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Vorratsdatenspeicherung: Darum kippte der EuGH das Gesetz

14.04.2014 |  Von  |  Beitrag

Die im Jahr 2006 beschlossenen Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung wurden mehr als sieben Jahre später vom Europäischen Gerichtshof für unzulässig erklärt.

Der Ansicht der Richter nach ist die Regelung unverhältnismässig und nicht mit geltendem EU-Recht vereinbar.Die Vorratsdatenspeicherung ist seit ihren ersten Plänen Verbraucherschützern und Befürwortern der uneingeschränkten Privatsphäre ein Dorn im Auge. Trotz des Urteils wird die Vorratsdatenspeicherung höchstwahrscheinlich nicht vollständig verschwinden.

Grobe Verstösse gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung fordert von Unternehmen aus der Internet- und Kommunikationsbranche, die Daten ihrer Kunde für mindestens 6 Monate und maximal 24 Monate aufzubewahren. Dabei ist es unerheblich ob ein Tatverdacht gegen die jeweilige Person vorliegt. Gespeichert wurden die Dauer, Zeit, Ort, alle Teilnehmer und die Art des Telefonats beziehungsweise einer Nachricht. Diese sogenannten Metadaten mussten innerhalb des festgelegten Zeitraums jederzeit abrufbar sein, der Inhalt hingegen durfte nicht mitgespeichert werden.

Die Richter des Europäischen Gerichtshofes bezeichneten das Gesetz als einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte und Privatsphäre der europäischen Burger. Zugleich sei es nicht mit dem Schutz personenbezogener Daten zu vereinbaren. Zeitgleich räumten die Richter aber auch ein, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung dem Allgemeinwohl dient, indem dadurch schwere Straftaten und terroristische Anschläge unterbunden werden sollen. Auch sei der Grund für das Urteil nicht die vermeintliche Missachtung der Privatsphäre, da der Verstoss in den Augen der Richter, wenn überhaupt, nur minderwertig sei. Dieser Umstand resultiert aus dem Verbot, die Inhalte der Kommunikation zu erfassen.

Die hohen Richter sehen in dem Gesetz dennoch eine Grenze überschritten. Jegliches in der EU verabschiedete Gesetz müsse den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahren. Dies sei aber nicht länger gegeben, wenn Daten jeder Person gespeichert werden, auch wenn gegen diese kein Tatverdacht oder -nachweis vorliegt. Millionen von betroffenen Bürgern erhalten dadurch ein Gefühl der ständigen Überwachung, selbst wenn nur Metadaten erfasst werden. Die Richter beschlossen, dass das Gesetz komplett neu ausformuliert werden muss. Künftig darf es sich nur noch auf das absolut Notwendige beschränken.


EU-Länder sind sich uneinig.

EU-Länder sind sich uneinig. (Bild: Denys Rudyi / Fotolia.com)


Auch EU-Länder sind sich uneinig

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hatte die EU-Länder gespalten. Grund für das Urteil am Europäischen Gerichtshof war ein Anliegen aus Irland und Österreich.

In Österreich hatte die Kärntner Landesregierung gegen das Gesetz geklagt, in Irland die freie Bürgerrechtsorganisation „Digital Rights“. Da sich Kläger und Länder nicht einigen konnten, wurde der Fall schliesslich dem Europäischen Gerichtshof übergeben. In Deutschland wurde das Gesetz bereits im Jahr 2010 gekippt, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Gesetzesentwurf für grundgesetzwidrig erklärte.

Die damals amtierende Bundesregierung in Deutschland hatte daraufhin komplett auf eine Neuformulierung verzichtet und wollte stattdessen auf das Urteil vom Europäischen Gerichtshof warten. Ursprünglich sollten alle Unternehmen, die mehr als 10’000 Kunden haben, die Metadaten für 6 Monate speichern. Die aktuell in Deutschland amtierende Regierung aus SPD und CDU/CSU plant jedoch das Gesetz neu zu integrieren. Künftig soll es, wie vom Europäischen Gerichtshof verlangt, nur noch individuell nach Tatverdacht eingesetzt werden.

Wissenschaftlich höchst umstritten

Die Vorratsdatenspeicherung wird nicht nur von Bürgerrechtsorganisationen verurteilt, sondern auch von vielen Anwälten als unzulässig und mit geltendem Gesetz als nicht vereinbart eingestuft. Auch aus wissenschaftlichen Reihen finden sich viele Kritiker. Eine Studie des Max-Planck-Institutes hatte festgestellt, dass eine Vorratsdatenspeicherung bestenfalls einen marginalen Effekt auf die Strafverfolgung hätte. Zu den wissenschaftlichen Kritikern gehören auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags.

Die Richter des Europäischen Gerichtshofs liessen es sich nicht nehmen, mit dem Urteil auch direkt eine Anregung für potentielle Änderungen zu vergeben. Künftig müssen unbedingt präzise und klare Regeln festgelegt werden, welche Personen von einer Vorratsdatenspeicherung betroffen sind und warum diese zu dem Personenkreis zählen. Nur auf diese Weise lässt sich ein universeller Missbrauch der Datenspeicherung wirklich unterbinden, während der Kern des Gesetzes, die Strafverfolgung, weiterhin erhalten bliebe.

Der Gerichtshof bemängelte ausserdem, dass das Gesetz keinerlei Massnahmen zur Wahrung von Berufsgeheimnissen erheben würde. Personengruppen, die dem Berufsgeheimnis immer unterstehen, beispielsweise Ärzte, sind davon besonders betroffen. Aber auch jeder klassische Arbeitnehmer, welcher gegenüber beruflichen Aspekten seiner Arbeit zur Geheimhaltung verpflichtet ist, würde diese indirekt automatisch verletzen – selbst wenn keine Inhalte aufgezeichnet und erfasst werden.

Die Richter betonten am Ende ihrer Ausführungen, dass zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei objektive Kriterien für die Vorratsdatenspeicherung vorliegen. Es gibt weder eine unabhängige Kontrolle durch Rechtsorgane oder unabhängige Organisationen, noch beruht die Speicherdauer von 6 bis 24 Monaten auf einer nachvollziehbaren Basis. Besonders nach dem Datenskandal rund um Edward Snowden kann ausserdem nie ausgeschlossen werden, dass die gesammelten Daten nicht durch fremde Geheimdienstbehörden ausfindig gemacht werden.

Wie die Vorratsdatenspeicherung künftig reguliert wird, hängt also massgeblich von dem neuen Gesetzesentwurf ab. Es ist davon auszugehen, dass EU-weit schnell eine Alternative vorgelegt wird, um das Unterfangen der Datenspeicherung schnellstmöglich wieder in Betrieb nehmen zu können.

 

Oberstes Bild: © RTimages – Fotolia

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