„Burglind“ fällte Zehntausende Bäume – Warnung vor Waldspaziergängen
Am 3. Januar 2018 fegte der Sturm Burglind über das Land und durch die Schweizer Wälder. Zehntausende Bäume wurden gefällt. Für die Forstprofis und Waldeigentümer stehen gefährliche und aufwändige Räumungsarbeiten an.
Die Bevölkerung wird dringend gebeten, in den nächsten Tagen auf Waldspaziergänge zu verzichten. Auf dem Holzmarkt hat Preisstabilität höchste Priorität.
Erste Meldungen und Beobachtungen zeigen, dass Burglind die Schweizer Wälder vielerorts stark heimgesucht hat. Noch fehlt ein detaillierter Gesamtüberblick der Schäden, denn wegen dem anhaltend schlechten Wetter mit prekären Sichtverhältnissen, der teils grossen Lawinengefahr und wegen vielen gesperrten Strassen konnten noch längst nicht alle Wälder kontrolliert werden. Nach ersten Erhebungen von WaldSchweiz gab es vereinzelte grössere Windwürfe, aber nicht im Ausmass wie nach dem letzten grossen Sturm „Lothar“ 1999, als ganze Hänge flachgelegt wurden.
Hingegen wurden sehr viele einzelne Bäume und Baumgruppen besonders an exponierten Lagen und entlang von Waldrändern, Strassen und Bahngeleisen umgeworfen – aber auch mitten in grösseren Wäldern. Fachleute sprechen von sogenannten „Streuschäden“. Die Windgeschwindig-keiten waren im Schnitt rund 30-50 km/h tiefer als bei Lothar, erreichten in örtlichen Böen aber auch neue Rekordwerte.
Es könnten also durchaus noch grössere Windwurfschäden zum Vorschein kommen. Markus Brunner, Direktor von WaldSchweiz rechnet grob geschätzt mit umgeworfenen Holzmengen „in der Grössenordnung von einigen hunderttausend Kubikmetern. Diese Menge könnten die Waldeigentümer bewältigen.“ Zum Vergleich: 2016 wurden im Schweizer Wald knapp 5 Millionen Kubikmeter geerntet; nach Lothar fielen 13 Millionen Kubikmeter an.
Nach Einschätzung des Direktors werden die wichtigsten Waldfunktionen, insbesondere in den Schutzwäldern, durch die Streuschäden wohl im ersten Moment nur örtlich beeinträchtigt. Unbekannt sind aber die Auswirkungen typischer Folgeschäden von Stürmen, wie etwa verstärktem Borkenkäferbefall. Das Bundesamt für Umwelt wird in den nächsten Tagen in Zusammenarbeit mit den kantonalen Forstdiensten einen geografischen Überblick erstellen und das Schadensausmass abschätzen.
Aufräumen aufwändig und gefährlich – Forstprofis sind gefragt
Die umgefallenen oder geknickten Bäume können in der Regel nicht einfach liegen gelassen werden. Aus Sicherheitsgründen müssen sie vielerorts rasch geräumt werden, besonders in Lawinenhängen und Bachgerinnen, entlang von Verkehrswegen oder in vielbegangenen Erholungswäldern. Weiter gilt es, der massenhaften Ausbreitung von Borkenkäfern auf geschwächten und absterbenden Bäumen ab dem Frühjahr zuvorzukommen. Und vor allem soll das anfallende Holz auch aus Nachhaltigkeitsgründen sinnvoll genutzt werden.
Bei vielen dezentralen Streuschäden ist die Räumung des Holzes allerdings verhältnismässig aufwändig und teuer, da meist nicht flächig und oft nicht mit modernen Erntemaschinen gearbeitet werden kann, und weil Arbeitssicherheit oberste Priorität hat.
An Hängen und in abgelegenen, schlecht zugänglichen Wäldern muss Vieles in anspruchsvoller Handarbeit mit der Motorsäge und mit Seilzug ausgeführt werden. Meist sind diese Aufräumarbeiten nicht kostendeckend machbar. Viele Waldeigentümer können sich das aufgrund ihrer ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Lage kaum leisten. Bund, Kantone und Gemeinden, die Haupt-Nutzniesser der vielfältigen Waldleistungen sind, stehen nun in der Verantwortung, sie mit Rat, Tat und Geld zu unterstützen.
Holzerarbeiten im Sturmholz sind sehr gefährlich: Bäume liegen oft verdreht und unter Spannung, sind eingeklemmt oder hängen noch in Nachbarbäumen. Die tragischen Unfallzahlen nach dem Sturm Lothar bestätigen, dass das Aufräumen von Sturmholz für Laien oft tödlich oder mit schweren Verletzungen enden kann. Jede Situation, jeder Baum muss einzeln beurteilt und mit dem nötigen Fachverstand angegangen werden – ein Fall für gut ausgebildete Forstprofis. Aber auch für Spaziergänger ist’s gefährlich, weil überall noch Holz zu Boden fallen kann. Der Wald sollte in den nächsten Wochen gemieden werden (vgl. Box).
Stabilität auf dem Holzmarkt
Es sieht im Moment so aus, dass die umgeworfenen Bäume nach und nach koordiniert mit den vorhandenen Kapazitäten aufgerüstet, vermarktet und abgeführt werden können. WaldSchweiz empfiehlt allen Waldeigentümern, nach Abschluss von dringenden Sicherheitsräumungen in Ruhe eine gründliche Lagebeurteilung vorzunehmen und erst danach die Räumungsarbeiten auszuführen. An vielen Orten wird eine Räumung ohnehin erst nach der Schneeschmelze möglich sein. Waldbesitzer, Forstbetriebe, Forstunternehmer und Holztransporteure sollen zuerst mit ihren Holzkäufern die Verkaufskonditionen für Sturmholz aushandeln, bevor geholzt wird. Es empfiehlt sich, eine gründliche Qualitätsansprache vorzunehmen – auch bei Sturmholz sind viele unbeschädigte, frische Stammstücke vorhanden.
Die nach der Schweizerischen Holzmarktkommissions-Sitzung vom 16. Oktober 2017 von WaldSchweiz publizierten Preis-Empfehlungen gelten bis auf weiteres unverändert. Rundholz, Energie- und Industrieholz sind gefragt, Überkapazitäten sind nicht in Sicht. Die Holzmarktkommission tagt Mitte Januar 2018 wieder und wird die aktuelle Lage dann neu beurteilen können.
Keine „Ruhe nach dem Sturm“ beim Waldspaziergang!
Die Waldeigentümer mahnen zur Vorsicht. In den Schweizer Wäldern herrscht momentan eine trügerische Stille. Viele Bäume, Kronenteile und Äste sind angerissen und beschädigt, ohne dass man es ihnen ansieht. Schwere Äste hängen noch in den Kronen. Sie können bei geringsten Erschütterungen oder Luftbewegungen ohne Vorwarnung zu Boden donnern und Menschen erschlagen. Somit sind Waldspaziergänge in den nächsten Wochen mit erhöhtem Risiko verbunden und wenn möglich zu unterlassen. Gehen Sie schon gar nicht quer durch den Wald oder in den Bereich umgefallener Bäume! Absperrungen und Signalisationen der Forstverantwortlichen sind strikt zu beachten. Personen, die dennoch im Wald umherlaufen, tun dies auf ihr eigenes Risiko.
Stürme bringen wirtschaftliche Einbussen für Waldeigentümer
- Für die Waldeigentümer bedeuten Sturmschäden wirtschaftliche Risiken; vom Sturm gefällte Stämme sind oft qualitativ minderwertig, gute Stücke müssen sorgfältig herausgesucht werden.
- Vom Sturm lediglich beschädigte Bäume führen oft sehr viel später zu wirtschaftlichen Einbussen. Stürme können in den Baumstämmen feine, von aussen nicht sichtbare Risse und Stauchungen herbeiführen, die die Baumvitalität nicht unbedingt beeinflussen, aber später einmal zu Einbussen beim Holzverkauf führen, wenn diese Schäden beim Einsägen zum Vorschein kommen.
- Stürme beschädigen oft Kronen oder Wurzelwerk von Bäumen, ohne dass diese gleich umfallen. Fichten und Tannen werden dadurch in ihrer Vitalität geschwächt und sind danach anfälliger auf Borkenkäfer, Hitze und Trockenheit. Als Faustregel gilt, dass sich die bei einem Sturm direkt umgeworfene Menge Holz später durch sturmbedingte Folgeschäden etwa verdoppelt.
- Fällt kurzfristig sehr viel Sturmholz an, kann dies auf die ohnehin schon tiefen Waldholz-Preise drücken, insbesondere wenn auch bei Sturmereignissen im Ausland viel Schadholz anfällt. Die Waldeigentümer hoffen, dass sich die Nachfrage nach Schweizer Holz auch nach Burglind erst recht positiv entwickelt. Sie werden bemüht sein, jederzeit so viel Holz bereit zu stellen, wie nachgefragt wird, aber auch ein Überangebot mit entsprechendem Preiszerfall vermeiden.
- Schliesslich stellt ein Sturm manchmal auch die wohl durchdachte Waldplanung auf den Kopf. Forstbetriebe planen über viele Jahre hinaus, wann, wo, wieviel Holz geschlagen wird, um den Wald stabil, leistungsfähig, strukturiert und fit zu erhalten, und um die Stammkundschaft zuverlässig zu bedienen. Hier ist seitens Waldbesitzern und Holzkäufern gegenseitige Flexibilität und Fairness gefragt – am Schluss profitieren so beide Seiten am meisten.
Quelle: WaldSchweiz
Titelbild: Urs Wehrli, WaldSchweiz