Können auch in der Schweiz Giftspinnen aus den Bananen krabbeln?

Sie verstecken sich in den Bananenkisten, sitzen auf und zwischen den Früchten und betreiben sogar Brutpflege: Brasilianische Wanderspinnen. Diese Spinnenart gehört zu den gefährlichsten und giftigsten Spinnen der Welt und ihr Gift kann einen Menschen binnen zwei Stunden töten. Immer öfter tauchen sie auch in Europa auf.

Die Gefahr scheint allgegenwärtig und lässt sich nur schwer verhindern, denn ihr Name ist Programm: Wanderspinne. Zum wiederholten Mal sind in London Konsumenten Opfer von südamerikanischen Giftspinnen geworden. Todesfälle gab es keine, denn die pelzigen Achtbeiner konnten von den gerufenen Experten eingefangen werden, doch es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, wann der erste Mensch in Europa durch eine solche „Bananenspinne“ verletzt oder gar getötet wird. Sind die Schweizer Kliniken auf solche Notfälle vorbereitet, gibt es genügend Gegengift? Oft bleiben nach einem Biss nur wenige Minuten Zeit, um Hilfe zu holen.

Sollen wir jetzt auf den Kauf von Bananen verzichten, um unsere Familien zu schützen? Nein, sagen die Händler. Ja, sagen Familien mit Kindern. Die Politik hält sich raus, die Polizei ist nicht zuständig. Nur wenige Schädlingsbekämpfer kennen sich mit der Gefahr aus, die von dieser Spinnenart ausgeht. Doch die Angst ist unbegründet.

Die tödliche Gefahr lauert auf acht Beinen

Bei dem aktuellen in Fall vor wenigen Tagen hat der Familienvater nach dem Entdecken der Spinne vor Schreck die Kiste fallengelassen, wobei eins der langen Spinnenbeine eingeklemmt wurde. Er fotografierte das ausgewachsene Exemplar und verliess fluchtartig die Wohnung, um Hilfe zu holen. Doch Tierschutzorganisation und Polizei hielten sich für nicht zuständig. Ein herbeigeeilter mutiger Mitarbeiter der Supermarktkette, in der die Bananen gekauft wurden, konnte nur noch feststellen, dass sich die Spinne das eingeklemmte Bein ausgerissen hatte und irgendwo in der Wohnung verschwunden war. Ausserdem entdeckte er ein riesiges Spinnennest mit tausenden von Eiern.

Ein Jahr zuvor hatte eine Frau ein ähnliches Erlebnis, ebenfalls in London. In ihrem Fall war die Brut bereits geschlüpft. Unzählige Spiderlinge wuselten auf den gelben Früchten herum – und nicht nur dort. Wohnung und Haus mussten komplett ausgeräuchert werden, die Frau hat seitdem eine Südfrüchte-Phobie. Auch bei dem jüngsten Vorkommnis konnte schliesslich nur ein erfahrener Schädlingsbekämpfer die Spinne einfangen und die Brut vernichten. Die gefangene Brasilianische Wanderspinne wurde lebend zur Untersuchung ins Tropeninstitut gebracht, wo die Art klassifiziert und bestätigt wurde.

Wie erkennt man die gefährliche Giftspinne, die aussieht wie jede andere Spinne auch – nur grösser? Der lateinische Name der Bananenspinne lautet Phoneutria, was übersetzt „Mörderin“ bedeutet. Es existieren acht Unterarten, bei denen lediglich die Körperzeichnung variiert. Die Brasilianische Wanderspinne gilt als äusserst angriffslustig und ist hochgiftig. Ihr Gift ist achtmal stärker als das der Schwarzen Witwe, womit sie als weltweit giftigste Spinne ins Guinnessbuch der Rekorde eingetragen wurde.

Sie hat lange Beine und einen haarigen graubraunen Körper mit einer feinen Zeichnung. Die adulten Weibchen werden bis 13 Zentimeter gross, die Männchen sind etwas kleiner. Sie gehört zu den Webspinnen, baut jedoch kein Fangnetz, sondern begibt sich nachts auf Beutefang und legt dabei beachtliche Strecken zurück. Tagsüber verbirgt sie sich an feuchten, dunklen Orten am Boden.


Der Biss der Bananenspinne tötet einen Menschen in nur zwei Stunden. (Bild: Dr. Morley Read / Shutterstock.com)
Der Biss der Bananenspinne tötet einen Menschen in nur zwei Stunden. (Bild: Dr. Morley Read / Shutterstock.com)


Bei Gefahr stellt sich die Spinne auf die Hinterbeine, spreizt ihre klauenartigen Chelizeren (Kieferklauen) und sieht aus wie ein Cowboy mit Pistolen im Anschlag. Statt zu flüchten, greift die Brasilianische Wanderspinne an und beisst. Dabei werden über die Giftdrüsen unterschiedliche Mengen Gift injiziert. Eine komplette Dosis kann einen gesunden Menschen innerhalb von zwei Stunden töten, ein Kind entsprechend eher, wenn nicht sofortige Massnahmen ergriffen werden.

Sollten Sie eine unbekannte Spinne in Bananen oder anderen Südfrüchten entdecken, so geraten Sie bitte nicht in Panik. Versuchen Sie, ein Foto von der Spinne zu Identifikationszwecken zu schiessen, stellen Sie wenn möglich einen Eimer oder eine Schüssel darüber und wählen Sie den Notruf der Polizei. Sie wird sich um einen Fachmann kümmern und das Veterinäramt informieren. Bei einem Biss rufen Sie sofort den Rettungsdienst!

Bissunfälle häufen sich – aber nur in Brasilien

In Brasilien, insbesondere in der Gegend um Campinas häufen sich die Bissunfälle, die verstärkt in den Monaten März und April sowie September und Oktober auftreten. Zwar ist dort zu diesem Zeitpunkt Erntezeit, doch am häufigsten werden die Menschen in ihren Häusern gebissen. Die Brasilianische Wanderspinne sitzt selten in den Ästen der Bananenbäume, meist krabbelt sie erst am Boden in die Kisten, was ebenfalls nur sehr selten vorkommt, und gelangt so per Schiff und Container bis nach Europa und somit möglicherweise auch in die Schweiz. Zwar gibt es bei uns zahlreiche Vogelspinnenliebhaber, die Spinnen als Beobachtungstiere in Terrarien halten, doch an die Brasilianische Wanderspinne trauen sich auch diese Experten nicht heran. Es ist nicht bekannt, dass diese Spinnenart in der Schweiz als Haustier gehalten wird. Fast alle Vogelspinnenarten unterliegen der Meldepflicht, für Giftspinnen gelten besonders verschärfte Regeln. Züchter und Hobbyhalter müssen über ihre achtbeinigen Lieblinge penibel Buch führen.

Die erste und einzige vermeintliche Bananenspinne tauchte 2013 nicht direkt in der Schweiz auf, aber in räumlicher Nähe: im bayerischen Aichach. Das angeblich 15 Zentimeter grosse Tier konnte jedoch nicht gefangen und klassifiziert werden, womit nicht sicher ist, ob es sich tatsächlich um eine Brasilianische Wanderspinne gehandelt hat oder nur um eine ausgebüchste, vergleichsweise harmlose Vogelspinne. Die ebenfalls hochgiftige Australische Sydney-Trichternetzspinne wurde hingegen bereits 2010 in der Schweiz gesichtet – und gefangen. Und zwar von einem Beamten in Rohrschach im Kanton St. Gallen während seiner Znünipause.

 

Oberstes Bild: © Snookless – Shutterstock.com

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