Fahrerflucht – Angst vor empfindlichen Strafen
von Olaf Hoffmann
Die Fahrerflucht nach Fahrzeugunfällen mit Toten oder Verletzten ist kein Kavaliersdelikt. Das wurde spätestens dann klar, als die Strafen für Fahrerflucht im Verkehr deutlich erhöht wurden.
Dennoch steigt die Zahl der Fälle von Fahrerflucht signifikant an. Selbst bei den Unfällen mit Blechschaden, aber ohne Personenschaden lassen sich höhere Quoten bei der unerlaubten Entfernung vom Unfallort verzeichnen.
Dabei würden hier eher Bussgelder wegen einer Übertretung fällig werden. Sind die Schweizer verantwortungsloser oder ängstlicher vor den empfindlichen Strafen geworden? Mit der erhöhten Angst vor Strafe, den Wechselbeziehungen und den Folgen für die Opfer auf beiden Seiten beschäftigt sich dieser Beitrag.
Unverhofft kommt oft
Steigende Zahlen an Verkehrsteilnehmern, damit verbunden eine höhere Verkehrsdichte und eine Zunahme der Risikobereitschaft beim Führen von Fahrzeugen sind oftmals die Gründe für Unfälle. Unaufmerksamkeit, riskante Überholmanöver, überhöhte Geschwindigkeit und Alkohol oder Drogen am Steuer erhöhen das Unfallrisiko überdurchschnittlich. Dazu kommen eine Menge junger, unerfahrener Fahranfänger, aber auch ältere Fahrzeugführer, deren Reaktionsgeschwindigkeit altersbedingt eingeschränkt ist.
Ein bunter Mix, der immer wieder zu Unfällen führt, bei denen nicht selten auch Personen in ihrer Gesundheit oder gar im Leben betroffen sind. Unfälle resultieren aus dem zeitlichen und räumlichen Zusammentreffen von mindestens zwei ungünstigen Zufällen. Ist es dann erst einmal geschehen, fallen die Reaktionen nicht nur personenbedingt, sondern auch bezogen auf den Moment sehr unterschiedlich aus.
Verantwortung übernehmen oder abhauen
Im Wesentlichen gibt es zwei Typen von Unfallbeteiligten. Unabhängig von der Verursacherfrage gibt es die, die Verantwortung übernehmen, und jene, die sich ohne weiteres Tun vom Unfallort unerlaubt entfernen. Nicht etwa, um Hilfe zu holen, sondern um vor einer möglichen Verantwortlichkeit und damit vor der folgenden Strafe zu fliehen. Wer im Strassenverkehr Verantwortung für sein Tun oder Lassen übernimmt, stellt sich auch der Verantwortung im Unfallgeschehen. Vor allem dann, wenn körperliche Schäden beteiligter Personen die Folge sind, ist in erster Linie Hilfe das Gebot der Stunde.
Hier kommt es nicht zuerst auf eine fachgerechte medizinische Versorgung an. Allerdings sollten zumindest die Massnahmen der Ersten Hilfe am Unfallort geläufig sein. Wer sich hier unsicher fühlt, sollte mindestens per Notruf für schnelle Hilfe sorgen. Dabei ist das Verbleiben am Unfallort meist die Regel Nummer eins. Wer sich hier ohne nachvollziehbaren Grund vom Unfallort entfernt und sich nicht um weitere Hilfe sorgt, begeht Fahrerflucht. Und die wird empfindlich bestraft. Das Strafmass reicht hier von hohen Geldstrafen über den Führerscheinentzug bis hin zu Haftstrafen in besonders schweren Fällen. Solche Strafen sind auch gerechtfertigt für Zeitgenossen, die sich ihrer Verantwortung im Strassenverkehr sträflich entziehen.
Opfer leiden zunehmend unter Fahrerflucht
Verletzte und die Angehörigen von Verkehrstoten leiden unter der Fahrerflucht von Unfallbeteiligten. Dabei ist es nicht immer die Schuldfrage, die hier für unbeantwortete Fragen sorgt. In erster Linie sind es der Verlust von Vertrauen und die entzogene Hilfe, die für das grössere Leiden der Opfer stehen. Nicht selten bleibt auch die Frage offen, ob etwa durch die frühzeitig und richtig ergriffenen Hilfsmassnahmen im Strassenverkehr Getötete vielleicht hätten überleben können.
Diese Frage bleibt bei flüchtigen Unfallbeteiligten zumindest über längere Zeit offen und vermehrt das Leiden der Betroffenen. Allein deshalb kann und soll die Fahrerflucht vom Gesetzgeber auch nicht so einfach hingenommen werden. Immerhin sind es alle Unfallbeteiligten, die zur Aufklärung eines Unfalls, aber auch zur Hilfe verpflichtet sind.
Zahlen und vermeintliche Gründe für die Fahrerflucht
Mit 26 % im Jahr 2012 ist es etwa ein Viertel der Unfallbeteiligten, die schnell und ohne weitere Informationen zu hinterlassen eine Unfallstelle verlassen. Hauptsächlich geschieht das bei Bagatellschäden, aber auch bei schwereren Blech- und Sachschäden. Wann immer es noch geht, sind diese 26 % mit ihrem Fahrzeug schnell wieder verschwunden, ohne in Kontakt mit Betroffenen, Zeugen oder der Polizei zu treten. Erschreckende 6 % sind es immerhin noch bei Unfällen mit Verletzten oder gar Toten. Im Jahr 2004 waren das noch vier Prozent. Ergibt sich ein rechnerischer Anstieg von immerhin 50 %. Der fällt nur deshalb personenbezogen nicht so auf, weil die Unfallzahlen insgesamt sinken. Für einzelne Opfer sind solche Zahlen in ihrer Auswirkung dennoch erschreckend hoch.
Die Gründe für Fahrerflucht sind statistisch nicht erfasst. Meist sind es Panik, Hilflosigkeit, die Angst vor Strafe oder Alkoholkonsum, die als Gründe für die Fahrerflucht herhalten müssen. Davon betroffen sind zumeist Männer, junge Fahrer eher als ältere. Auch wenn diese Gründe angesichts der doch nicht unerheblichen Strafen nachvollziehbar sind, gibt es hier nichts zu verstehen oder gar zu akzeptieren.
Als Strafe besonders hart sehen viele den Verlust des Fahrausweises und damit der Erlaubnis zum Führen von Fahrzeugen. Oftmals muss die Fahrprüfung erneut abgelegt werden, was auch zu nicht unerheblichen Kosten führt. In einer Zeit, in der viele Arbeitnehmer dringlichst auf die Flexibilität eines eigenen Fahrzeugs angewiesen sind, wiegt ein Entzug der Fahrerlaubnis schwer. Dennoch sollte das nicht als Grund für eine Fahrerflucht herhalten.
Wer will schon Opfer sein
Wie schon bemerkt ist die Fahrerflucht besonders für die Opfer schwierig zu ertragen. Da stelle sich der Unfallbeteiligte mit Fluchtgedanken einfach einmal vor, er wäre selbst in der misslichen und hilflosen Lage des Geschädigten. Manchmal hält schon allein dieser Gedanke von der beabsichtigten Fahrerflucht ab. Wenn sich dazu noch eine gute Portion Verantwortungsbewusstsein mischt, wird auch das Verbleiben am Unfallort erträglicher, selbst für Unfallverursacher.
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