Entsteht in der Schweiz bald das höchste Hotel der Welt?
von Ulrich Beck
Ganz, ganz grosse Pläne für ein kleines Dorf – in Vals (GR) soll nach Plänen eines Immobilieninvestors das höchste Hotel der Welt entstehen. Mit 381 Meter Höhe auf einer Grundfläche von 18 x 31 Metern wirkt das Gebäude auf den bisher zugänglichen Visualisierungen wie eine dünne, verspiegelte Nadel, die sich zwischen den umliegenden Gebirgszügen erhebt.
Der Investor heisst Remo Stoffel und wurde selbst in Vals geboren. Er übernahm vor Jahren die Konkursmasse der Swissair-Immobilien und machte damit ein stattliches Vermögen. Sein Unternehmen Priora AG gehört heute zu den grössten Immobilien- und Baufirmen der Schweiz. Die Entwürfe stammen vom amerikanischen Architekten Thom Mayne und seinem Büro Morphosis. Falls das Hotel wie geplant im Jahr 2019 eröffnet, wäre es 26 Meter höher als das JW Marriott Marquis, der gegenwärtige Rekordhalter in Dubai.
Die Verbindung zu Dubai kommt übrigens nicht von ungefähr. Stoffel bietet auch dort seine Dienste an und hat sich von den Superlativen des kleinen, aber reichen Staates am Golf anstecken lassen. Die Visionen des regierenden Scheichs Mohammed seien dort anfangs ebenfalls stark bezweifelt worden, sagt Stoffe, heute kommen jedes Jahr 12 Millionen Touristen ins Land – Tendenz steigend. Für die Realisierung des Projekts hat er zusammen mit Pius Truffer, einem ortsansässigen Steinbruchbesitzer, eine eigene Firma gegründet, die 7132 Ltd. 7132 lautet die Postleitzahl von Vals.
An der Ausschreibung des Projekts hatten im vergangenen Jahr acht weltweit bekannte Architekturbüros teilgenommen. Der Siegerentwurf von Thom Mayne sieht 82 Stockwerke für 107 Suiten, ein Restaurant und eine Skybar vor. Hinzu kommt eine Auskragung für einen Spa-Bereich, eine Bar und ein Café sowie ein Podium als Verbindung zwischen Die rundum verglaste Fassade soll laut Morphosis für eine grösstmögliche Nähe der Gäste zur umliegenden Natur sorgen.
Angelehnt an eine Skulptur von Alberto Giacometti, die „Femme de Venise“, die ebenfalls sehr lang und dünn ist, soll das Hotel den Namen „Femme de Vals“ erhalten. Es befände sich architektonisch in guter Gesellschaft. Denn erstens steht in der Nähe die bekannte Therme von Peter Zumthor, zweitens wird in Vals ab 2017 auf einer Fläche von 35’000 Quadratmetern eine grosse Parkanlage nach einem Konzept des japanischen Architekten Tadao Ando entstehen. Damit könnte das Dorf Vals sich rühmen, drei Projekte von Baumeistern in einem Tal zu versammeln, die alle mit dem Pritzker-Preis bedacht wurden, einem der renommiertesten Architekturpreise überhaupt.
Remo Stoffel und seine 7132 Ltd. haben als Zielgruppe die Reichen und Superreichen ausgemacht. Denn eine Übernachtung wird wohl einige Tausend Franken kosten. Bei der Vorstellung des Bauprojekts sagte Stoffel in Zürich, das Hotel in Vals könne sowohl für luxuriöse Ferien in der Schweiz dienen als auch Ausgangspunkt oder Zwischenstation für Geschäftsreisende und Urlauber aus aller Welt sein, die anschliessend noch andere Ziele in Europa besuchen wollen. Die anvisierte Klientel würde wohl bevorzugt mit dem Hubschrauber anreisen, deshalb soll in einer nahe gelegenen Schlucht zusätzlich ein Heliport entstehen.
Der Megabau ruft, wie nicht anders zu erwarten, ausser Befürwortern auch eine ganze Reihe von Kritikern auf den Plan. Zweifel gibt es vor allem an den Finanzierungsplänen, die Stoffel vorgelegt hat. Angeblich will er 300 Millionen Franken aus eigenen Mitteln seines Immobilienunternehmens Priora und ohne Bankenfinanzierung aufbringen. Experten schätzen allerdings, dass der Hotelturm und der Park mit mindestens 400 Millionen zu Buche schlagen werden. Zudem ist von massiven Steuerschulden Stoffels die Rede. Laut einem Urteil des Schweizer Bundesstrafgerichts bestehen möglicherweise Nachforderungen an den Unternehmer in Höhe von 151 Millionen Franken. Stoffel weist die Vorwürfe zurück und betont ausdrücklich, dass er bereits 50 Millionen u.a. in Landkäufe investiert habe.
Kritik erntet aber auch der architektonische Gigantismus. Von einer Entstellung des Valser Tals durch den geplanten Wolkenkratzer ist die Rede, sogar von einer „Vergewaltigung“ des kleinen Ortes. Der Turm trage zur Verstädterung der Alpen bei und habe nichts mit Nachhaltigkeit und Alpentourismus zu tun. Stoffel hält dagegen, dass die Höhe im Vergleich zu den Valser Bergen so gut wie nichts sei. Und vor dem Bau der inzwischen weithin berühmten Therme seien auch 90 Prozent der Valser dagegen gewesen.
Fachleute hegen zudem Bedenken, ob das Projekt wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Ausser der Therme gebe es in Vals und Umgebung keine Attraktionen, etwa ein ausgedehntes Wellness-Zentrum. Vals sei ein 1000-Seelen-Dorf, keine Stadt. Ob das Angebotskonzept des Projekts ausreiche, genügend Gäste anzulocken, sei höchst ungewiss. Auch die Frage nach der Sicherheit ist nicht geklärt, etwa bei einem Brand oder einem Erdbeben. Hier könnten rechtliche Vorschriften dem Investor noch einen Strich durch die Rechnung machen.
Das letzte Wort werden aber die Einwohner von Vals haben, die bisher eher abwartend reagieren. Einerseits ist man schon länger auf der Suche nach Investoren, die den Ort voranbringen und auch die Therme sowie den dort angrenzenden Hotelkomplex weiter finanzieren. Insofern war man auf eine Modernisierung gefasst. Von der Höhe des Turms waren aber auch sie überrascht.
Oberstes Bild: © Adrian Michael – CC BY-SA 3.0