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Unsinniger Fremdsprachenunterricht für Drittklässler – jetzt auch in Bern

11.08.2011 |  Von  |  News

Wenn am kommenden Montag im Kanton Bern das neue Schuljahr beginnt, steht für 8’000 Drittklässer im deutschsprachigen Kantonsteil eine wichtige Neuerung auf dem Stundenplan: Sie haben nun Französisch-Unterricht schon in der 3. statt in der 5. Klasse.

Vorgesehen sind drei Lektionen pro Woche. Rund 600 Lehrerinnen und Lehrer haben sich für Ihre neue Aufgabe in speziellen Kursen vorbereitet.

2004 entschied die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, den Fremdsprachenunterricht in der ganzen Schweiz bereits in der Volksschule beginnen zu lassen. Begründung: Der wachsenden Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen in der westlichen Gesellschaft solle Rechnung getragen werden. Während einige Kantone die Volksschüler Englisch lernen lassen, entschieden sich die sechs Passepartout-Kantone Bern, Freiburg, Wallis, Solothurn, Basel-Landschaft und Basel-Stadt für Frühfranzösisch. Dabei wird in Deutschfreiburg und dem Oberwallis schon lange ab der 3. Klasse Französisch unterrichtet.

Effekt? Null!

Stellt sich die Frage: Was bringt früher Fremdsprachenunterricht für die Kinder? Lernen die Kleinen wirklich so besser Englisch oder Französisch? Sind raschere Fortschritte in der Fremdsprache beim frühen Einstieg zu erwarten? Tatsächlich sind die Ergebnisse ernüchternd. „Der Effekt des Grundschulenglisch ist gleich null“, resümiert etwa Wolfgang Klein, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen.

Auch psycholinguistische Studien des Sprachwissenschaftlers Manfred Pienemann von der Universität Paderborn nähren Zweifel am Sinn des frühen Fremdsprachenunterrichts: Demnach sind deutsche Grundschulkinder nach zwei Jahren Englischunterricht mit zwei Wochenstunden auf dem Sprachlern-Niveau, das Fünftklässler im Gymnasium bereits nach einem Halbjahr mit fünf Stunden pro Woche erreichen.

Nachplappern statt kommunizieren

Die bescheidenen Resultate des frühen Fremdsprachunterrichts verwundern nicht, betrachtet man, wie dieser im Allgemeinen praktisch aussieht: In der Regel lässt man die Kinder einzelne Vokabeln oder auch mal kurze Sätze einfach nachplappern. Ein Verständnis von Struktur und Grammatik der Fremdsprache wird so natürlich nicht gefördert. Auf dem Weg dorthin, die Fremdsprache in Kommunikationssituationen anzuwenden, kommen die Volks- bzw. Grundschüler keinen bedeutsamen Schritt weiter.

Hinzu kommt, dass das Lehrpersonal für den frühen Fremdsprachenunterricht unzureichend ausgebildet ist. Vorbereitsungskurse ersetzen nun einmal kein vollwertiges Fremdsprachenstudium. Ein gutes Unterrichtsniveau ist damit nicht zu erwarten.

Tatsächlich geht es wohl einmal mehr darum, eine pädagogische Mode zu pflegen, ohne die Frage nach dem empirischen Nutzen zu stellen: Englisch und Französisch ab der dritten Klasse – das klingt modern und „trendy“. Auf diesen Zug springen Bildungspolitiker gerne auf, um sich als fortschrittlich zu profilieren. Ausbaden müssen es am Ende wieder einmal die Kinder.

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Titelbild: Monkey Business Images – shutterstock.com