Schweizer Radarfallen: Keine unbekannte Grösse mehr
von Caroline Brunner
Dabei stellt sich Interessantes heraus. So ist etwa das Verhältnis von Blitzer zu Einwohner von Einsatzort zu Einsatzort extrem verschieden. Während beispielsweise in Schaffhausen die höchste Dichte an Radarfallen zu vermessen ist, nämlich ein Gerät auf 4400 Bewohner, scheint es im Jura wesentlich entspannter zuzugehen. Dort kommt auf 36’000 Einwohner gegenwärtig nur ein einziger Apparat. Insgesamt sind in der Schweiz momentan 900 Radarfallen im Einsatz. Dabei kommen verschiedenste Technologien zum Einsatz; fest stehende Blitzkästen ebenso wie Nachfahr-Messgeräte und Laserpistolen.
Ginge es nach dem Gros der Polizeichefs, wäre die Anzahl der operierenden Radarfallen nicht veröffentlicht worden. Möglich wurde das Aufdecken dieser bisherigen Verschlusssache unter Bezugnahme auf das Öffentlichkeitsgesetz. Die Sonntagszeitung hat dieses juristische Schlupfloch genutzt, um Schluss zu machen mit der legislativen Geheimhaltung. So konnte das Blatt in die nationale Datenbank des Bundes Einblick erhalten, die ein komplettes Inventar von Blitz & Co. für alle Kantone und Gemeinden führt. Dabei stellte sich heraus, dass die Schweizer Polizei in den letzten Jahren deutlich mehr Kästen zum Einsatz gebracht hat als zuvor – gravierend mehr etwa auch als beispielsweise das Nachbarland Frankreich.
So wurde mancherorts, wie etwa in Lausanne, die Zahl der Apparate in kurzer Zeit fast verdoppelt, nämlich von 18 auf 32 Geräte. Auch Gemeinden wie St. Allen, Freiburg, Schaffhausen und Neuenburg rüsten offensichtlich auf. Dabei geht es nicht immer um fest installierte Radarsysteme. Häufig reagiert die Polizei mit der Aufstellung mobiler Apparate, wenn akute Klagen kommen. Verkehrserziehung funktioniert anscheinend immer noch am besten über den Geldbeutel.
Wenn beispielsweise Martin Tanner, der Chef der Verkehrspolizei von Schaffhausen, eine Anwohnermeldung über eine neue Raser-Strecke erhält, lässt er nach maximal fünf Tagen eine mobile Radarkontrolle aufstellen. Diese bleibt dann mindestens vor Ort, bis ihre Existenz sich herumgesprochen hat und sie so nachweislich präventive Wirkung durch vorsichtigeres Fahrverhalten zeigt.
Deshalb wird auch die mobile Ausrüstung laufend modernisiert. So hat die Kantonspolizei (Kapo) Zürich in ihren Autos alle 65 vorhandenen Messgeräte ausgetauscht sowie fünf neue hinzugeordert – eine Investition in einem Gesamtwert von etwa zwei Millionen Franken. Bern hat 19 Geräte bestellt. In Zürich soll die Verkehrsüberwachung per Radar in Zukunft ausserdem noch flächendeckender werden. Deutlich wird dies an den ebenfalls einsehbaren laufenden Ausschreibungen für Neuanschaffungen. Die Züricher Kapo will demzufolge 16 weitere Geräte zukaufen, von denen allerdings erst ein Teil auf politischer Ebene bewilligt wurde.
Zwar sind die Anschaffungskosten nicht gering, aber erfahrungsgemäss so gut wie immer zu vertreten. Moderne Apparate können leicht mal 130’000 Franken kosten. Bezahlt wird jedoch vorzugsweise per Leasing. Denn tatsächlich können die jährlichen Kosten über die Bussgelder leicht wieder amortisiert werden. Dies gilt zumal, da die Betriebskosten und der Arbeitsaufwand im Verhältnis zum Ertrag günstig ausfallen. Die meisten der Apparate, zumal die mobilen, sind schnell auf- und wieder abgebaut, die Aufnahmen werden automatisiert auf Speichermedien festgehalten, die dann im Büro lediglich ausgewertet werden müssen.
Dabei werden bei Weitem nicht alle Apparate von den Kantonspolizeien aufgestellt: Etwa 40 % gehören nämlich über 100 Gemeinden direkt. Dies führt nicht selten zu Streitereien zwischen Kapo und Kommunen. So zog etwa die Gemeinde Aesch vor Gericht, weil der Kanton ihr nicht erlauben wollte, eigene Radarfallen aufzustellen – und bekam Recht. Das rief prompt Nachfolgetäter auf den Plan. So hat die benachbarte Gemeinde Therwil nun auch eine gemeindeeigene Überwachung. Im Kanton Bern gelten ähnliche Regeln: Die Gemeinden Burgdorf, Köniz, Biel und Ostermundigen setzen eigene Geräte ein.
Doch einfach so dürfen diese das nicht – die Kantone haben nicht nur bei den Geräten, sondern auch den Aufstellungskonzepten ein Wörtchen mitzureden. Doch genau hier können sich die Interessen kreuzen. Denn im Ort geht es hauptsächlich um Gefahrenprävention. Dort werden Radarfallen zur Verkehrsberuhigung an besonders sensiblen Stellen eingesetzt. Die zu erwartenden Einnahmen durch Querschiesser sind nur ein Nebeneffekt und dienen hauptsächlich zur Nivellierung der Gerätekosten. Die gewährten Apparate werden also nicht strategisch mit Blick auf die höchstmöglichen Einnahmen aufgestellt.
Gleichzeitig wird auf Kantonsebene aber pro angeschafftem Gerät mit einer gewissen Einnahmesumme gerechnet. Diese bereits vorab fest eingeplanten Bussgeld-Summen können beträchtliche Ausmasse annehmen, nämlich bis zu 18 % des kantonalen Gesamtbudgets, wie es etwa im Kanton Neuenburg der Fall ist.
Damit diese Einnahmen nicht durch die lokale Politik der Gemeinden rückläufig werden, plant eben dieser Kanton nun eine Zentralisierung der Radarkontrollen, um die Bussgelder direkt einkassieren zu können. So stehen sich im Einzelfall nicht nur Gemeinden und Kantone, sondern auch Sicherheit und Finanzinteressen diametral gegenüber. Das ist kein Wunder, schliesslich geht es um viel Geld. Die eidgenössische Finanzstatistik aus dem Jahr 2012 weist für die Kantonshauptorte und grösseren Gemeinden gemeinsam 117 Millionen Franken Bussgeldeinnahmen aus und für die Kantone zusammen 321,4 Millionen.
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