Retouren bringen Versandhändler in Bedrängnis

Online-Händler haben immer stärker mit Retouren ihrer Kunden zu kämpfen. Während das Geschäft mit dem eCommerce oft als florierend bezeichnet wird, sieht die Realität für viele Händler im Internet eher gegenteilig aus.

Durch das Widerrufsrecht landen zahlreiche Artikel direkt wieder in der Retoure, wodurch den Händlern nicht nur ein hoher Aufwand, sondern auch ein immenser Verlust entsteht. Immer mehr Online-Shops versuchen sich nun dagegen zu schützen.

Millionen von Paketen am Tag in Retoure

Statistiken des deutschen Versanddienstleisters Hermes belegen das wirkliche Ausmass des Retourenwahns. In einer Grossstadt wie Hamburg gehen ins nahegelegene Versandzentrum am Tag mehr als 200’000 Retouren ein. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass andere Versanddienstleister mindestens mit dem gleichen Aufwand kalkulieren müssen, der sich in Grossstädten besonders gut messen lässt. Jeden Tag werden Millionen von Paketen zurück an den Händler geschickt, nur selten ist beschädigte oder falsch gelieferte Ware der Grund.

Häufigster Grund sind sogenannte Auswahlbestellungen. Bei diesen bestellt der Kunde mehrere Artikel in verschiedenen Grössen, besonders bei Kleidung und Schuhen sehr beliebt, um diese in Ruhe zu Hause anzuprobieren und nicht passende Modelle dann zurückgehen zu lassen. Dieser Umstand gehört zum eCommerce dazu, da anders als im Ladengeschäft schlicht die Umkleidekabine direkt am Verkaufsplatz fehlt. Das notwendige Übel wird jedoch ergänzt durch mehrere weniger verständliche Retouren, die sich vor allem an bestimmten Terminen häufen.

Zu Weihnachten werden besonders viele Artikel bestellt, die von den Beschenkten bei Nicht-Gefallen direkt wieder an den Händler retourniert werden – sofern der Schenker die Rechnung noch hat. Aber auch zu anderen Terminen, beispielsweise bei einer Fussball-Europa- oder -Weltmeisterschaft, kann ein rasanter Anstieg der Retouren gemessen werden. Besonders grosse Fernseher sind in dieser Phase ein populärer Artikel für Retouren.

Es braucht nicht viel, um Eins und Eins zusammenzählen zu können: Viele Kunden kaufen die Geräte für einen kurzen Zeitraum, benutzen sie und lassen sie im Anschluss mithilfe des Widerrufsrechts einfach wieder an den Händler zurückgehen – dieser bleibt auf dem Aufwand und den Mehrkosten sitzen, ohne einen einzigen Euro Umsatz erwirtschaftet zu haben.


Schätzungsweise ist jede fünfte Retoure ein Missbrauch des Rückgaberechts (Bild: Andresr / Shutterstock.com)


Nicht nur wirtschaftlicher Schaden

Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Die Portokosten für die Retoure werden im Regelfall vom Online-Shop selber getragen, zugleich müssen natürlich Arbeitskräfte eingesetzt werden, um die Pakete einerseits zu verpacken und andererseits nach der Retoure wieder ins Lager zu integrieren. Die Personalkosten sind besonders für kleine Online-Shops und Start-ups ein Problem, die nicht nur mehr Geld für ihre Infrastruktur ausgeben, sondern signifikant mehr Personalkräfte einsetzen müssen, um die zahlreichen Pakete zu verarbeiten – selbst wenn am Ende durch die Retoure kein Gewinn, sondern noch ein Verlust erwirtschaftet wird.

Offiziell hält sich die eCommerce-Branche zu dem Thema bedeckt, schliesslich möchte niemand seinen Kunden etwas vorwerfen oder diese zum direkten Konkurrenten, der nur einige Mausklicks entfernt ist, weiterleiten. In Managerkreisen wurde das Retouren-Problem aber vor längerer Zeit erkannt. Immer weniger Online-Shops bieten daher die Möglichkeit der Rechnung an. So muss der Kunde zumindest in Vorleistung gehen, was viele Konsumenten davon abhält, umfangreiche Auswahlbestellungen oder geplante Retouren zu tätigen.

Eine dauerhafte Lösung ist das jedoch nicht, denn grosse Konzerne und Online-Shops haben die nötige Kapital- und Personalstärke, um Bestellungen auf Rechnung weiterhin anzubieten. Kleine und mittelständische Unternehmen erhalten durch eine Begrenzung der Zahlungsvarianten erhebliche Wettbewerbsnachteile.

Auch Umwelt und Verkehr werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Millionen von Paketen im deutschsprachigen Raum erhöhen den CO2-Ausstoss auf schweizerischen und deutschen Strassen enorm. Zugleich wird der hohe Andrang für Versanddienstleister zum Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist für eine kontinuierliche Auslastung an der Maximalgrenze gesorgt, andererseits ist der Andrang zu Spitzenzeiten, wie beispielsweise Weihnachten, kaum noch zu bewältigen. Immer mehr Versanddienstleister beauftragen daher Sub-Unternehmen, die aus qualitativem Blickwinkel nur selten mit „den Grossen“ mithalten können – auch wenn sie unter deren Flagge arbeiten.



Erste Online-Shops ergreifen Massnahmen

Der Versandriese Amazon gehörte zu den ersten Vertretern einer strafferen Retouren-Politik. Wie im letzten Jahr bekannt wurde, schreckt Amazon mittlerweile auch nicht davor zurück, einige Kunden gar nicht mehr als solche zu akzeptieren, wenn sie in der Vergangenheit durch massenhafte Retouren aufgefallen sind. Natürlich handelt es sich bei diesem Beispiel um Extremfälle, denn eine Retoure von Zeit zu Zeit wird von Online-Shops eingeplant und schon im Vorfeld einkalkuliert. Wer bei Amazon mittlerweile aber der Meinung ist, Teile von jeder Bestellung regelmässig zurückgehen lassen zu müssen, könnte in Zukunft von einer Schliessung seines Kontos betroffen sein.

Amazon hat hierbei natürlich den Vorteil, dass der Konzern nicht auf diese Art von Kunden angewiesen ist. Kleine Unternehmen können sich ein derartiges Vorgehen aber kaum herausnehmen, denn jeder verlorene Kunde könnte nicht nur schlechte Publicity mit sich bringen, sondern zugleich auch beim Konkurrenten sein Bestellverhalten ändern und diesem Gewinn bringen. Eine Veränderung muss aus Sicht der Online-Händler aber in jedem Fall stattfinden, denn schon jetzt wird davon ausgegangen, dass jede fünfte Retoure ein Missbrauch ihres Rechts ist.

 

Oberstes Bild: Retouren bringen Versandhändler in Bedrängnis (Bild: Syda Productions / Shutterstock.com)

MEHR LESEN