Bus-Drama im Wallis: Wie konnte es dazu kommen?
von Agentur belmedia
Zwei Tage nach der Buskatastrophe im Wallis hält die Suche nach den Ursachen für das verheerende Unglück an. Am Dienstagabend war ein Reisecar mit zwei Schulklassen aus den belgischen Orten Heverlee und Lommel an Bord bei Siders gegen eine Tunnelwand geprallt. 28 Menschen starben, darunter 22 Kinder. 24 weitere Kinder wurden überwiegend schwer verletzt.
Alle 24 verletzten Personen sind inzwischen identifiziert worden, teilte das belgische Gesundheitsministerium am Mittwochabend in Brüssel mit. Vier Kinder schweben noch in Lebensgefahr. Drei schwer verletzte Kinder liegen derzeit im Uni-Spital Lausanne im Koma.
Gestern reisten 116 Angehörige in einem Airbus vom belgischen Melsbroeck aus nach Genf und weiter ins Wallis. Dort konnten die Eltern ihre verletzten Kinder in den Spitälern besuchen und den Unglücksort besichtigen. Den schwersten Gang ihres Lebens mussten die Angehörigen heute Morgen antreten: In der Leichenhalle in Sion nahmen sie Abschied von ihren toten Kindern. Dabei spielten sich erschütternde Szenen des Leids ab. Die belgische Regierung rief offizielle Staatstrauer aus.
Bus war nicht zu schnell, Anschnallgurte halfen nicht
Neben der Identifizierung der Toten konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf die Unglücksursachen. Auf einer Pressekonferenz mit Vertretern aus Belgien, den Niederlanden (im verunglückten Bus befanden sich auch neun Holländer) und der Schweiz gab Staatsanwalt Olivier Elsig Auskunft über den gegenwärtigen Ermittlungsstand.
Nach einer ersten Auswertung der Bilder des verunglückten Cars könne ein Fremdverschulden ausgeschlossen werden. Laut derzeitigem Erkenntnisstand sei das Fahrzeug auch nicht zu schnell gefahren. „Das muss ich mit aller Vorsicht sagen“, schob der Staatsanwalt hinterher. Die genaue Geschwindigkeit müsse erst noch anhand des Fahrtenschreibers bestimmt werden. Ein Problem mit der Strasse habe es ausserdem nicht gegeben. „Die Fahrbahn war trocken, es gab keine Hindernisse.“
Ob der Fahrer möglicherweise gesundheitliche Probleme hatte, soll eine Autopsie klären. Neben menschlichem Versagen wird ferner eine technische Störung des Busses geprüft. Der Bus war offenkundig relativ neu, der Fahrer sass erst 15 bis 20 Kilometer vor dem Unfallort am Steuer. Laut dem Gemeindepräsidenten von Anniviers, Simon Epiney, handelte es sich um einen erfahrenen Fahrer, der die Strecke gut kannte.
Besonders erschütternd am Unfallhergang sei, so der Staatsanwalt, dass die Anschnallgurte den Kindern keine Rettung boten. „Die Kinder sind angeschnallt gewesen, wurden aber durch den Aufprall losgerissen. Die Sitze wurden regelrecht durch die Heftigkeit des Aufpralls aus der Verankerung gerissen.“
Schwerwiegendes Sicherheitsproblem des Unglücktunnels?
Schliesslich drängt sich die Frage auf, ob der inzwischen gesperrte Unfalltunnel der A9 bei Siders Sicherheitsprobleme aufweist. Laut dem deutschen Autoclub ADAC erhielt der Unglückstunnel in einem Test 2005 die Note „gut“. „Der Tunnel hat alles, was für die Verkehrssicherheit notwendig ist“, sagte ADAC-Sprecherin Marion-Maxi Hartung gegenüber dem „Spiegel“.
Schwere Sicherheitsmängel attestiert dem Tunnel hingegen der Unfallexperte des Internationalen Bustouristik Verbands (RDA), Johannes Hübner. Er bemängelt vor allem das Fehlen von Leitplanken, die Schlimmeres verhindert hätten.
Nach gegenwärtiger Erkenntnis dürfte der Bus in einer langgezogenen Rechtskurve den Bordstein touchiert haben. Der Bordstein habe aber am Anfang einer Nothaltebucht plötzlich aufgehört, so Hübner. Dadurch habe der Bus wohl den Gegendruck des Kantsteins verloren. „Bevor man reagieren kann, sind die ersten 15 oder 20 Meter schon weg.“ Am Ende der Nothaltebucht sei der Bus dann wahrscheinlich etwa mit Tempo 50 gegen eine im rechten Winkel befindliche, massive Wand geprallt.
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