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Es geht weiter: Internetzensur auch in Russland

21.05.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]Nach dem Iran, über welchen wir bereits berichteten, folgt nun auch Russland: In dem derzeit nicht unbedingt krisenfesten Land steht eine Sperre von Twitter bevor, ausserdem sollen die Betreiber von Blogs unter Beobachtung gestellt werden. Möglicherweise geht Russlands Zensurbehörde nun aber zu weit – denn auch aus den eigenen Reihen kommt scharfer Gegenwind.

Die Motivation für die Sperre

Eine Twitter-Sperre ist als wahrscheinlich einzustufen, wenn es nach der Internetaufsicht des Kreml geht. Maxim Ksenow, Leiter der Behörde namens Roskomnadsor, hält die Blockade des Dienstes gar für unausweichlich. Gründe führt er ebenfalls an: So zeige Twitter keine Bereitschaft, mit den russischen Behörden zusammenzuarbeiten, um unliebsame Inhalte zu löschen. Diese, so Ksenow, würden gegen geltendes russisches Recht verstossen und wären daher nicht tolerierbar – aber wie so häufig ist das nur eine Seite der Medaille.

Denn politische Motive spielen bei einer solchen Sperre natürlich ebenfalls eine Rolle: Ksenow beschuldigt Twitter beispielsweise, die Interessen der US-Regierung zu verfolgen und damit auch ein Feind Russlands zu sein. Eine zutiefst amerikanische Firma wittert er hinter der Leitung von Twitter. Als Beispiel führt er einen Mitarbeiter des Unternehmens an, welcher früher angeblich ein Berater des Energieministers in den USA gewesen sei. Somit trage Twitter auch die Politik der USA – wenn auch unbemerkt – in das Ausland.

Mütterchen Russland als Grosskunde

Für Twitter selbst wäre eine solche Blockade ebenfalls ärgerlich. In Russland nutzen etwa fünf Millionen Menschen den Dienst, so dass das Land den achten Platz in der Benutzerstatistik des Unternehmens einnimmt. Nach der Türkei wäre Russland damit das zweite Land, in welchem Twitter komplett verboten wäre. Genutzt wird der Dienst in der Hauptsache von Gegnern des Kreml, doch auch der amtierende Premierminister Medwedew twittert praktisch rund um die Uhr – was den Vorschlag der Zensurbehörde noch absurder erscheinen lässt. Denn gerade Medwedew trat in der Vergangenheit auch sehr offen gegenüber neuen Medien auf, sogar einem einfachen Blogger hatte er einmal ein Interview gewährt.

Während seiner Amtszeit würde es keine Zensur geben, denn diese wäre sinnlos, so Medwedew früher. Eine staatliche Kontrolle des Internets würde nicht eingeführt, denn nur durch Offenheit auf allen Ebenen würde man mit diesem Medium richtig umgehen. Das Problem daran ist nur, dass Medwedew inzwischen kein Präsident mehr ist und Wladimir Putin offenbar andere Probleme hat. Als „Geheimprojekt der CIA“ stuft Putin das Internet ein. In Zeiten der NSA-Spionage dürfte darin ein Fünkchen Wahrheit zu finden sein, welches aber angesichts der eigenen politischen Motive Russlands schnell verpufft.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]

Blogger. (Bild: igor.stevanovic / Shutterstock.com)

Blogger. (Bild: igor.stevanovic / Shutterstock.com)

[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Was machen die Blogger?

Schwer haben es auch die Blogger: Die Szene in dem Land galt bislang eigentlich als vorbildlich, einflussreiche Betreiber berichten über Politik, Korruption, soziale Missstände. Sie erreichen Hunderttausende Leser und stellen somit ein wichtiges Organ der Wahrheit in Russland dar. Offenbar ist dies dem russischen Parlament ebenfalls ein Dorn im Auge: Wer ab August mehr als 3000 Leser pro Tag erreicht, führt ein sogenanntes Massenmedium. Das heisst, dass diese Blogger nicht mehr nach Lust und Laune Informationen verbreiten dürfen, sondern diese vorher auf Wahrheitsgehalt überprüfen müssen – was bei einigen Themen unmöglich sein dürfte.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass diese Wahrheitsprüfung für TV-Sendeanstalten weniger aufwendig ist und im Zweifelsfall die Unternehmen dahinter für Schäden haften. Blogger hingegen müssten ihren eigenen Kopf hinhalten. Eine Strafe darf bis zu 30’000 Rubel betragen, was in etwa 730 Franken entspricht – und damit einem Monatsgehalt in Russland. Zeitungen und andere Medien auf aller Welt erwarten bereits katastrophale Folgen für die ansonsten so vorbildliche Blogger-Szene in Russland.

Kritik aus den eigenen Reihen

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sieht in diesem Gesetz nur das, was es wahrscheinlich auch ist: eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Offiziell wird die Blogger-Drangsalierung als Teil eines Anti-Terror-Paketes verkauft. So sollen Blogger in Zukunft davon absehen, über das Privatleben von Bürgern zu berichten. Die Gründe dafür seien die Ehre, Würde und Reputation der Menschen, welche es zu beachten gelte.

Interessant daran ist, dass ausgerechnet Irina Jarowaja zu den Initiatoren des Gesetzes zählt – denn ein Blogger hatte erst 2013 festgestellt, dass sie in einem Moskauer Luxusapartment wohnt, während ihr Gehalt als Abgeordnete dies eigentlich nicht zulässt. Derartige Berichterstattung wird ab August 2014 sehr schwer werden.

Auch Robert Schlegel, eigentlich ein brennender Befürworter der Internetregulierung in Russland, hält das neue Gesetz für unausgegoren. Unprofessionell, schlecht vorbereitet, allgemein formuliert und nicht konkret: Schlegel findet deutliche Worte für diesen Schnellschuss. Und sogar die Unternehmen stellen sich quer. Die beliebte Blogger-Plattform Livejournal und auch Yandex, Googles russisches Äquivalent, könnten das Besucherranking zwar ohne Probleme zugänglich machen – aber beide haben die entsprechenden Seiten unter Vorgabe „technischer Probleme“ eingestellt.

 

Oberstes Bild: © Pavel Ignatov – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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