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Die „Schlacht der Giganten“1515 in Marignano – unser Ausstellungstipp

21.05.2015 |  Von  |  News

Die kampfkräftigen Schweizer Eidgenossen erlitten im Jahr 1515 bei Marignano eine Niederlage gegen die Franzosen, sodass ein jähes Ende der Expansionsbestrebungen um das Herzogtum Mailand folgte.

Nun jährt sich die denkwürdige Schlacht von Marignano am 13. und 14. September dieses Jahres zum 500. Male.

Es handelt sich um die wohl blutigste Niederlage in der Geschichte der Schweiz, denn mehr als 10’000 – andere Quellen behaupten sogar: bis zu 20’000 – Eidgenossen fielen ihr zum Opfer. Am Ende der Schlacht beerdigten die Schweizer jedoch nicht nur zahlreiche Eidgenossen, sondern zweifelsohne auch ihre Grossmachtambitionen ein für alle Mal.

Die Frage, wofür die verlorene Schlacht von Marignano tatsächlich steht, beschäftigt noch heute die Gemüter. Während die einen sie allein als eine Etappe auf dem Weg zum Wiener Kongress im Jahr 1815 bezeichnen, sehen die anderen in ihr den Anfang der Schweizer Neutralitätspolitik. Wie dem auch sei, heute ist der Pulverdampf verraucht und Lanzen sowie andere Beutestücke im Museum, genauer: im Landesmuseum Zürich, zu bestaunen.

Die Ausstellung „1515 Marignano“ hat das Ziel, die Ereignisse, die damals vor den Toren Mailands stattfanden, historisch einzubetten. Hierfür wird der Blick auf die enorme Bedeutung des sowohl kulturell als auch wirtschaftlich blühenden Mailands gelenkt, das so zum Zankapfel europäischer Mächte wurde. Zudem werden die Schlacht von Marignano als militärisches Grossereignis sowie dessen Folgen und der Friedensschluss mit Frankreich im Jahr 1516 thematisiert.

Gezeigt werden etwa 250 Exponate, die teils aus dem Inland und teils aus dem Ausland stammen: Neben Renaissanceporträts von Feldherren und Herzögen können Interessierte auch zahlreiche Beutestücke aus dem Burgund, die den Aufstieg der Schweizer zu einer Militärmacht offenbaren, bestaunen. Darüber hinaus zeugen Zeichnungen von Künstlern, die selbst an den Mailänderkriegen teilnahmen, von der enormen Grausamkeit und der beachtlichen Gewalt, die damals auf den Schlachtfeldern herrschten.


"Rückzug von Marignano" (Bild: © Ferdinand Hodler - wiki.org)

„Rückzug von Marignano“ (Bild: © Ferdinand Hodler – wiki.org)


Zudem steht in der Ausstellung auch die junge Schweiz im Fokus, beispielsweise das ausgehende 19. Jahrhundert, in dem die Erinnerung an die „Schlacht der Giganten“ immer wichtiger wurde. Deshalb kann der detaillierte Entwurf des grossformatigen Wandgemäldes „Rückzug von Marignano“ von Ferdinand Hodler ebenfalls in der Ausstellung bewundert werden.

Zankapfel Mailand 

Im 16. Jahrhundert war es nicht die Neutralität der Schweizer, die zum Zankapfel wurde, sondern das Herzogtum Mailand, denn es war – salopp formuliert – das Silicon Valley der damaligen Zeit. Die Entwicklung moderner Waffen erfolgte in Mailand ebenso wie die Produktion kostbarer Seidenstücke. Darüber hinaus war das Herzogtum ein Zentrum für Künstler und Wissenschaftler der Renaissance wie beispielsweise Leonardo da Vinci. Von all diesen Errungenschaften wollten die europäischen Grossmächte profitieren, indem sie ihre mehr oder weniger bestehenden Ansprüche auf Mailand durchzusetzen suchten.

De facto schien dieses Unternehmen durchaus greifbar, denn Mailand wurde zur damaligen Zeit von den Sforzas beherrscht, einem Geschlecht ohne adelige Herkunft und deshalb mit einem schwachen Stand. Ebendiese Schwäche leistete dem jahrelangen Poker um das Herzogtum Vorschub. Auch die Eidgenossen, die seit den Burgunderkriegen (1474–1477) zu einer ansehnlichen Grösse im europäischen Gerangel um die Macht geworden waren, machten sich Hoffnung auf Mailand. Thematisiert wird dies auch in der Ausstellung 1515, denn dort ist ein koloriertes Flugblatt zu sehen, das einen Eidgenossen mit den europäischen Grossmächten am Tisch sitzend zeigt. Natürlich hält der Schweizer deutlich sichtbar – so zumindest die Illustration – die besten Karten in der Hand.

Zeuge Machiavelli: Die Eidgenossen waren brutal und beutegierig

Diese Macht der Eidgenossen wird mit ihrer Kampfkraft begründet. Exakter formuliert – mit ihrer Beutegier, ihrer Zerstörungswut und ihrer Brutalität. All dies lebten sie entweder als Söldner im Dienste fremder Mächte oder aber auf eigene Rechnung aus. Dies ist vor allem für diejenigen wissenswert, die sich im Landesmuseum Zürich einer putzigen Puppe gegenübersehen, die im filzigen Tenü daherkommt, denn genau das war die Uniform der Söldner zur damaligen Zeit. Allerdings sollten sich Interessierte von diesen ärmlich anmutenden Kleidern nicht in die Irre führen lassen, denn zweifelsohne war das Söldnertum für den einen oder anderen Eidgenossen ein ausgezeichnetes Geschäft.

Die Eidgenossen beteiligten sich am Poker um Mailand mit voller Manneskraft, so dass selbst Machiavelli sie kommentierte und die Krieger mit den Worten „bestialisch, siegreich und übermütig“ beschreibt. Durch das Söldnertum reich geworden, avancierten sie zu einer eigenständigen Kriegsmacht und etablierten ihr Herrschaftsgebiet südlich der Alpen. Als die Eidgenossen im Jahr 1512 aufgrund einer Allianz mit Papst und Kaiser die Franzosen aus dem Herzogtum Mailand vertrieben hatten, erhielten sie das Herzogtum als Protektorat und schickten Landvögte in das heute als Tessin bekannte Gebiet. Ebendieser rasante Aufstieg wird in der Ausstellung dokumentiert und mithilfe zahlreicher Schautafeln, Videos und durch ausgezeichnete Exponate illustriert. So ist es nicht verwunderlich, dass das Selbstbewusstsein des Corpus helveticum damals einen kräftigen Schub erhielt, der bis in die Gegenwart nachzuwirken scheint.

Weitere Schwerpunkte

Neben den bereits erläuterten Inhalten der Ausstellung wird auch auf die recht fragile Organisationsstruktur der Eidgenossenschaft fokussiert und Auskunft darüber gegeben, wie sich das Söldnertum finanziert hat, auf welche Art und Weise die Truppen bewaffnet, ihre Pensionen sowie ihre Ausrüstung bezahlt und Verträge geschlossen wurden. Illustriert werden zudem die Kriegsschauplätze in der Lombardei, welche die Truppen erst nach mehrere Wochen dauernden Fussmärschen, auf denen Sie Alpenpässe überqueren mussten, erreichten. Auch wird gezeigt, wie sich die rohen Gesellen ihre Zeit in den Feldlagern entweder mit ausufernden Trinkgelagen oder Würfel- und Kartenspielen vertrieben. In dieser Zeit – so zumindest die Überlieferung – wurde der Bauer in den Jasskarten erstmals zum „Trumpf“ erhoben.


Franz I. während der Schlacht (Bild: © Alexandre-Évariste Fragonard)

Franz I. während der Schlacht (Bild: © Alexandre-Évariste Fragonard)


Die Grossmachtträume schwanden mit der Niederlage

Bereits drei Jahre nachdem die Eidgenossen in Mailand einen sensationellen Erfolg hatten feiern können, schwanden mit der Niederlage gegen die Artillerie der Franzosen und Venezianer in der Schlacht von Marignano auch die Grossmachtträume der Schweizer. So endete die „Schlacht der Giganten“ für die Eidgenossen zwar mit einem militärischen Verlust, aber auch einem grossen Gewinn, nämlich dem „Ewigen Frieden“ von 1516, der ihnen später das bedeutende Soldbündnis von 1521 ermöglichte.

Auf die Frage, wie es sich nun um den Ursprung der Schweizer Neutralität verhält, gibt die Ausstellung jedoch keine Antwort. So thematisiert die von Erika Hebeisen kuratierte Exposition zwar alle Etappen der schweizerischen Neutralitätsgeschichte seit dem Jahr 1515, allerdings wird keine Gewichtung der Ereignisse vorgenommen. Doch gerade dieser Fakt ist es, der die Ausstellung so überzeugend macht, denn sie positioniert sich fernab offen ausgetragener Dauerfehden um die Deutungshoheit über die Schweizer Geschichte. Vielmehr setzt sie auf mündige und interessierte Besucher, die sich selbst auf eine Zeitreise begeben und nicht eine abschliessende Wahrheit vorgesetzt bekommen möchten.



Interessierte können sich von Dienstag bis Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr auf Spurensuche begeben und nach den Ursprüngen der Schweizer Neutralität forschen. Besucht werden kann die Ausstellung „1515 Marignano“ noch bis zum 28. Juni 2015. Natürlich kann die Ausstellung auch an Feiertagen besichtigt werden. Weiterführende Informationen sind auf der Internetpräsenz des Landesmuseums Zürich zu finden.

 

Oberstes Bild: © wiki.org