Asylsuchende sollen saisonale Hilfskräfte ersetzen

Bis zu 30’000 Hilfskräfte beschäftigt die Schweizer Landwirtschaft. Die meisten davon waren bisher Arbeiter aus Süd- und Osteuropa, die jeweils saisonbedingt ins Land kamen. Ein bislang reibungslos funktionierendes Beschäftigungsverhältnis mit Vorteilen für beide Seiten. Die Saisonnières profitierten von den guten Löhnen, die in ihren Heimatländern eine erhebliche Kaufkraft bedeuten. Die Landwirtschaft wiederum konnte sich auf zupackende Arbeitskräfte verlassen, die die Betriebe entlasteten, ohne das Risiko eines langfristigen Arbeitsvertrages tragen zu müssen.

Nun steht die Masseneinwanderungsinitiative im Raum und der Schweizerische Bauernverband (SBV) muss um den Fortbestand dieser Konstellation fürchten. Nicht umsonst war er einer der schärfsten Gegner der SVP-Initiative, doch ohne Erfolg. Ohne den verhältnismässig günstigen zusätzlichen Arbeitseinsatz können die Bauern schwerlich kalkulieren; ihr Jahresgewinn wird unberechenbar. Aus der Perspektive des SBV war es daher nur logisch, sich nach Alternativen umzusehen. Nun hat der Verband einen Vorschlag gemacht: Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene könnten während ihrer laufenden Verfahren bereits im Ackerbau tätig werden.

Ein entsprechendes Umsetzungskonzept hat der SBV bereits vorgelegt. Ein erstes Treffen mit Miario Gattiker, dem Chef des Bundesamtes für Migration (BFM), sowie einer Expertenrunde und ihm selber stehe unmittelbar bevor, sagt Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP/FR), Direktor des SBV. Dabei soll zunächst besprochen werden, ob der Einsatz von Asylbewerbern oder vorläufig Aufgenommenen arbeits- und asylrechtlich überhaupt infrage komme. Denn rein juristisch umgeht dieses Modell grundsätzliche Arbeitsverbote für Asylsuchende. Falls eine Ausnahmeregelung machbar ist, könnte zunächst ein einzelner Betrieb ausgesucht werden, auf dem ein entsprechendes Pilotprojekt gestartet werden könnte. Bourgeois hat dabei eigenem Bekunden nach Gemüseanbau im Auge.

Rein wirtschaftlich scheint die Idee logisch. Das Umsetzungskonzept nennt eine realistische Zahl von 14’000 erwerbsfähigen Zugereisten. Diese Anzahl an Arbeitskräften könnte einen erheblichen Teil der wegfallenden Saisonnières kompensieren. Die Bauernbranche reagiert, so scheint es zumindest eine stichprobenartige Umfrage des Schweizer Fernsehens zu ergeben, positiv auf diese Perspektive. Ein Bauer sagte gegenüber der Tagesschau, dass für ihn allein die Arbeitsqualität zähle; Herkunftsland und Bedingungen seien für ihn und seine Kollegen irrelevant.

Dies sieht auch die Politik so, die bisher mehrheitlich Zuspruch für die Idee signalisiert. Ihr geht es nicht nur um die Landwirtschaft, sondern auch um die Stimmung in der Bevölkerung. Andy Tschümperlin (SP), Mitglied der Staatspolitischen Kommission, sieht hier eine potenzielle Antwort auf die oft gestellte Frage, warum es motivierten Asylsuchenden bei genügend Arbeit nicht gestattet ist, sich entsprechend einzubringen.

Allerdings werden auch warnende Töne laut. Denn unbestreitbare Tatsache ist, dass landwirtschaftliche Tätigkeiten physisch anstrengend sind. Nur wer die nötige körperliche Konstitution und Kondition mitbringt, ist für diese Arbeit geeignet. Ebenfalls elementar ist die Frage der Bereitschaft: Soll die Teilnahme am Programm bei Eignung verpflichtend oder freiwillig sein? Und gilt für arbeitende Asylsuchende dasselbe Personalreglement wie für inländische Angestellte?


Schweiz als Zielland für Asylbewerber. (Bild: Skovoroda / Shutterstock.com)
Schweiz als Zielland für Asylbewerber. (Bild: Skovoroda / Shutterstock.com)


Auch noch aus einer ganz anderen argumentativen Richtung weht Gegenwind. CVP-Ständerat Urs Schwaller meint, dass das Modell und die daran geknüpften Verdienstmöglichkeiten die Schweiz als Zielland für Asylbewerber zusätzlich attraktiv machen könnte. Er geht immer noch davon aus, dass es genug inländisches Arbeitspotenzial gäbe, das nur besser ausgeschöpft werden müsse – eine Option, an die die Bauern schon lange nicht mehr glauben. Schwallers Meinung nach sollte weiterhin an einem strikten Arbeitsverbot für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten nach Einreise festgehalten werden. Auch humanitäre Gründe führt er an: Ansonsten würden Asylbewerber nur mehr als Manövriermasse für den Arbeitsmarkt eingestuft.

Dieses Argument der Instrumentalisierung ist nicht von der Hand zu weisen, wie auch immer es motiviert sein mag. Denn tatsächlich sind ja auch die Saisonarbeiter selten in den Schweizer Alltag integriert. Sie sind eine ökonomische, aber keine soziale Grösse. Die Frage stellt sich, ob das Modell der möglichen Integration von Asylsuchenden eher zuwiderlaufen oder diese umgekehrt sogar unterstützen könnte. Für den SP-Nationalrat Tschümperlin ist klar Letzteres der Fall. Mehr noch, er spricht von der Möglichkeit zu arbeiten als einem „humanitären Zeichen“. Der Profit der Landwirtschaft ist dabei für ihn eher ein positives Nebenprodukt. Er kann sich auch eine Ausweitung des Arbeitseinsatzes in andere Branchen wie etwa Gastronomie oder Baubranche vorstellen.

Doch nun muss erst einmal die Arbeitsgruppe um Nationalrat und SBV-Präsident Jacques Bourgeois (FDP) grundsätzliche Fragen klären. Momentan stehen nämlich diesbezüglich noch divergierende kantonale Regelungen im Raum. Bern und Zürich etwa haben ein generelles Arbeitsverbot für Asylbewerber ausgesprochen. Im Kanton Graubünden ist man weit weniger streng, mit sichtbarem Ergebnis. Dort geht Erhebungen zufolge fast jeder vierte erwerbsfähige Asylsuchende zur Arbeit. Im Kanton Wallis ist man sogar noch einen Schritt weiter. Vor zehn Jahren gab es dort bereits Beschäftigungsprogramme für Asylsuchende, mit durchgehend guten Erfahrungswerten. Gegenwärtig nehmen 450 Menschen daran teil.

 

Oberstes Bild: © Dirk Ercken – Shutterstock.com

MEHR LESEN