Behindertenrechte in der Schweiz werden gestärkt

Mit der Ratifizierung der UNO-Konvention für Behindertenrechte im April 2014 hat sich die Schweiz deutlich zu Verbesserungen in der Gleichstellung von Menschen mit Handicap bekannt. Auch wenn eine solche Konvention eher empfehlenden Charakter hat und nicht einklagbar ist, bietet sie doch einen greifbaren Leitfaden zur weiteren Verbesserung der Lebenssituation behinderter Menschen in der Schweiz. Bislang ist hier vieles erreicht worden, einiges bleibt aber noch offen und wartet nun auf einen Schub im Zuge der Umsetzung der UNO-Konvention für Behindertenrechte.

Diskriminierungsverbot weiterdenken

In der schweizerischen Gesetzgebung findet sich zwar bereits ein Diskriminierungsverbot für Behinderte, allerdings bezieht es sich bislang überwiegend auf die Wahrnehmung und Inanspruchnahme von Leistungen und Angeboten, die von öffentlichen Stellen offeriert werden. Ausgenommen sind hier fast ausnahmslos alle privaten öffentlichen Angebote, vom Kino und Restaurant bis hin zur Einstellung und Beschäftigung bei privaten Arbeitgebern. Hier herrscht echter Nachholbedarf.

Überdenkenswert ist dabei selbst die Umsetzung des Bildungsgesetzes, das zwar auf dem Papier ein Diskriminierungsverbot gegenüber Behinderten ausspricht, dieses aber so vage hält, dass die Auslegung immer noch Sache beispielsweise der Schulträger bleibt. Von einer echten Inklusion kann hier beispielsweise keine Rede sein. Vielmehr sind es hier kantonale Beweggründe, die nicht selten eine gleichgestellte Beschulung von Behinderten und Nichtbehinderten oftmals sogar ausschliessen, ohne das explizit auszudrücken.

Selbst in der freien Wahl des Wohnortes und Lebensumfeldes bleibt die Schweiz derzeit noch weit hinter den Empfehlungen der UNO-Konvention zu den Behindertenrechten zurück. Es besteht demnach ein erhöhter Bedarf, das Diskriminierungsverbot deutlicher als bisher weiterzudenken und entsprechende Massnahmen zu ergreifen.

Dabei muss auch das öffentliche Bild von Behinderung neu geprägt werden. Hört man sich in der Schweizer Bevölkerung um, dann gilt zuerst nur als behindert, wer im Rollstuhl sitzt. Erst nach weiterem Nachdenken kommen auch andere körperliche Einschränkungen wie Blindheit und starke Sehschwäche, Gehörlosigkeit, Stummheit oder Einschränkungen der allgemeinen Geh- und Bewegungsfähigkeit in den Blickpunkt. Geistige und psychische Behinderungen stehen fast aussen vor, wenn es um die Umsetzung der Behindertenrechte geht. Hier wird wohl auch eine Neuorientierung in der öffentlichen Sicht auf Behinderung in jeglicher Form erforderlich sein, wenn die UNO-Konvention vollinhaltlich umgesetzt werden soll.


Behindertenrechte - Private sollen sich mehr öffnen. (Bild: Lisa S. / Shutterstock.com)
Behindertenrechte – Private sollen sich mehr öffnen. (Bild: Lisa S. / Shutterstock.com)


Private sollen sich mehr öffnen

Zwar müssen private Anbieter bislang ihre Offerten auch für Behinderte öffnen, aber spezielle Hilfen für eine adäquate Nutzung liegen im Ermessen der Betreiber privater Einrichtungen und Unternehmen. Niemand kann einem Behinderten den Zutritt in ein Restaurant mit Hinweis auf seine Behinderung verweigern, aber keiner muss ihm Möglichkeiten für den Zugang schaffen, ihn dabei unterstützen oder zusätzliche Voraussetzungen für Behinderte vorsehen.

So braucht kein Kino eine Rampe für Rollstuhlfahrer, kein Gastronom muss einem Blinden die Speisekarte vorlesen und kein privates Unternehmen ist gehalten, Behinderte gleichberechtigt mit Nichtbehinderten einzustellen oder zumindest bei der Bewerbung zu berücksichtigen.

Damit bleiben vielen Behinderten wichtige Lebensbereiche verschlossen. Sogar bei der Wahl des Wohnortes fallen Behinderte in der Wahrnehmung ihrer Rechte weit hinter Nichtbehinderte zurück. Wenn beispielsweise ein körperbehinderter Mensch wegen seiner funktionalen Störung einer besonderen Pflege bedarf, steht ihm ein Wechsel des Heimaufenthaltes kaum zu. Besonders dann nicht, wenn ein Umzug über kantonale Grenzen hinweg geplant ist. Hier stellt sich ganz einfach die Frage der Kostenübernahme. Dabei hat doch auch der Behinderte grundsätzlich das Recht auf freie Wahl seines Wohnortes. Zumindest auf dem Papier.

Viel Arbeit für Gesetzgeber und Kommunen

Zwar schreibt die UNO-Konvention zu den Behindertenrechten keinen Zeitplan vor, allerdings wird von Zeit zu Zeit geprüft, inwieweit sich die Mitgliedsstaaten an die Umsetzung der Konvention weiter annähern. Entsprechend den noch offenen und dringlichst erforderlichen Veränderungen liegt in den nächsten Jahren viel Arbeit vor dem Gesetzgeber. Hier muss weiter und vor allem intensiver geprüft werden, inwieweit die aktuelle Gesetzgebung die Rechte der Behinderten entsprechend der UNO-Konvention bereits ausreichend berücksichtigt. Oftmals ist hier deutlicher Änderungsbedarf nötig, vor allem dann, wenn es um die Umsetzung durch private Anbieter geht.

Dabei sind auch die Kantone und Kommunen in der Pflicht. Immerhin muss die Einhaltung der Gesetze auch möglich gemacht und letztlich auch überprüft und nötigenfalls sanktioniert werden. Ein höheres Engagement wünschen sich da die Schweizer Behindertenverbände schon jetzt. Immerhin braucht es in einem modernen Staatswesen wie der Schweiz nicht erst eine UNO-Konvention, um einfache Menschenrechte auch für Behinderte durchzusetzen. Dazu bedarf es lediglich einer guten Portion klaren Menschenverstandes, eines Stücks guten Willens und letztlich auch der Bereitstellung erforderlicher finanzieller Mittel.

Aber genau an letzterem Punkt scheiden sich oftmals die Geister. Was ist erforderlich und nötig, was sind übertriebene Wünsche? Hier laufen die Diskussionen im Einzelfall oftmals schon richtig heiss.

Dabei sollte klar sein, dass Behinderte zuerst Menschen und erst in zweiter Linie solche mit Handicap sind. Das vergessen viele Unternehmen genauso gern wie Betreiber privater Einrichtungen mit öffentlichem Angebot. Und selbst die öffentlichen Ämter und Behörden tun sich manchmal mit der vollständigen Gleichstellung und Akzeptanz der Behindertenrechte schwer. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass die Schweiz erst jetzt eine Konvention ratifiziert hat, die bereits 2006 verabschiedet wurde und 2008 in Kraft getreten ist.

 

Oberstes Bild: © val lawless – Shutterstock.com

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