Filmrezension „Prakti.com“: Warum sich der Kinobesuch trotz Google-Lobgesang lohnt
In „Prakti.com“ versuchen sich die gefeuerten Uhrenverkäufer Billy (Vince Vaughn) und Nick (Owen Wilson) an einem Pratikum bei Google.
Die voll aufs Offline-Business eingestellten Mittvierziger erhoffen sich davon eine zukunftsträchtige Festanstellung bei dem Internet-Giganten.
Die unorthodoxen Methoden, mit denen die beiden sich unter lauter halb so alten Stanford- und MIT-Absolventen zu behaupten versuchen, sorgen für einige Lacher.
Vaughn und Wilson („Die Hochzeits-Crasher“) werden dabei den an sie gestellten Erwartungen als Comedy-Labertaschen voll gerecht. Mit anarchischem Charme wirbeln sie die Welt eines Konzerns auf, dessen Hauptquartier eher an einen Kinderspielplatz denn an eine Hightech-Firmenzentrale erinnert. Man gewinnt dabei interessante, wenn auch marketing-verklärte Einblicke in das Innenleben des Suchmaschinen-Riesen und ist am Ende emotionaler berührt, als man es von dem Thema erwarten würde. Aber alles der Reihe nach.
Story und Schauspieler
Billy und Nick sind ein Verkäufer-Traumpaar mit enormen Offline-Skills: Sie verstehen es nämlich brillant, Menschen zu gewinnen und diese so gebaute emotionale Standleitung zu barem Geld zu machen. Das alles nützt ihnen aber nichts, denn ihr (extrem klischeehaft gespielter) Chef feuert sie mit dem Argument, alles sei inzwischen „computerisiert“, die Smartphones hätten sogar die klassischen Zeitmesser verdrängt. Bill wird daraufhin sogar von seiner Freundin verlassen. Dieser wenig überzeugende Part des Films ist aber schnell vergessen, sobald die beiden sich vor dem PC einer öffentlichen Bibliothek zu einem „Hangout“ mit zwei Google-Mitarbeitern wiederfinden – auf Initiative von Bill, der im Internet eine Praktikumsanzeige des Unternehmens aus Mountain View gefunden hat. Köstlich amüsiert man sich, wie sie ihren programmiersprachlichen Analphabetismus zu kaschieren und auf ihre Weise eine Antwort auf die Frage zu finden versuchen, wie sie sich, auf die Grösse eines 25-Cent-Stücks geschrumpft, in einem Mixer verhalten würden.
In der Folge landen sie als Praktikanten mit Propellermützen unter den Fittichen des strengen, indischstämmigen Praktikumsleiters Mr. Chetty. Die „Nooglers“ (Neologismus aus „New“ und „Googlers“) müssen sich im Team einen ganzen Sommer lang mit verschiedensten Aufgaben von App-Programmierung über Gmail-Support bis hin zu Quidditch-Spielen herumschlagen. Bill und Nick bleiben bei der Teambildung allerdings übrig – zusammen mit anderen vermeintlichen „Losern“, die nicht durch einen Harvard-Abschluss auftrumpfen konnten. Durch ihre unkonventionelle und menschliche Art machen die beiden aus ihren jungen Mitstreitern alsbald ein kreatives und verschworenes Team, das überraschende Ergebnisse erzielt, und am Ende…nein, zu viel darf nicht verraten werden.
120-Minuten-Kinowerbung für Google
Natürlich ist der Film ganz offensichtlich und auch ohne Hehl eine einzige überdimensionale Keynote für Google. Was man vielleicht schon mal gehört hat, wird einem hier kinoleinwandgross vor Augen gemalt: Programmierer, die per Spielplatzrutsche zum nächsten Meeting gleiten; Essen und Trinken for free für alle; ein lichtdurchfluteter Campus voller Turnschuh tragender, sympathischer, dynamischer und manchmal auch etwas nerdhafter junger Menschen. Kann man einem solchen Unternehmen noch für irgend etwas böse sein? Mr. Chetty schwört zu Beginn die Neulinge auf die so genannte Googliness ein – zu Anfang noch ein leeres Wort, am Ende aber weiss man was Google damit meint: Wir sind für die Menschen da, nicht die Menschen für uns. Wir bemühen uns, die Welt besser zu machen. Und wir erwarten dieses Denken auch von unseren Mitarbeitern.
Ganz raffiniert fädelt Google seine Eigenwerbung ein. Nicht nur, dass die Fakten für sich sprechen – im Google-HQ sieht es wirklich so aus – das Unternehmen wird auch emotional positiv belegt. Zum einen sind Gebäude und Campus jahreszeitbedingt immer lichtdurchflutet, eine stressige, dunkle Büroenge taucht nicht im Entferntesten auf. Dann wäre da der Teamspirit, der aus unsicheren Nerds selbstbewusste Young Professionals macht – ganz unbewusst macht der Zuschauer auch Google dafür verantwortlich. Und schliesslich darf auch die obligatorische Lovestory nicht fehlen, ganz nach dem Motto: Wer bei Google kein Liebesleben mehr hat, ist selber schuld.
Warum sich der Kinogang trotzdem lohnt
Keine Frage, das ist dick aufgetragen. Und wer ein Problem mit Google hat, wird „Prakti.com“ sowieso nicht schauen. Dennoch: Da ist einiges dran. Billy und Nick haben nämlich etwas, das ihre jungen Absolventen-Teammates (noch) nicht besitzen: Die Fähigkeit, Menschen emotional zu erreichen und dadurch Potenziale freizusetzen. Während Stewart die Welt nur noch via Smartphone erkundet, redet Billy mit den Leuten, und gewinnt so ganz zufällig die Sympathie des unscheinbar wirkenden Suchmaschinen-Chefs. Die vier Mitstreiter zeigen, wie die junge Generation heute ist: Uniabschluss in der Tasche und doch mit klammer Perspektive; hochspezialisiert und doch emotional verkümmert; wunderbar und doch mit Minderwertigkeitskomplexen behaftet. Wie Billy und Nick an die Sache herangehen, ist inspirierend. Harte Arbeit und Studium ja, aber bitte nicht vergessen wie viel Potenzial in den Menschen um einen herum schlummert. Wer nur für sich arbeitet, kommt nicht weit. Und ganz nebenbei: Genau das ist Googliness. Davon kann man sich eine Scheibe abschneiden – ob man nun voll auf Google-Produkte setzen sollte, bleibt dahingestellt.