Warum Kinder zu Schlägertypen werden

Jugendgewalt ist ein grosses Thema in den Medien. Seit Jahren liest man immer wieder von jungen Menschen, die andere brutal niederschlagen. Über mögliche Ursachen hat jetzt Gerichtspsychiater Josef Sachs gegenüber 20 Minuten Auskunft gegeben.

Der Mediziner hat langjährige Erfahrung im Umgang mit jugendlichen Gewaltstraftätern. Neben Ursachen sprach er auch über Präventionsmassnahmen für Eltern.

Übersensibilität für Gewalt

Zunächst einmal diagnostiziert Sachs eine Überempfindlichkeit für Gewalt in der professionellen Pädagogik. Dass sich Kinder auch mal raufen, sei normal, so der Psychiater; man müsse in einem solchen Fall nicht gleich von erhöhter Gewaltbereitschaft ausgehen.

Kritisch wird es dann, so Sachs, wenn „sich die Prügelei weg vom Spielerischen hin zum Sadistischen entwickelt“. Das sei dann der Fall, wenn das Kind keine Grenzen mehr kenne, etwa dass man auf einen am Boden Liegenden nicht eintritt, oder Konflikte generell gewaltsam gelöst werden.

Abnehmende Gewaltdelikte bedeuten keine Entwarnung

Josef Sachs ging auch auf die Frage ein, ob man die abnehmende Anzahl an Gewaltdelikten seit Anfang der 2000er-Jahre als gutes Zeichen werten könne. Problematisch sieht der Psychiater diese Zahlen deswegen, weil sie darüber hinwegtäuschen, dass die Brutalität der einzelnen Fälle zugenommen hat. Besonders beunruhigt zeigte sich Sachs davon, dass die soziale Durchmischung der Schweizer Gesellschaft immer weiter abnehme, Arm und Reich begegneten sich immer seltener. Konkret sieht Sachs die Gefahr von „Banlieues“, wie sie in französischen Grossstädten inzwischen die Regel sind.

Die Politik soll etwas tun

Solche ghettoartigen Viertel hätten zur Folge, dass Jugendlichen aus ärmeren bzw. bildungsfernen Familien immer mehr unter sich seien und ihre eigene Subkultur mit fragwürdigen Vorbildern entwickelten. Sachs sieht hier die Politik in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Kinder aus solchen Familien eine staatliche Schule besuchen, um die Werte der Schweizer Gesellschaft zu lernen und nicht die einer Subkultur.

Darüber hinaus sollte laut Josef Sachs auch der Städtebau überdacht werden. Quartiere müssten besser durchmischt sein, um eine räumliche Isolation der sozialen Schichten zu verhindern.

Wie Eltern ein Schlägerkind verhindern können

Der Gerichtspsychiater ging auch darauf ein, wie Eltern die Entwicklung ihres Kindes zu einem Schläger unterbinden können. Seine Ratschläge klingen nicht neu, aber gerade deswegen bestätigen sie die Intuition vieler Eltern und die Erkenntnisse anderer Wissenschaftler und Erzieher.

Das Entscheidende sei, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit Eltern in ihr Kind investieren. „Eine halbe Stunde am Tag reicht nicht aus“, so Sachs. Wichtig sei, wirklich zu erfahren, was in dem Kind vor sich geht. Sonst droht dem Nachwuchs innere Langeweile, den die Jugendlichen durch Drogen oder Gewalt zu kompensieren versuchten. Sachs warnt aber auch vor einem zu stark durchgeplanten Tag. Dann könnten die Kinder in eine gefährliche Passivität verfallen, die das Abschieben jeglicher Verantwortung zur Folge hätte.

Trotz aller möglicher Gefahren rät Sachs Eltern zur Gelassenheit. Entscheidend sei eine gute Beziehung zu den Kindern zu haben sowie ein gutes Vorbild zu sein: Nur, wer an seinen Eltern sehe, wie man Konflikte ohne Gewalt löst, könne dies später auch so reproduzieren.

 

Titelbild: Snap2Art / shutterstock.com

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