Dem Great Barrier Reef droht die Aberkennung des Weltnaturerbe-Status
von Romy Schmidt
Vor der Küste Australiens im Südpazifik liegt mit einer Fläche von knapp 348ʼ000 Quadratkilometern das größte Korallenriff der Erde. Das Great Barrier Reef erinnert an ein türkis-blau leuchtendes Band und ist der einzige lebende Organismus der Erde, den man aus dem Weltall mit den bloßen Augen erkennen kann.
Das Great Barrier Reef beheimatet circa eine Million Pflanzen- und Tierarten, weshalb das Riff bei Schnorchel- und Tauchtouristen äußerst beliebt ist.
Aufgrund seiner Einzigartigkeit und Biodiversität verlieh die UNESCO dem Great Barrier Reef im Jahr 1981 den Status „Weltnaturerbe“, zudem zählt das Riff zu den sieben Weltwundern der Natur. Dieser Titel ist bedingt durch die Industrialisierung und den Klimawandel nun allerdings in Gefahr. Ob Australien das Great Barrier Reef ausreichend schützt, fragte sich die UNESCO zu Beginn des Jahres und kam zu dem Ergebnis, dass die bestehenden Schutzmaßnahmen ausgeweitet werden sollen – falls nicht, könnte es seinen Status verlieren. Zwar wird das Great Barrier Reef nicht auf die Rote Liste der gefährdeten Weltnaturstätten gesetzt, allerdings steht die australische Regierung nun in der Pflicht!
Korallensterben vor der Küste Australiens
Gegen das Korallensterben vor der australischen Küste unternimmt die Regierung nur wenig. Aus diesem Grund zwingt die UNESCO das Land nun zum Handeln.
Das Great Barrier Reef gilt als das wohl beeindruckendste Tauchrevier der Erde und zieht jedes Jahr unzählige Touristen an. Allerdings verschwinden die Korallen vor Australiens Küste: So sind seit 1985 bereits knapp 50 Prozent der Korallen abgestorben und auch die Qualität des Wassers nimmt seit Jahren stetig ab. Deshalb steht das größte Korallenriff der Welt auch weiterhin unter Beobachtung des Welterbekomitees. Bereits im Juni des letzten Jahres hatte die UNESCO die Entscheidung, ob das Riff auf die Rote Liste gesetzt wird, um ein Jahr vertagt. So wurden im Juni 2014 Australiens Pläne für den Bau von gewaltigen Häfen bekannt.
Im Zuge des Baus wären gigantische Mengen Baggergut in das Great Barrier Reef geleitet worden. Glücklicherweise hat die Regierung Australiens dieses Vorhaben noch gestoppt – dies wurde zumindest im März dieses Jahres von Greg Hunt, dem australischen Umweltminister, bekannt gegeben. Aufgrund dieser Verlautbarung entschlossen sich die Umweltschützer der UNESCO das Korallenriff nun vorerst doch nicht auf die Liste der gefährdeten Naturstätten zu setzen. Jedoch wurde die australische Regierung vom Welterbekomitee dazu aufgefordert bis Dezember 2016 einen Bericht einzureichen, der dokumentiert, welche weiteren Anstrengungen zum Schutz des Great Barrier Reefs unternommen werden und wie die bisherigen Pläne umgesetzt werden.
Prestigeverlust für Australien durch Aberkennung des Weltnaturerbe-Status
Gelingt es Australien nicht, für das Great Barrier Reef den Status des Weltnaturerbes aufrecht zu erhalten, würde dies einen enormen Prestigeverlust bedeuten. Zudem hängen vom Erhalt des großen Meeresparks vor der Nord-Ost-Küste nicht nur mehr als 65ʼ000 Arbeitsplätze ab, sondern auch Einnahmen von circa 6,5 Milliarden australischer Dollar im Jahr.
Auch die beiden Riff-Forscher Jon Day und Terry Hughes von der James-Cook-University Australia wissen nicht, warum die UNESCO davon abrücken sollte, das Great Barrier Reef auf die Rote Liste zu setzen. So hätten die Behörden weder ein eingehendes Konzept um die Folgen des Klimawandels sowie diejeniger der nicht nachhaltigen Fischerei einzudämmen, noch würden das Budget von 200 Millionen australischer Dollar ausreichen, um notwendige Schutzmaßnahmen durchzuführen. Und letztlich seien auch lediglich zwei der 15 Empfehlungen der UNESCO voll umgesetzt worden. So fehle zum Beispiel auch ein Plan, um konkrete weitere Schutzzonen an der australischen Küste einzurichten.
Sind Hafenbau und Naturschutz miteinander vereinbar?
Jahrelang beschieden australische Politiker, dass Hafenbau und Naturschutz Hand in Hand gehen könnten. Deshalb sollen entlang der mehr als 2000 Kilometer langen Küste des Great Barrier Reefs zwölf Häfen ausgebaut oder neu errichtet werden. So gab die Regierung sogar für die Verklappung des entstehenden Baggerguts – und zwar lediglich 20 Kilometer vom Korallenriff entfernt – vormals ihr Einverständnis.
Die Regierung selbst ging diesbezüglich von einem Volumen von horrenden 38 Millionen Kubikmetern aus, wobei sich ein Kubikmeter auf 1000 Liter beläuft. Diese Pläne sind mittlerweile jedoch vom Tisch sind. Bei vergleichbaren neuen Bauvorhaben müsste die Entsorgung des Baggerguts an anderer Stelle erfolgen.
Greg Hunt übermittelte der UNESCO zudem die Botschaft, dass dafür gesorgt werden, das Great Barrier Reef als das am besten gemanagte maritime Ökosystem der Welt zu erhalten.
Riff-Experten und Naturschützer haben hieran jedoch ihre Zweifel. Obschon sich küstennahe Seegräser und auch die Korallendecke in der letzten Zeit etwas erholen konnten, sei dies weniger darauf zurückzuführen, dass besondere Schutzmaßnahmen ergriffen worden wären, sondern vielmehr darauf, dass die Zahl der verheerenden Überschwemmungen abgenommen hat und deshalb weniger Herbizide und Erdreich ins Meer gespült wurden. Dies betonte auch die in Hamburg geborene und am australischen Institut für Meereswissenschaften (AIMS) arbeitende Meeresbiologin Britta Schaffelke. Zudem erklärt sie, ändere diese Entwicklung nichts daran, dass sich das Great Barrier Reef in einem schlechten Zustand befinde. Ob das Riff tatsächlich beginne, sich zu erholen oder ob es sich lediglich eine Pause im Verschlechterungsprozess handele, müssten längerfristige Analysen und Beobachtungen zeigen.
Der Klimasünder Australien
Die Pläne der australischen Regierung im Hinterland an der Nord-Ost-Küste auch weiterhin die Kohleindustrie zu forcieren haben sich jedoch bis dato nicht geändert. Mit einem Ausbau des Kohleabbaus gehen natürlich infrastrukturelle Veränderung, wie zum Beispiel der Bedarf an neuen Häfen, einher. Zudem wird der Klimawandel durch den Abbau von Kohle abermals angeheizt und gilt als spezieller Stressfaktor für das Great Barrier Reef, denn durch ihn werden die Korallenbleiche, die Wassererwärmung und das Entstehen von Stürmen, welche wiederum die Erosion fördern, forciert.
Die Kohleindustrie ist es auch, die die australische Bevölkerung pro Kopf zu den größten Klimasündern der Welt gemacht hat. Mittlerweile protestieren in Großbritannien insgesamt 14 Umweltschutzorganisationen und damit mehr als 50 Millionen Mitglieder gegen eine weitere Förderung des Galolee-Basin-Projekts zum Kohleabbau durch die Banken. Auf diese Weise, so Bock weiter, könnte die Bank es verhindern, den Tod des Great Barrier Reefs zu verhindern.
Dornenkronen: Korallenfressende Seesterne bedrohen das Riff
Neben Greenpeace resümiert auch Richard Leck, der Marinepark-Spezialist der Umweltstiftung des WWF, dass es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass sich der Zustand des Great Barrier Riffs durch von der Regierung ergriffene Maßnahmen verbessert hat. Unter anderem verweist er auf den Düngemittelabfluss aus der intensiven Landwirtschaft. So liegt der Stickstoffgehalt des Wassers bei mehr als 175 Prozent des natürlichen Niveaus, der Phosphorgehalt sogar bei über 230 Prozent, wodurch die verheerende Invasion korallenfressender Seesterne, der sogenannten Dornenkronen, nur noch verstärkt wird.
Vielleicht trifft Australien ja nun doch die richtigen Entscheidungen – erst Anzeichen hierfür sind zum Beispiel im Stopp des Hafenbauprojektes zu erkennen. Zu hoffen bleibt, dass die australische Regierung dieses Mal ihre Versprechen auch umsetzt, denn nur so wird das einzigartige Great Barrier Reef der Menschheit künftig erhalten bleiben.
Zahlen & Fakten zum Great Barrier Reef:
Das Riff:
Das an der australischen Nord-Ost-Küste gelegen Great Barrier Reef ist das größte Korallen-Ökosystem der Erde und besteht aus 900 Inseln und etwa 3000 einzelnen Riffen. Es ist mehr als 2000 Kilometer lang.
Die Riffbewohner:
Das Great Barrier Reef beheimatet tausende von Fischarten, Schwämmen, Weichtieren, Seeschlangen, Haien, Delfinen, Seekühen (Dugongs) und Walen sowie über 600 Korallenspezies und 215 Vogelarten.
Die Gefahren und Bedrohungen:
Klimawandel, Fischerei, Stürme, Erosion, Schifffahrt sowie der Abfluss von Pestiziden und Düngemitteln aus intensiver Landwirtschaft stellen Gefahren für das Great Barrier Reef dar. Seit 1985 ist die Korallendecke um etwa die Hälfte geschrumpft.
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