Computer liest Bilder aus dem Gehirn aus

Maschinen, die Gedanken, Träume und Erinnerungen aus den Gehirnen von Menschen auslesen – so etwas gibt es bislang nur in Science Fiction-Horror-Filmen. Doch Forscher der Universität Berkeley haben jetzt möglicherweise einen bahnbrechenden Schritt in diese Richtung unternommen.

Ihnen ist es nämlich gelungen, Filme, die sich Versuchspersonen angeschaut hatten, allein auf Basis gemessener Gehirnströme von einem Computer rekonstruieren und visualisieren zu lassen. Die Ergebnisse sind verblüffend und gespenstisch anzuschauen (Video dazu siehe unten).

Wie sind die Forscher vorgegangen? In einer ersten Phase liessen sie die Testpersonen mehrere Stunden Filmmaterial anschauen. Währenddessen mass ein funktioneller Magnetresonanztomograph (fMRI) die Aktivität im Sehzentrum (Cortex visualis) der Probanden. Darauf lernte ein Computer mittels eines ausgeklügelten Verfahrens, gesehene Farben und Formen aus den Filmen bestimmten Aktivitätsmustern zuzuordnen.

Computer rekonstruiert Gesehenes – bald auch Träume und Erinnerungen?

In einer zweiten Phase, dem eigentlichen Test, schauten die Personen schliesslich neue Filme. Der Computer konnte nun die gelernten Verknüpfungen anwenden und von den gemessenen Gehirnaktivitäten auf entsprechende Formen und Bewegungen schliessen. Dazu suchte der Rechner aus einem Pool von 18 Millionen Sekunden YouTube-Material die Filmszenen heraus, die den gelernten Gehirnaktivitäten am ehesten entsprachen. Aus den 100 am besten passenden Szenen machte der Computer am Ende bewegte Rekonstruktionen, die den tatsächlich gesehenen Filmen teils erstaunlich ähnlich sind.

Stehlen Computer bald unsere Träume? (Gerd Altmann / pixelio.de)

Dass es also jetzt schon möglich ist, durch „Anzapfen des Gehirns“ visuell wahrgenommene Bilder von einem Computer auslesen zu lassen, ist gewiss sensationell – aber erst ein Anfang. Für die Zukunft stellt sich die entscheidende Frage, ob es irgendwann auch möglich sein wird, in gleicher Weise Erinnerungen und Träume per Computer zu rekonstruieren. Der Berkeley-Neurologe Jack Gallant lässt daran jedenfalls kaum einen Zweifel: „Neurowissenschaftler nehmen allgemein an, dass alle mentalen Prozesse auf einer neurobiologischen Basis ablaufen. Unter diesen Voraussetzungen wäre es mit entsprechend entwickelter Technologie prinzipiell möglich, auch Träume oder Erinnerungen sichtbar zu machen“, schreibt er auf der Projekt-Homepage.

Denkbare Anwendungen

Und wem nutzt nun das „Gedankenlesen“ per Computer, sollte eine solche Technologie einmal ausgereift sein? Die Forscher halten eine Anwendung zu medizinischen Zwecken für denkbar. Zum Beispiel könnte auf diesem Wege Schlaganfallpatienten bei der Kommunikation geholfen werden. Nahe liegt auch die Frage, ob „Gedankenlese-Maschinen“ einmal in der Strafverfolgung Einzug halten werden. Warum nicht zum Beispiel das Gehirn eines beschuldigten Mörders „anzapfen“ und versuchen, Bilder der Tat zu rekonstruieren? Gallant zeigt sich jedoch in dieser Frage sehr skeptisch und hält fest: „Jegliche zukünftige Anwendung dieser Technologie im Justizsystem muss mit äusserster Vorsicht genossen werden.“

Ein Anwendungsbereich, den die Forscher nicht nennen, der aber auf der Hand liegt, ist das Militär. Dieses würde über Instrumente, mit denen die Gedanken des „Feindes“ ausspioniert werden könnten, gewiss jubilieren. Irgendwann werden uns Militärexperten und Verteidigungspolitiker das „Gedankenlesen“ als humane Methode verkaufen, um ganz ohne Folter an feindliche Informationen zu gelangen.

Die Fortschritte der neurologischen Forschung sind jedenfalls faszinierend und erschreckend zugleich, die aufgeworfenen ethischen Probleme immens. Vielleicht muss ja schon bald der bekannte Liedtext von Hoffmann von Fallersleben umgeschrieben werden?

Die Gedanken sind frei
wer kann sie erraten? (Ein Computer?)
Sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, (Aber ein Computer?)
kein Jäger erschiessen
mit Pulver und Blei:
Die Gedanken sind frei! (Wie lange noch?)

Hier ein Video, das die erstaunlichen Ergebnisse der Forscher zeigt:

(Quelle: Youtube)
Eure Meinung zum Thema?

 

Titelbild: Dieter Schütz / pixelio.de

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