Industrieschnee in der Schweiz: Wie Fabriken bei Hochdruckwetter Schnee erzeugen
Hochdruckeinfluss bedeutet im Winter im Flachland meistens Nebel- oder Hochnebellagen. Wie kann es aber nun sein, dass am gestrigen Morgen auf dem Weg zur Arbeit Schnee gefallen ist? Haben sich die MeteorologInnen geirrt?
Die kurze Antwort ist Nein, denn auch mit Hochdruckeinfluss kann es Schnee geben, und zwar sogenannten Industrieschnee.
Damit Industrieschnee entsteht benötigt es einige Voraussetzungen die erfüllt werden müssen. Einerseits sind dies meteorlogische Bedingungen und anderseits braucht es einen anthropogenen Einfluss (also menschengemachter Einfluss). Aber alles der Reihe nach.
1. Bedingung: Wetterlage
Industrieschnee ist in den Wintermonaten zu beobachten, während einer stabilen Hochdruckwetterlage. Innerhalb eines Hochdruckgebietes sinkt die Luft grossräumig nach unten, was in der Meteorologie als Subsidenz bekannt ist. Ein absinkendes Luftpaket erwärmt sich und die relative Luftfeuchtigkeit nimmt ab (warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte Luft).
Die absinkende Luftmasse führt in aller Regel dazu, dass eine weniger warme Luftmasse in den bodennahen Schichten (der sogenannten Grenzschicht) von einer wärmen Luftmasse in der Höhe getrennt wird. Diese Trennschicht, in welcher die Temperatur mit der Höhe zunimmt, wird als Inversion bezeichnet. Im Winterhalbjahr liegt unterhalb der Absinkinversion eine kalte und oft feuchte Grundschicht.
2. Bedingung: Inversion, Höhe und Temperatur
Der Hochdruckeinfluss führt nun im Winter zu einer Inversionslage, warme trockene Luft befindet sich in der Höhe und eine feuchtkalte Luft befindet sich in Bodennähe. Diese kennen wir im Flachland nur zu gut, als grauer Wolkendeckel (Hochnebel) oder als graue Wolkenwand (Nebel). Für den Industrieschnee ist nun aber genau diese Inversion entscheidend. Die Inversion sollte dabei nicht höher als 900 m ü. M. liegen und die Temperatur an der Untergrenze der Inversionsschicht muss bei mindestens -5 bis -12 Grad liegen.
3. Bedingung: Anthropogener Einfluss/Industrie
Für die Entstehung von Industrieschnee benötigt es einen anthropogenen Faktor. Dabei wichtig sind Anlagen, welche grosse Mengen an Wasserdampf ausstossen, wie zum Beispiel Kehrichtverbrennungsanlagen oder Papierfabriken. Doch nicht nur eine Menge Wasserdampf ist notwendig, sondern auch kleinste Staub- oder Russpartikel, welche als Kondensationskeime (Aerosole) wirken.
Aerosole sind wichtige Bestandteile in der Atmosphäre, denn sie sind massgeblich an der Wolken- und Niederschlagsbildung beteiligt.
In der Nähe von Industriebetrieben werden nun grosse Mengen an Wasserdampf ausgestossen. Der Dampf, welcher auch Staub- und Russpartikel (Aerosole) enthält, gelangt nun in die Hochnebel- oder Nebelschicht und wird aufgrund der darüberliegenden Inversion daran gehindert weiter aufzusteigen. Es führt so zu einem erhöhten Wasserdampfgehalt der Luftschicht. Die zusätzlich zugeführten Aerosole dienen als Kondensationskeime und die unterkühlten Nebeltröpfchen können sich daran anlagern und Eiskristalle bilden.
Genauer betrachtet besteht der Industrieschnee meist aus kurzen Nadeln und nicht wie beim natürlichen Schnee aus schönen sechseckigen Schneeflocken. Natürlicher Schnee entsteht viel weiter in der Höhe und hat so mehr Zeit anzuwachsen. Beim Industrieschnee fehlt aufgrund der kurzen Fallhöhe die Entwicklungszeit und darum fallen meist eher kleine und nadelförmige Schneekristalle zu Boden.
Bei Kernkraftwerken mit Kühltürmen tritt das Phänomen hingegen selten auf, da die ausgestossene Dampffahne in der Regel so warm ist, dass diese die Inversionsschicht durchstösst und in der trockenen Luft verdunstet. Zudem fehlt der Aerosolanteil im ausgestossenen Wasserdampf. Befinden wir uns oberhalb des Nebels oder Hochnebels kann dies bei den Kernkraftwerken Leibstadt und Gösgen schön beobachtet werden.
Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz / Schnee trotz Hochdruckwetter
Bildquellen: Bild 1: => Wikimedia Commons – Guido Radig, 26.12.17; sonstige Bilder: => siehe Bildlegenden