„Es wurde jeweilen eine Verstärkung des Zollpersonals nötig“
Vor 150 Jahren wurde die französische Ostarmee in der Schweiz interniert. Die Zeit des Deutsch-Französischen Krieges, 1870/71, forderte nicht nur die Grenztruppen und das Rote Kreuz, sondern auch die Zollverwaltung.
In den 1860er-Jahren eiferten Frankreich und Preussen um die europäische Vorherrschaft. Im Streit um die spanische Thronfolge erklärte der französische Kaiser Napoleon III. am 19.Juli 1870 Preussen den Krieg.
Aufgaben der Zollverwaltung
Nach dem Einfall deutscher Truppen in Frankreich verhängte Preussen eine Exportsperre auf Lebensmittel, Steinkohle und Salz gegen die neutrale Schweiz. Durch die Enteignung von Bahnwagen, welche in den besetzten Gebieten mit Gütern von und nach der Schweiz unterwegs waren, brach der Aussenhandel ein. Im Bericht vom 28. Juni 1871 an die Bundesversammlung schrieb der Bundesrat: „Die wirtschaftlichen Zustände des Landes gerieten teilweise in Unordnung. Die Zollverwaltung war eifrig bemüht, […] diesen Verkehrsstörungen zu begegnen.“
Die Mithilfe der Zollverwaltung beim Vollzug der „Verordnung des Bundesrates betreffend die Handhabung der Neutralität der Schweiz vom 16. Juli 1870“ beschränkte sich anfangs auf das Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial. „Es verminderten sich die Versuche zum Waffen- und Munitionsschmuggel in Folge der scharfen Kontrolle und der vielen Sequestrationen von Waffen, die, […] meistens unter falscher Deklaration, im Verdacht standen, zur Ausfuhr bestimmt zu sein. […] Es hat sich aber fast durchgehend gezeigt, dass man es mit wirklichen Schmuggelversuchen zu tun hatte“, schrieb der Bundesrat und räumte ein, „dass […] dennoch nicht alle verbotene Ausfuhr verhindert werden konnte“. Pferde wurden den Rüstungsgütern gleichgestellt und der Ausfuhrstückzoll von 150 auf 600 Franken erhöht. Weil in Frankreich Tierseuchen wüteten, befahl der Bundesrat, bei der Einfuhr von Pferden und Rindern „alles Vieh an der Grenze anzuhalten und zu töten“.
Seit Kriegsbeginn brachten viele Flüchtlinge ihren Hausrat und Handelswaren, vorwiegend Baumwollfabrikate und Wein, in die Schweiz. „Alle diese Güter in einem Wertbetrag von 20 Millionen Franken wurden zollfrei und […] ohne die mindeste Gebühr oder Vergütung eingelassen. Die Zollverwaltung liess sich den Zoll für den Fall garantieren, wo die Güter nicht binnen 6 Monaten wieder aus der Schweiz ausgeführt werden sollten […]. Je nach Gang des Krieges drängte sich der Strom der Flüchtenden bald da, bald dort über die Grenze, und jeweilen wurde an betreffenden Orten eine Verstärkung des Zollpersonals nötig.“
Zwischenfälle
Bis zum Herbst 1870 verloren die Franzosen mehrere Schlachten. Napoleon III. kapitulierte und dankte ab.
Die Schweiz blieb vom Krieg verschont, nicht aber von Zwischenfällen an der Grenze: Im Januar 1871 etwa war ein Basler Bürger namens Gürtler mit einem Gewehr im besetzten Burgfelden auf Entenjagd. Weil die deutschen Soldaten glaubten, der Mann hätte auf sie geschossen, verfolgten sie ihn über die Grenze. Sie verhafteten ihn in Basel und warfen ihn in Burgfelden ins Gefängnis. Die Basler Regierung protestierte. Auf Anfrage des Bundesrates erklärte die deutsche Regierung, dass die ortsunkundigen Soldaten wegen des Schnees wohl die Landesgrenze übersehen hätten.
Das Verhältnis der Armee zum Zoll
Mit der Mobilmachung stand auch die Schweizer Armee an der Grenze. Doch das Verhältnis zu den Zöllnern war gespannt: Letztere galten als privilegiert, da sie bei Kälte und Schnee geheizte Häuser und zu essen hatten. Die Wehrmänner waren nur schlecht verpflegt und froren im Feld. So mussten Offiziere vermitteln, damit sich die Soldaten in den Zollbüros wärmen konnten.
Internierung
Ende Januar 1871 trieben deutsche Einheiten die französische Ostarmee, befehligt von General Charles Denis Bourbaki, zur Schweizer Grenze. Nach der Unterzeichnung der „Convention“ durch die Generäle Clinchant und Herzog begann am 1. Februar 1871 die Internierung: Während drei Tagen zogen Kolonnen von 87’000 erschöpften und kranken Soldaten mit 11’000 Pferden, Kanonen, Waffen und Wagen bei Les Verrières, Sainte Croix, Vallorbe und im Vallée de Joux über die Grenze. Der Zollbetrieb kam zum Erliegen.
Die Bourbakis brachten auch Vieh mit, dessen Einfuhr nicht verhindert werden konnte. Pferde und Rinder, die nach Ankunft nicht verendeten oder von hungrigen Soldaten geschlachtet wurden, kamen in grenznahe Ställe. Bauern nutzten die Gelegenheit zum Kauf von Pferden. Kurz darauf brachen Seuchen aus.
Viel Arbeit
Nach Friedensschluss und Bezahlung der Internierungskosten verliessen Ostarmee und Flüchtlinge die Schweiz. Zur Bewältigung der Wiederausfuhr aller Güter stockte der Zoll das Personal auf. Zudem wurde in Genf und Basel der Nachtdienst eingerichtet und betroffene Dienststellen durch Springer verstärkt.
Der Bundesrat schrieb anerkennend: „Das diesfällige Ergebnis beweist, dass das Personal der Zollverwaltung mit ausdauernder Tätigkeit sich dieser mit vielen Unannehmlichkeiten verbundenen Aufgabe unterzogen hat, wie denn in dieser Hinsicht überhaupt geleistet wurde, was angesichts der grossen Schwierigkeiten […] zu leisten möglich war.“
Titelbild: Die Internierung der französischen Ostarmee in Les Verrières am 1. Februar 1871 © Ausschnitt aus: Museum Bourbaki Panorama Luzern; „Bourbaki Panorama Luzern“, Edouard Castres, 1881, Detail, Öl auf Leinwand
Quelle: Roman Dörr, Zollexperte, Zoll Basel Süd