Besoffen im Parcours: Was bringt das "Drink & Drive"-Konzept für Neulenker?
von Alin Cucu
Einmal ganz legal betrunken Auto fahren – dieser „Traum“ geht am 9. November für die Teilnehmer der von der Stiftung Roadcross organisierten „Drink & Drive“-Party in Erfüllung.
Die Organisatoren wollen dadurch jungen Menschen die Wirkung von Alkohol am Steuer vor Augen führen und gleichzeitig die neue 0,1-Promille-Regelung für Neulenker bewerben.
Die öffentliche Meinung dazu ist geteilt: Pädagogisch effektiver Ansatz oder Einladung zum Alkohol bagatellisierenden Halbstarkentum?Es wird die „dümmste Party der Welt“. Am 9. November dürfen junge Menschen feiern, trinken und sollen (!) sich danach ans Steuer setzen. In einem abgegrenzten Parcours natürlich. Ziel: Den Strassen-Newbies soll klar werden, wie eingeschränkt die Fahrtüchtigkeit nach dem Alkoholkonsum eines ganz normalen Partyabends ist. Kampagnenleiterin Monique Ben-Shmuel erklärt den Fokus der Aktion so: „Alkohol- und Geschwindigkeitsunfälle sind in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen nun einmal deutlich häufiger als in anderen Altersgruppen. Deshalb macht es Sinn, gerade bei dieser besonders gefährdeten Gruppe einzugreifen.“ Hintergrund ist die neue 0,1-Promille-Regelung, die schweizweit ab dem 1. Januar 2014 gelten wird. Danach verlängert sich die Probezeit für Führerscheinneulinge um ein Jahr, falls sie mit mehr als 0,1 Promille Blutalkohol erwischt werden. Bei Wiederholungstat droht sogar ein kompletter Entzug der Fahrerlaubnis.
Verlangsamte Reaktionszeit mal live erleben
Roadcross setzt voll auf den Aha-Effekt des aufgebauten Parcours. Der soll laut Monique Ben-Shmuel sogar für Nüchterne eine Herausforderung sein. Betrunkene dürften also schnell an ihre Grenzen kommen und am eigenen Leib erfahren, was Alkohol am Steuer ausmacht: eingeschränktes Sichtfeld, verschwommene Umrisse, verlangsamte Reaktionszeit. In freier Wildbahn erfahren die jungen Wilden diese Effekte oft erst im Ernstfall, also bei einem Unfall, der meist tödlich endet. Grundsätzlich also eine sinnvolle Idee, die eigenen Grenzen in einem geschützten Rahmen ausloten zu dürfen.
Dem Einwand, man könne doch auch einen Simulator einsetzen, hält Ben-Shmuel entgegen: „Das Erleben der Situation in einem Simulator hat nicht den gleichen Effekt wie die Realität. Man ist zu weit weg von der realen Situation: Es fühlt sich nicht wirklich an wie Autofahren, und wenn man einen Fehler macht, sucht man die Schuld eher beim Simulator und nicht bei sich.“ Andere Kritiker sind der Meinung, durch die Aktion würden diejenigen bestärkt, die den Parcours auch im alkoholisierten Zustand gut meistern. Sie könnten dann sagen: „Schaut her, so schlimm ist’s doch nicht. Ich kam ja ganz gut durch.“ Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Verlauf hält Monique Ben-Shmuel für eher unwahrscheinlich, da der Parcours es ganz schön in sich habe. Ausserdem kann man annehmen, dass solche Charaktere eher beratungsresistent sind und deshalb auf gar keine Aktion hin ihr Verhalten ändern würden.
0,1 Promille – warum nicht auch für erfahrene Autofahrer?
Die Diskussion um „Drink & Drive“ hat auch die 0,1-Promille-Regelung zum heissen Gesprächsthema gemacht. Ein 20min.ch-Leser schreibt etwa: „Damit werden wieder einmal Leute wie ich bestraft. Wenn ich fahre, trinke ich am Abend genau ein Bier. Die, die besoffen fahren und Unfälle verursachen, werden wohl meist mehr als 0.5 Promille intus haben. Genau jene wird es wohl kaum interessieren, ob sie jetzt über 0.1 oder 0.5 Promille sind.“ Eine andere Leserin hat das Gesetz in ihrem Leben schon vorweggenommen: „Ist mir egal. Entweder ich fahre oder ich trinke. Der Rest ist mir egal. Von mir aus soll das Gesetz kommen, für mich ändert sich nichts.“
Tatsächlich ist nur eine Null-Promille-Politik wirklich effektiv im Kampf gegen Alkohol am Steuer. Selbst kleinere Mengen Alkohol können die Fahrtüchtigkeit in unberechenbarer Weise einschränken, was andere Versuche im Stil von Drink & Drive gezeigt haben; die letztendliche Auswirkung hängt stark von der Prädisposition der jeweiligen Person ab. Nun fragen aber berechtigter Weise junge Menschen, warum die Regelung nicht auch auf erfahrene Lenker ausgeweitet wird. „Welchen erzieherischen Nutzen soll denn das Gesetz haben, wenn es für mich drei Jahre nach Führerscheinantritt wieder wegfällt?“ schreiben unisono viele junge User in Internetforen.
Ja, warum nicht? Zwar ist die Gruppe der 18- bis 24-jährigen die gefährdetste, was die Unfälle unter Alkoholeinfluss angeht. Aber auch bei Älteren gibt es sie noch. Quod licet Iovis, non licet bovis? fragt man sich da. Wenn, muss die Regelung für alle gelten, denn Alkohol beeinträchtigt eines jeden Fahrtüchtigkeit. Und vielleicht wird Monique Ben-Shmuel bald eine „Drink & Drive-Ü40-Party“ organisieren.
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