Freitag in die Vernehmlassung geschickt. Sie betreffen die Stiefkindadoption, die nun auch nicht verheirateten Paaren, auch homosexuellen, offen stehen soll. Als ob sie die Vorwürfe antizipieren wollte, beteuerte Justiziministerin Simonetta Sommaruga umgehend: „Auch eine Stiefkindadoption wird nur dann zugelassen, wenn sie dem Wohl des Kindes dient.“ Zunächst bietet der Gesetzentwurf immerhin ein Vetorecht für den verbleibenden leiblichen Elternteil. Gegen den Willen des Vaters oder der Mutter kommt eine Adoption des Kindes also nicht in Frage. Dennoch sind bei weitem nicht alle Bundesratsabgeordneten mit der Initiative einverstanden. Die SVP beispielsweise ist fast geschlossen dagegen.
Der Vorstoss war zu erwarten, da die Öffnung des Adoptionsrechts im Trend liegt. Man berücksichtige die gesellschaftliche Entwicklung, heisst es aus dem Justiz- und Polizeidepartment (EJPD). In über 10’000 Privathaushalten würden Kinder in faktischen Lebensgemeinschaften aufwachsen. Unter „faktischer Lebensgemeinschaft“ wird dabei das dauerhafte Zusammenleben zweier Partner verstanden, unabhängig von Zivilstand und sexueller Orientierung. Allerdings dürfen nach dem aktuell eingereichten Entwurf des Bundesrats nur eingetragene Lebenspartnerschaften adoptieren; für nicht eingetragene liegt jedoch bereits eine weiterführende Initiative in der Schublade.
Die Dachverbände der Schwulen- und Lesbenorganisationen reagierten zufrieden. Damit würden mehrere Tausend Kinder geschützt, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, teilten die Organisationen mit. Der Kernpunkt: Die bestehende Diskriminierung werde zumindest teilweise beseitigt. Denn nur weil der Vater oder die Mutter eines Kindes sich sexuell umorientieren, dürften sie keine Nachteile bei der Adoption ihres Kindes durch den neuen Partner erfahren – solange das Kindeswohl gewährt ist.
Genau hier liegt der Knackpunkt. Was dient zum Kindeswohl? Die bisherige Auffassung interpretierte „verlässliche emotionale Beziehungen“ so, dass es Vater und Mutter haben soll. Damit hat es zwei Ankerpunkte in seinem Leben, die jeweils besondere, zueinander komplementäre Schwerpunkte in der Erziehung und Beziehung zum Kind setzen. Können das homosexuelle Paare auch? Dazu hat bereits im Jahr 2009 die damalige deutsche Justizministerin Brigitte Zypries eine grossangelegte Studie in Auftrag gegeben. Dazu wurden homosexuelle Paare in eingetragenen Lebenspartnerschaften sowie die mit ihnen zusammen lebenden Kinder befragt. Fast alle waren leibliche Kinder eines der Partner, nur weniger als ein Drittel jedoch waren als Stiefkinder adoptiert worden – die Stiefkindoption ist in Deutschland seit 2005 erlaubt.
Die Ergebnisse zeigen zwar, dass keine vordergründigen gravierenden Fehlentwicklungen bei den Kindern und Jugendlichen (Alter zwischen 10 und 19 Jahre) auftraten. Dr. Christl Vonholdt, die die Studie für das Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft ausgewertet hat, weist jedoch darauf hin, dass 66 % der befragten Kinder ihren anderen leiblichen Elternteil (fast immer den Vater) kannten und 78 % die ersten fünf Jahre ihres Lebens, die für die kindliche Entwicklung besonders wichtig sind, mit Vater und Mutter aufwuchsen. Damit wird nur bestätigt, was seit Langem bekannt ist: Kinder brauchen beide leiblichen Elternteile. Zudem wird nicht das psychologische Faktum berücksichtigt, dass Kinder in der Regel ihre Familie schützen und die familiäre Situation deswegen eher schönen.
Doch all das hat ohnehin keine Auswirkungen auf den Status Quo, der besagt dass viele Kinder in „Regenbogenfamilien“ aufwachsen. Ihnen kann man zumindest teilweise ein gesundes Aufwachsen attestieren, sofern, sofern die leibliche Mutter (bei der die Kinder meist leben) ein stabiles Leben führt. Ganz anders gestaltet sich die Sache bei Volladoptionen, d.h. Adoptionen von nicht Kindern, zu denen keiner der Partner eine verwandtschaftliche Beziehung hat. Zypries‘ Nachfolgerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger hat zwar vollmundig verkündet, Kinder hätten auch bei Volladoption durch Homosexuelle keinerlei Nachteile. Dazu gibt es jedoch keine handfesten Daten, die Ergebnisse der erwähnten Studie lassen sich auf die Volladoption nicht übertragen.
Das Stiefkind-Adoptionsrecht mag sinnvoll sein, da es ein ohnehin gegebenes Faktum rechtlich absichert. Zu befürchten ist allerdings, dass das Adoptionsrecht schrittweise ausgeweitet werden soll. Heute eingetragene Lebenspartnerschaften, morgen faktische Lebensgemeinschaften, übermorgen Volladoption für Homosexuelle? Das könnte für die Kinder verheerende Folgen haben. Nehmen wir Simonetta Sommaruga beim Wort: Das Kindeswohl muss an erster Stelle stehen. Nicht die Anerkennung homosexueller Partnerschaften.
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