Schweizer Armee: Oberstlt Marco ist höchster Militärpolizist der KFOR
von Polizei.news Redaktion Blaulicht-Branchennews Polizeinews Regionen Schweiz Schweizer Armee
Oberstlt Marco ist als Force Provost Marshal der KFOR der höchste Vertreter der Militärpolizei innerhalb der Mission.
Im Interview erzählt er von seiner spannenden Funktion, den damit verbundenen Herausforderungen und seinem Netzwerk im Einsatzraum der KFOR und in der Schweiz.
Oberstlt Marco ist in seiner Funktion als Force Provost Marshal (FPM) direkt dem Kommandanten der KFOR unterstellt und berät ihn in Sicherheits- und Polizeibelangen. Zusammen mit seinem Stellvertreter führt Oberstlt Marco die multinationale Militärpolizeikompanie (MNMP Coy) der KFOR über die jeweiligen Kompaniekommandanten.
Er leitet Ermittlungen, die in die Zuständigkeit der MNMP fallen in Zusammenarbeit mit den betroffenen nationalen Militärpolizeikommandos und zieht, wenn nötig, externe Spezialisten hinzu. Im Force Provost Marshal Office werden sämtliche polizeilichen Fälle im Einsatzraum dokumentiert, überprüft, beurteilt und an die nationalen Verantwortungsträger, die Senior National Representatives (SNR), weitergeleitet.
Herr Oberstleutnant, welches sind die grössten Herausforderungen für Sie als Force Provost Marshal der KFOR?
Die verschiedenen Nationen haben in ihrem Heimatland verschiedene Rechtsgrundlagen und somit teilweise auch ein unterschiedliches Rechtsverständnis. Die einheitliche Durchsetzung der in der Mission geltenden Vorschriften erfordert daher viel Fingerspitzengefühl und eine konstruktive Kommunikation auf allen Stufen. Es ist daher unabdingbar, dass Angehörige der KFOR-Militärpolizei ihr nationales Militärpolizeisystem, ihre Ideologie und Ausbildungsstände erkennen, berücksichtigen und Differenzen gegebenenfalls ausgeglichen werden.
Bedingt durch die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und Gesetze der truppenstellenden Nationen kann der FPM nur Empfehlungen aussprechen, aber niemanden bestrafen. Die Disziplinargewalt verbleibt bei den nationalen Kommandostrukturen und je nachdem, wer involviert war und um was für ein Delikt es sich handelt, bei der nationalen Justiz oder beim Kommando der KFOR.
Gibt es Tätigkeitsbereiche des FPM, die oft übersehen werden?
Bei ausserordentlichen und schwerwiegenden Ereignissen, wie Unfällen mit Verletzten, Todesfällen oder Verbrechen, erfolgt die Intervention durch die MNMP. Diese leitet die nötigen Sofortmassnahmen (z. B. Spurenschutz) ein. Anschliessend folgt die Koordination und der Entscheid, ob die betroffenen Nationen eigene Ermittlungsspezialisten einsetzen, wie beispielsweise ein Sonderermittler oder ob sie sogar Untersuchungsrichter einfliegen wollen. Der FPM übergibt den Fall anschliessend der betroffenen Nation, die dann unter der Verfahrensleitung des FPM für die gesamte Abwicklung des Vorfalles verantwortlich ist.
Er vertritt dabei die Interessen der KFOR im Sinne eines Staatsanwalts. Die Koordination all dieser Schritte und involvierten Stellen ist sehr komplex und braucht Zeit. Dies wird oft unterschätzt. Vielfach wird bei Ereignissen übersehen, dass die Arbeit des FPM nicht nur auf die eigene Nation ausgelegt ist, sondern zugunsten aller beteiligten Nationen der KFOR geleistet wird. Alle Anliegen der 33 Nationen müssen gleichbehandelt und objektiv priorisiert werden.
Welches Netzwerk pflegen Sie in Bezug auf Ihre Funktion?
Durch das wöchentliche Rapportwesen stehe ich in engem Kontakt mit dem Stabschef der KFOR und weiteren Mitgliedern seines Stabs. Wichtig ist, das Netzwerk zu allen Anspruchsgruppen der truppenstellenden Nationen aufrecht zu erhalten. Dazu gehören nachrichtendienstliche Bereiche, operationelle Schlüsselpositionen oder juristische Berater. Ebenso pflege ich regelmässigen Kontakt zu den nationalen Kontingentskommandanten und den Nationsvertretenden. Es ist sehr wichtig, dass der FPM auch alle Einsatzkräfte an ihren Standorten besucht und „den Puls fühlt“.
Dieser Kontakt schafft die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit und sorgt dafür, dass ich immer ein Gespür für die praktische Realität im Auge behalten kann. Im letzten Jahr haben wir mit verschiedenen Spezialisten aus der Schweiz hier vor Ort eine nationale Übung durchgeführt, bei welcher der Ereignisfall mit Bezug zur Schweiz theoretisch durchgespielt und analysiert wurde. Vertreten war die Militärjustiz mit einem Untersuchungsrichter, die militärische Verkehrspolizei, die militärische Kriminalpolizei, das Forensische Institut Zürich und das Institut für Rechtsmedizin Bern. Wir konnten dadurch bei den nationalen Partnern das Verständnis für die Komplexität im internationalen Umfeld fördern und wichtige Erkenntnisse gewinnen. Es ist essenziell, dass das Verständnis für die Komplexität im Einsatzraum bei allen Beteiligten bereits vor dem Ernstfall vorhanden ist.
Was macht die Arbeit für die Angehörigen der MNMP-Kompanie herausfordernd?
Angehörige der MNMP sind nie nicht im Dienst. Sie müssen sich ihrer Vorbildfunktion immer bewusst sein. Im Einsatz sind die Angehörigen der MNMP immer wieder mit herausfordernden Situationen im Umgang mit anderen Nationen konfrontiert. Die meisten Vorschriften und Abläufe in der KFOR-Mission gelten für alle gleich. Wenn diese von den eigenen, nationalen Gepflogenheiten abweichen, fehlt dafür gelegentlich das Verständnis oder die Sensibilisierung bei einzelnen Angehörigen der KFOR. Daher müssen die Mitarbeitenden der MNMP viel Zeit und Geduld in die Kommunikation investieren.
Zudem entsteht durch das Zusammenleben im Camp sowie die gemeinsame nationale Kultur oft ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen den Angehörigen der MNMP einer Nation und den Angehörigen eines Kontingents derselben Nation. Diese an sich positive Kameradschaft kann bei der Auftragserfüllung zu Interessenskonflikten führen. Eine gewisse Distanz ist deshalb aus meiner Sicht notwendig, um das Konfliktpotenzial so gering wie möglich zu halten.
Eine weitere Herausforderung sind die unterschiedlichen Sprachniveaus der Angehörigen der KFOR, aber auch der Mitarbeitenden der MNMP. Bei der Polizeiarbeit steht oft die Kommunikation im Zentrum, sei es bei der Klärung der Umstände bei einem Ereignis oder bei der Belehrung bei Verstössen gegen Vorschriften. Diesbezüglich gilt es auch zu bedenken, dass die schriftlichen Dokumente wie Rapporte oder Befragungen, die von den Mitarbeitenden der MNMP ausgefüllt oder geführt werden müssen, oft erhebliche Konsequenzen für die Beteiligten haben können und vor Gericht verwertbar sein müssen. Gute Englischkenntnisse sind deshalb essenziell.
Quelle: SWISSINT/Fachof Romina Kratter, Presse- und Informationsoffizierin SWISSCOY
Bildquelle: © SWISSINT/Wm Katrin Locher, Stv Presse- und Informationsoffizierin SWISSCOY