Wird mit Odoleszenz und Garantieverlängerung zweimal betrogen?

Wie freut man sich, wenn man sich ein neues Gerät zulegen kann. Hat nicht der neue Fernseher ein viel besseres Bild? Bietet die neue Hi-Fi-Anlage nicht gleich ein ganz anderes Klangerlebnis? In der Küche, bei der Hausarbeit oder beim Wäschemachen versprechen neue Haushaltgeräte enorme Arbeitserleichterungen usw. Die Auswahl an Haushaltsgeräten ist enorm und die Preise für solche Geräte sind sehr erschwinglich. Die Elektronikbranche scheint ein echtes Paradies für die Konsumenten geworden zu sein.

Aber ist dem auch wirklich so? Einen Haken gibt es auf jeden Fall bei der Anschaffung neuer Geräte. Immer stärker fällt auch, dass neu gekaufte Geräte nur eine niedrige Lebensdauer haben, was sehr verwunderlich ist. Hat man sich in den 1980er-Jahren Hi-Fi-Bausteine zugelegt, so konnte man eigentlich davon ausgehen, dass man diese lange in sehr guter Qualität nutzen konnte. Viele solcher Bausteine sind heute nach 20-30 Jahren noch immer im Einsatz. Eine solche Qualität findet man faktisch heute nicht mehr, obwohl es technisch durchaus möglich wäre, sehr haltbare Komponenten mit einer langen Lebensdauer zu bauen.

Wer kennt das nicht: Man hat noch ein Stereo-Teil aus den 1990er-Jahren, das einwandfrei funktioniert. Neuere Teile, mit denen man die Anlage ergänzen wollte, haben schon mehrfach ihren Geist aufgegeben. Dieses Verhalten zeigen auch Markengeräte neuerer Bauart.

Ärgerlich, dass dies oftmals unmittelbar nach Ablauf der Garantie passiert, an Zufälle kann man da kaum noch glauben. Enttäuschte Kunden werden darüber hinaus feststellen, dass diese technischen Defekte nur selten zu reparieren sind. Eine solche „geplante Odoleszenz„, wie man einen beabsichtigten und vorfristigen Verschleiss nennt, streiten die Hersteller ab. Dass aber oftmals darauf verwiesen wird, dass Ersatzteile nicht mehr lieferbar seien und Reparaturen daher nicht ausführbar wären, ist dennoch den Herstellern zuzuschreiben und eine der Ursachen für die schnelle Notwendigkeit, Geräte zu ersetzen. Angesichts einer solchen Strategie relativiert sich der zunächst so günstige Kaufpreis.

Auch gesamtwirtschaftlich hat dies Folgen. Viele der seltenen Rohstoffe, die in den Geräten verbaut sind, werden durch den schnellen Verschleiss immer knapper. Auch wenn durch das Recycling von kaputten Geräten Rohstoffe zurückgewonnen werden, gilt dies nicht für alle Rohstoffe. Zunächst müssten dabei die Geräte in alle Einzelteile zerlegt und die Rohstoffe getrennt gesammelt und in den Kreislauf zurückgeführt werden. Dies ist in der Praxis oftmals schon nicht der Fall. Oftmals werden Geräte im Ganzen geschreddert und erst im Anschluss sortiert. Dass dabei Rohstoffe nicht wiederverwertet werden können, liegt auf der Hand, auch wenn die Sortiersysteme heutzutage sehr weit entwickelt sind. Zudem hat das Recycling noch keine allzu grossen Ausmasse erreicht. Damit kommt es zur Verschwendung von kostbaren Rohstoffen.

In der Schweiz wurden im Jahr 2013 mehr als 62.000 Tonnen Elektroschrott in das Recyclingsystem gegeben. Hinzu kommen die Unmengen an Geräten, die nicht sachgemäss entsorgt werden. Diese Mengen werden auch dadurch verursacht, dass Elektrogeräte nur so eine kurze Lebensdauer aufweisen.


Zu Hilfe kommen heute den Selbermachern die neuen Medien. Das Internet ist voll mit Tutorials, welche mit
Zu Hilfe kommen heute den Selbermachern die neuen Medien. Das Internet ist voll mit Tutorials, welche mit „How to repair“ beginnen. (Bild: Maksim Kabakou / Shutterstock.com)


Glücklicherweise ist zwischenzeitlich auch eine Gegenbewegung entstanden. Fachleute wollen es nicht wahrhaben, dass recht neue Geräte nicht zu reparieren sein sollen, und legen selbst Hand an. Immer mehr enttäuschte Kunden schrauben selbst an defekten Geräten herum. Entsprechende Klubs und Vereine, in denen Wissen und Anleitungen zur Reparatur ausgetauscht werden, haben sich gegründet. Auch das Internet ist eine gute Quelle für Do-it-yourself-Tipps, Tutorials und ähnlichem. So kann selbst der Neuling immer wieder gute Erfolge bei der Reparatur erzielen.

Der Handel begegnet der wachsenden Kritik auf eigene Weise. Es werden Garantieverlängerungen verkauft, die ein einträgliches Zusatzgeschäft darstellen. Dabei wird für zusätzliche Kosten, die bis zu 20 Prozent des Neupreises des Gerätes erreichen, die Garantie für das entsprechende Gerät verlängert. Jedoch sollte man stets auch das Kleingedruckte des Vertrages lesen. Oftmals wird im Garantiefall nämlich nicht der Neupreis, sondern nur der Restwert des Gerätes ersetzt. Ob dieser reduzierte Wert überhaupt noch die gezahlte Garantieverlängerung übersteigt, sollte man in jedem Fall bedenken.

Natürlich können die Geräte nicht immer anfälliger gemacht werden. Irgendwann wird der Kunde nicht mehr mitspielen und der Absatzmarkt einbrechen. 3D-Drucker, mit denen man auch sehr komplizierte Bauteile einfach nachmachen kann, werden das Problem der nicht zu beschaffenden Ersatzteile vielleicht in naher Zukunft lösen können.

Auch die Sicht der Hersteller ist nachzuvollziehen. Die gute Qualität und lange Lebensdauer von Elektrogeräten, wie wir sie einmal gekannt haben, führt dazu, dass der Markt für ein Produkt bald gesättigt ist. Vielleicht wäre es ein Ausweg, wenn man über die langfristige Vermietung von Geräten zusammen mit einem umfangreichen Serviceangebot nachdenken würde. Dabei müssten die Kunden die Geräte nicht mehr zu einem bestimmten Preis kaufen, sondern könnten sie für eine gewisse Zeit mieten. Den Herstellern würde dies einen permanenten Absatzstrom bescheren und die Kunden würden regelmässig mit dem neuesten Standard ausgestattet. Hinzu käme der Effekt, dass die Hersteller das Recycling ihrer eigenen Geräte selbst vornehmen und die benötigten Rohstoffe zurückgewinnen könnten. Wäre es nicht begrüssenswert, wenn hier ein Umdenken passieren würde?

 

Oberstes Bild: © newart-graphics – Shutterstock.com

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