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Bezahlter Vaterschaftsurlaub – ein Zwischenstand

27.08.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column][vc_column_text]In der Schweiz dürfen Mütter seit 2005 nach der Geburt vierzehn Wochen lang zu Hause beim Nachwuchs bleiben. Im Gegensatz zu den meisten europäischen Nachbarländern kennt die Schweiz jedoch bislang keinen gesetzlich vorgeschriebenen Vaterschaftsurlaub. Üblich ist tatsächlich immer noch ein Tag „Kulanzauszeit“, um den Familienzuwachs zu begrüssen, bevor der Arbeitsalltag wieder ganz normal weitergeht.

Allerdings bieten eine ganze Reihe von Unternehmen Mitarbeitern einen längeren Urlaub bei vollem Gehalt. Auffällig ist dabei, dass Unternehmen mit insgesamt ausgeprägterem sozialen Engagement, christlichem Hintergrund oder einer generellen Ausrichtung auf eine gesunde Work-Life-Balance auch grosszügiger hinsichtlich der Länge der Abwesenheit sind. Novartis, SBB und Raiffeisen gestatten beispielsweise eine Woche, während die Alternative Bank Olten oder die Katholische Kirche im Kanton Zürich einen ganzen Monat bezahlte Auszeit anbieten. Auch alle Väter, die direkt beim Bund arbeiten, haben nun immerhin seit Sommer 2013 Anspruch auf einen zweiwöchigen Elternurlaub.

Entwicklungspsychologisch ist längst erwiesen, dass die gemeinsam verbrachte Zeit unmittelbar nach der Geburt die Bindung zwischen Vater und Kind deutlich stabilisiert. Der Mann lernt sprichwörtlich, mit seinem Nachwuchs umzugehen – also zusammen mit der Mutter alle Handgriffe das erste Mal einzuüben. Das Kind nimmt so beide Elternteile als gleich präsent wahr und wird sich danach auch allein vom Vater wesentlich leichter versorgen lassen, als wenn dieser in den ersten Tagen und Wochen keine aktive, pflegende Rolle spielt. Die Eltern begreifen sich als Partner einer neuen Erfahrungswelt, statt dass der Vater zu einem relativ passiven Zuschauer des abendlich schlafenden Kindes wird.

Auch für die Mutter bedeutet die Anwesenheit ihres Partners nicht nur eine ungeheure praktische Erleichterung. Es kann für sie zudem beruhigend wirken und die Wahrscheinlichkeit einer postnatalen Depression deutlich mindern. Auch das sogenannte Wochenbett, das für die Erholung der Mutter massgeblich sein kann, wird durch den anwesenden Partner oftmals überhaupt erst eine reelle Möglichkeit – ob nun im gemeinsamen Familienzimmer im Spital oder zu Hause.

Vorstösse zu einer Gesetzesänderung gab es genügend, Absagen ebenso. Was wenige wissen: In den letzten zehn Jahren lehnte das Parlament über zwanzig Versuche ab, den Vaterschaftsurlaub gesetzlich zu verankern. Als Grund wurden immer die zu hohen Kosten angeführt. So hatte etwa die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) den Vorschlag einer generalisierten Elternzeit von 24 Wochen gemacht. Jedes Elternteil sollte davon garantiert vier Wochen beziehen können, die Restzeit könnte nach eigenem Ermessen zwischen den Partnern aufgeteilt werden. Dieses Modell wurde mit etwa 1,2 Milliarden Franken an Zusatzkosten beziffert – einer Summe, an der eine weitere Erwägung scheiterte. Oder, um es mit den Worten der SVP zu formulieren: Einen derartigen „einzigen Luxus“ könne der Staat nicht tragen.

Daneben liegen dem Bundesrat noch andere Modellvorschläge vor. Die Grünen haben einen bezahlten Urlaub nur für Väter ins Gespräch gebracht, der aus der Erwerbsersatzordnung finanziert werden könnte, die CVP schlägt ein Anrecht auf vier Wochen vor, die allerdings unbezahlt bleiben sollen. Die Standesinitiative des Kantons Genf nimmt einen anderen Weg und will es explizit den Kantonen selbst überlassen, ob und wie der Vaterschaftsurlaub eingeführt wird. Interessanterweise argumentieren alle Vorschlagenden nicht nur mit der Bindungsentwicklung als Ziel, sondern auch mit der Fairness gegenüber den Karrierechancen der Mutter durch den so vereinfachten Wiedereinstieg an ihren Arbeitsplatz.

Nun hat sich der Gewerkschaftsdachverband Travail.Suisse für ein weiteres Konzept ausgesprochen, das direkt mit einem Finanzierungsvorschlag daherkommt. Er sieht vor, dass jeder Schweizer Vater direkt nach der Kindesgeburt Anspruch auf bis zu 20 bezahlte Freitage hat. Einschliesslich der Wochenenden würde dies einem Monat Vaterschaftsurlaub gleichkommen, während dem die Väter Anspruch auf 80% ihres Lohns haben sollen. Er soll am Stück oder in Teilen bezogen werden können. Genau wie der Mutterschaftsurlaub könnte die neue Regelung über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert werden. Die Kosten werden vom Bundesrat selbst auf jährlich 384 Millionen Franken geschätzt. Dafür, so Travail.Suisse, müssen die derzeitigen Beitragssätze für das Sozialwerk EO höchstens minimal erhöht werden. Derzeitig betragen die summierten Einzahlungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer 0,5 % eines Lohnes.

Der Bundesrat reagiert nach wie vor verhalten. Im Herbst 2013 hatte er sogar explizit gesagt, ein Vaterschaftsurlaub oder Elternurlaub hätte zurzeit keine Priorität. Allerdings lässt er soeben prüfen, ob Mütter und Väter zukünftig das Recht haben sollen, nach der Geburt beiderseitig ihr Arbeitspensum um bis zu 20 % reduzieren zu können, ohne das Etikett „Teilzeit“ aufgeklebt zu bekommen.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]

Fast ganz Europa kennt mittlerweile Vaterschaftsurlaube – nur die Schweiz noch nicht. Wie ist der Stand der Dinge?

Fast ganz Europa kennt mittlerweile Vaterschaftsurlaube – nur die Schweiz noch nicht. Wie ist der Stand der Dinge?

[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Noch müssen Jungväter in vielen Unternehmen ihren Vaterschaftsurlaub also oft selbst aushandeln. Viele unternehmen diesen Versuch allerdings erst gar nicht, selbst wenn es finanziell möglich wäre – aus nicht unbegründeter Angst vor möglichen Konsequenzen. Hier muss vor allem die soziale Abwertung des fürsorglichen Vaters abgebaut werden. Denn schliesslich ist längst erwiesen, dass Mitarbeiter mit ausgewogener Work-Life-Balance insgesamt viel produktiver sind.

 

Oberstes Bild: © Guas – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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