Kapo St.Gallen: Drohnenpiloten im Einsatz – 330 Flüge pro Jahr für Vermisste und Unfälle

Wenn ein Mensch vermisst wird, ein Einbrecher flüchtet oder die Übersicht bei einem Verkehrsunfall fehlt, lassen die Pilotinnen und Piloten der Kantonspolizei St.Gallen ihre Drohnen steigen.

Im letzten Jahr kamen rund 330 Einsätze zusammen, bei denen aus der Luft Bilder geliefert wurden, die Klarheit schafften. Was auf den ersten Blick aussieht wie Hightech-Spielerei, ist reine Präzisionsarbeit. Roger Suter, vollamtlicher Drohnenpilot, erklärt uns, was seinen Beruf so einzigartig macht.

Roger, wie kommt man dazu, Drohnenpilot zu werden?

Roger Suter: Eigentlich war es eine Bauchentscheidung. 2019 sah ich die Stellenausschreibung und fragte mich, ob ich weiterhin auf der Polizeistation bleiben oder etwas Neues wagen soll. Trotz einem grossartigen Team und interessanter Arbeit überwog der Reiz des Neuen. Meine Leidenschaft für die Aviatik passte sehr gut zum Job des Drohnenpiloten. Meine Stelle war der Startschuss für die Sonderfunktion der Drohnenpiloten. Im April 2020 ging die Sondereinheit Eagle zum ersten Mal operativ in die Luft. In diesen fünf Jahren hat sich einiges getan. Mittlerweile gehören neben unserem Chef, mir und einer weiteren Vollzeitpilotin rund 20 Milizpiloten sowie drei zusätzliche Pikettdienstleistende zum Drohnenteam, welche alle mit einer persönlichen Drohne ausgestattet sind. Generell sind Vorkenntnisse zwar hilfreich, um Drohnenpilot oder Drohnenpilotin zu werden, jedoch keine Bedingung. Das Fliegen und der Umgang mit der Technik werden bei uns intensiv geschult.



Wie laufen diese Schulungen ab?

Roger Suter: Die Grundausbildung dauert für Milizpilotinnen und Milizpiloten eine Woche. Es handelt sich um einen externen Kurs, der auch Privatpersonen offensteht. Anschliessend folgen drei Tage interne Ausbildung, bei denen taktische Abläufe geschult werden. Zur Weiterbildung treffen sich alle Piloten viermal jährlich für jeweils einen halben Tag. Dabei stehen neueste Technologien, reale Einsatzszenarien und der Austausch von Erfahrungen im Fokus.

Die Übungen macht ihr, um im Einsatzfall bereit zu sein. Von welchen Einsatzfällen sprechen wir da?

Roger Suter: Am häufigsten fliegen wir bei Personensuchen, beispielsweise bei einem vermissten Kind, einem verirrten Wanderer oder einem flüchtigen Einbrecher. Aber auch bei Sport- und Grossveranstaltungen, Verkehrsunfällen oder Observationen unterstützen wir die Frontkräfte aus der Luft.

Welche Drohnen setzt ihr ein und was können sie?

Roger Suter: Wir nutzen aktuell drei Modelle der Marke DJI:

  • Matrice 300 – unsere vielseitigste Drohne mit wechselbaren Kameras und hervorragender Wärmebildtechnik, rund acht Kilo schwer, je nach Beladung.
  • Matrice 30 – leichter, knapp vier Kilo und mit beeindruckender Zoom- und Wärmebildkamera ausgestattet.
  • Mavic 3 – die persönliche Drohne der Pilotinnen und Piloten; ca. 900 Gramm schwer, kompakt, handlich und trotzdem leistungsstark.

Unsere teuersten Drohnen kosten etwas über 20’000 Franken. Dabei entfällt der grösste Teil der Kosten auf die hochmodernen Kameras. Ein besonderes Highlight ist der sogenannte Lifeseeker, der an der Drohne befestigt wird. Damit können wir Handys orten, was gerade bei einer friedlichen Personensuche eine grosse Hilfe ist.

Wie läuft ein typischer Einsatz ab?

Roger Suter: Das variiert je nach Fall stark; den typischen Einsatz gibt es nicht. Bei einem Verkehrsunfall muss es schnell gehen. Wir packen die Drohne aus, bereiten uns kurz vor und los gehts. Komplexere Einsätze, wie etwa verdeckte Überwachungen, erfordern hingegen deutlich mehr Planung. Wir beginnen mit dem Wettercheck, müssen die Flugroute abstimmen, die Standorte wählen und Luftraumbeschränkungen berücksichtigen. Dies tun wir immer mit dem Ziel, die beste Aufnahmequalität bei maximaler Sicherheit zu erlangen. Nach jedem Flug werden die Drohnen kurz geprüft und aufbereitet. Die Sichtung des Bildmaterials geschieht nach wie vor händisch, da ist die Künstliche Intelligenz noch nicht so weit.



Stichwort Sicherheit: Welche Rolle spielt die Sicherheit bei euch?

Roger Suter: Diese spielt eine sehr grosse Rolle. Unsere internen Sicherheitsstandards übertreffen die gesetzlichen Vorgaben deutlich. Wir arbeiten mit Checklisten, so, wie das sonst nur bei bemannten Flügen üblich ist. Zudem haben wir mit allen neun Flugplätzen im Kanton St.Gallen Abmachungen getroffen, um Einsätze in Flughafennähe sicher zu koordinieren.

Was war dein spannendster Einsatz?

Roger Suter: Unvergessen bleibt ein Fall in Uznach, bei dem sich ein Einbrecher in einem Umspannwerk verschanzte. Ich flog und koordinierte gleichzeitig die Bodenkräfte, was eine echte Herausforderung war. Dank Livebild der Drohne sowie der guten Arbeit des Hundeteams und den Bodenkräften gelang schliesslich der Zugriff. Dieser fand nur rund 150 Meter entfernt von mir statt, so sah ich nicht nur alles, sondern konnte auch mithören – ein wirklich spannender Moment!

Gab es auch kritische Momente?

Roger Suter: Diese gab es definitiv. Ein besonders kniffliger Flug fand während einem Sturm statt. Ohne GPS-Empfang driftete die Drohne ständig ab und drohte, gegen eine Felswand zu knallen. Hier war Präzision und Erfahrung gefragt, um das Gerät sicher zu steuern und nirgends dagegen zu fliegen.

Wie viel Zeit fliesst in die Nachbearbeitung des Bildmaterials?

Roger Suter: Das hängt von der Art des Einsatzes ab. In der Regel schauen wir nur, ob das erstellte Bildmaterial auch dem entspricht, was gefordert wird. Die Auswertung, also das Durchsehen aller Fotos und Videos, übernimmt der jeweilige Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin des Falls. Das würde sonst aufgrund der vielen Einsätze unseren zeitlichen Rahmen sprengen. Als Beispiel: Bei einem Bergunfall, wo noch Kleidungsstücke oder ein Rucksack gesucht werden, erstellen wir schnell mal mehrere hundert Fotos. Da müssen wir dem Sachbearbeitenden die Arbeit überlassen, diese alle durchzusehen. Lediglich wenn die Auswertung durch einen Sachbearbeitenden nicht möglich ist, machen wir das. Das ist meistens dann der Fall, wenn wir Bildmaterial mit der Wärmebild- oder Infrarotkamera erstellt haben. Die Interpretation des Bildmaterials ist nämlich nicht einfach und braucht etwas Erfahrung.

Wie verändert sich die Drohnentechnologie?

Roger Suter: Die Fortschritte sind enorm. Früher flogen wir mit einem Akku knapp 20 Minuten, heute sind es bis zu 40 Minuten Flugzeit. Auch die Kameratechnik wird laufend besser: Früher musste man bis auf 25 Meter heran, um eine Person mit der Wärmebildkamera zu erkennen, während heute etwa 100 bis 800 Meter, je nach Kamera, ausreichen. Zukünftig werden KI-gestützte Systeme helfen, Menschen automatisch zu erkennen und Drohnen noch effizienter einzusetzen.

Was begeistert dich persönlich an deinem Job?

Roger Suter: Die Vielfalt! Ich darf nicht nur fliegen, sondern bin auch als Instruktor tätig, arbeite in nationalen Arbeitsgruppen und entwickle die Drohnentechnik aktiv mit. Was mich dabei besonders freut: Trotz aller Technik bleibe ich Polizist, stehe mitten im Geschehen und kann mit dieser neuen Technologie meinen Kolleginnen und Kollegen einen wichtigen Support leisten.

 

Quelle: Kantonspolizei St.Gallen
Bildquelle: Kantonspolizei St.Gallen

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