Das neue Unterhaltsrecht: Was es für unverheiratete Väter und Mütter bedeutet
von Caroline Brunner
Diese Fragen werden von der Rechtsprechung nun aus der Sicht des Kindes betrachtet und nicht mehr wie zuvor aus der Perspektive der Beziehung der Eltern zueinander. Anders formuliert: Den Kindern sollen aus dem Zivilstand der Eltern keine Nachteile erwachsen. Damit kommt das Unterhaltsrecht nun auch in der Schweiz in der Wirklichkeit an, wie sie das Leben bereits seit Jahren schreibt. Tatsache ist nämlich, dass jedes fünfte Kind unverheiratete Eltern hat. Bisher waren nur geschiedene Mütter unterhaltsberechtigt. Dies ist für die Kinder direkt relevant, da ihre Mütter in den meisten Fällen Geld verdienen müssen und sich deshalb ungeachtet des Kindsalters nicht voll um den Nachwuchs kümmern können.
Deshalb kommt es nun bei der Unterhaltsfestlegung auch zu einer Erwerbsausfallentschädigung (die der Gesetzgeber nicht so nennt): Wer das Kind mehrheitlich betreut, hat Anspruch auf entsprechende Unterhaltszahlungen durch den anderen Elternteil – unabhängig davon, ob der Vater oder die Mutter diesen Part übernimmt. Wenn sich jedoch beide Elternteile die Betreuung gleichmässig teilen, wird kein Elternteil Betreuungsunterhalt schuldig.
Allerdings soll die Unterhaltshöhe nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben werden. Jedes Elternteil solle „nach seinen Kräften“, so die sehr flexible Formulierung, für den angemessenen Unterhalt sorgen. Eine hälftige Aufteilung entspräche nach Meinung des Bundesrates nicht der gelebten Praxis.
Ähnliches gilt für die Unterhaltszahlungen der Väter an die ledigen Mütter. Sie werden ebenfalls nicht auf Gesetzesebene festgelegt. Hier soll jeder Fall einzeln vor Gericht beschlossen werden, und zwar sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Dauer der Zahlungen. Der Nationalrat sprach sich in diesem Zusammenhang gegen einen Mindestunterhalt in Höhe der maximalen einfachen AHV-Waisenrente aus, den die SP und die Grünen beantragt hatten.
Dennoch gibt es offensichtlich interne Richtlinien. David Rüetschi vom Bundesamt für Justiz beziffert den massgeblichen Rahmen mit dem „Existenzminimum“. Damit sind Ledige zwar in keinster Weise mit geschiedenen Frauen gleichgestellt, haben aber immerhin Anspruch auf Tausende von Franken im Jahr, während ihnen bisher absolut nichts zustand. Auch die Frage der Dauer wird interessant. Im Fall geschiedener Paare können Mütter erst zur Teilzeitarbeit angehalten werden, wenn das jüngste Kind das zehnte Lebensjahr erreicht hat; eine Vollzeitarbeit ist erst bei einem 16-jährigen Kind zumutbar. Ob und wie oft die Gerichte dieses Modell als Richtschnur heranziehen, wird sich zeigen.
Überhaupt liegt nun viel in den Händen der Gerichte. Allerdings hat auch hier der Gesetzgeber einige Vorgaben gemacht. Entscheidet ein Richter über die Höhe des Unterhaltsbeitrages für das Elternteil, muss gleichzeitig auch der zur Deckung des Kindesunterhalts notwendige Betrag angegeben werden. Damit soll es auch einfacher gemacht werden, den Betrag abzuändern, sollten sich die Leistungsfähigkeit beziehungsweise die Vermögensverhältnisse der Elternteile erheblich verändern.
Hier sieht das Gesetz auch eine Neuerung für geschiedene Paare vor. In Zukunft wird der Betreuungsausgleich beim Kindesunterhalt aufgerechnet werden. Das bedeutet in der Praxis, dass der Vater zukünftig mehr Kindesunterhalt und weniger Unterhalt für die Frau zahlen muss, als wenn diese den Betreuungsaufwand direkt erhielte. Die Summe soll laut Bundesrat zwar zunächst im Ergebnis identisch bleiben. Heiratet die Mutter aber neu, bedeutet diese Neuregelung mehr Geld. Denn dann muss der Mann ihr zwar keinen Unterhalt mehr zahlen, der Kindesunterhalt aber bleibt gleich und die Gesamtsumme somit höher als noch im Moment.
Bleibt die Mutter aber ledig, bekommt sie nach dem Wegfall des Kindesunterhalts für sich selbst weniger. Viele Kritikerinnen sehen dies als eine grundsätzliche Schlechterstellung jener Frauen, die bewusst und als gemeinsame Entscheidung nur Mutter waren und den Haushalt geführt haben.
Bei all diesen Massnahmen hat der Kindesunterhalt Vorrang vor anderen familienrechtlichen Unterhaltspflichten. Ebenfalls soll der empfangende Elternteil hinsichtlich der tatsächlichen Zahlungen abgesichert werden. Mit einer Verordnung zu einer einheitlichen Inkassohilfe wird sichergestellt, dass das Kind seinen Unterhalt auch wirklich erhält.
Nun müssen all diese Änderungen noch vom Ständerat genehmigt werden. Dann tritt auch der zweite Teil der Gesetzesrevision zum Unterhalt in Kraft, dessen erster Teil bereits ab Juli 2014 Gültigkeit haben wird. Dieser dreht sich um die gemeinsame elterliche Sorge unabhängig vom Zivilstand der Eltern. Dabei geht es in der Praxis meist um das Sorgerecht des Vaters, der nun noch häufig zahlt, ohne dieses gleichzeitig für sich beanspruchen zu können.
In Zukunft wird er sich automatisch das Sorgerecht mit der Mutter teilen. Damit können viele Väter nicht nur endlich in dem Umfang am Leben ihres Kindes teilhaben, in dem sie sich dies seit Langem wünschen. Es lassen sich vielleicht auch viele der „Entzugs“-Symptome verhindern, die Väter zeigen, die von ihren Kindern fergehalten werden – und die bis zu extremem Stress und Burn-out führen können.
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