Steckt ein neonazistischer Ex-Soldat hinter Anschlägen in Frankreich?
von Agentur belmedia
Wer ist der flüchtige Killer auf dem Motorroller, der am Montag vor einer jüdischen Schule in Toulouse drei Kinder sowie einen Lehrer kaltblütig erschoss? Ein Gerücht besagt, es könnte sich um den Rachefeldzug eines neonazistischen Ex-Soldaten handeln.
Während Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen hat, versuchen Ermittler fieberhaft den Täter zu fassen, bevor er ein weiteres Mal zuschlägt.
Denn so wenig der Mörder bislang auch über sich verraten hat, so ist für die Ermittler doch eines klar: Offenbar hat Frankreich es mit einem Serien-Killer zu tun, der eine blutige Spur durch den Südwesten des Landes zieht. Binnen acht Tagen wurden in und um Toulouse mit ein und derselben Waffe vom Kaliber .45 drei Mordanschläge verübt. Neben den jüdischen Opfern tötete der „Roller-Killer“ drei Soldaten nordafrikanischer Abstammung, einen weiteren dunkelhäutigen Soldaten von der Karibikinsel Guadeloupe verletzte er schwer.
Die blutige Spur des „Roller-Killers“
Seine Mordserie beginnt der Unbekannte, der laut „Le Figaro“ mit einer kürzlich gestohlenen Yamaha T-Max unterwegs ist, am 11. März. An diesem Datum lockt der Killer sein erstes Opfer, einen 30-jährigen Unteroffizier mit arabischen Wurzeln, in einen tödlichen Hinterhalt. Der Soldat hatte über eine Annonce im Internet ein Motorrad zum Kauf angeboten und sich auf ein Treffen mit seinem späteren Mörder eingelassen. In Toulouse schoss der Rollerfahrer den Soldaten dann mit gezielten Schüssen nieder.
Am 15. März verübte der Unbekannte weiterhin einen Mordanschlag auf drei Fallschirmjäger in Montauban. Zwei Soldaten mit nordafrikanischen Wurzeln wurden dabei getötet. Ein weiterer dunkelhäutiger Soldat überlebte schwer verletzt – er schilderte die Tat später als eiskalte Hinrichtung. Die Ermordeten gehörten dem 17. Regiment der Fallschirmjäger an, das in Montauban stationiert ist und auch in Afghanistan eingesetzt wird.
Die unfassbar grausame Fortsetzung seiner Mordtaten lieferte der Täter am Montag vor der jüdischen Schule Ozar Hatorah in Toulouse. Kurz vor 8 Uhr raste er auf seinem Roller heran, stieg ab, ging dann auf das Schulgelände und schoss laut Zeugen aus mindestens zwei Pistolen wahllos auf Kinder und Erwachsene. Ein 30-jähriger Lehrer, seine beiden Kinder im Alter von vier und fünf Jahren sowie die siebenjährige Tochter des Schulleiters wurden erschossen, teilte das israelische Aussenministerium mit. Ein siebzehnjähriger Schüler überlebte mit schweren Verletzungen.
Der Täter – ein entlassener neonazistischer Ex-Soldat?
Wer steckt hinter dem Killer? Handelt es sich um einen rechtsradikalen Terroristen, der von rassistischem Hass angetrieben wird? In diese Richtung scheint – neben der Wahl der Opfer – eine erste heisse Spur zu weisen, die sich im Zusammenhang mit der zweiten Mordtat ergibt.
2008 wurde das 17. Fallschirmjägerregiment, dem die beiden in Montauban ermordeten Soldaten angehörten, von einem Skandal um drei neonazistische Truppenmitglieder erschüttert. Ihre rechtsradikalen Aktivitäten wurden von einem Mitglied des Regiments gemeldet. Die französische Zeitung „Le Point“ veröffentlichte ein Bild von den Dreien, auf dem sie vor einer Nazi-Fahne posieren. Schliesslich waren die besagten Soldaten aus der Elite-Truppe unehrenhaft entlassen worden. Eine These lautet nun, dass einer der entlassenen Soldaten einen blutigen Rachefeldzug gestartet haben könnte.
Die offenkundige Geübtheit des Täters im zielsicheren Umgang mit Schusswaffen würde ins Bild passen. Ausserdem will eine Zeugin ein Tattoo auf einer der Wangen des Todesschützen entdeckt haben, als dieser das Visier seines Motorradhelms kurz wegklappte. Auffällige Tätowierungen an Hals und Gesicht sollen auch die neonazistischen Ex-Soldaten gehabt haben.
Zwar kommt als Täter auch ein radikaler Islamist infrage, der Rache für Afghanistan und die Politik Israels nimmt. Doch weitere Indizien scheinen für rassistische Motive zu sprechen. So ist es möglicherweise kein Zufall, dass die Mordtaten um den 50. Jahrestag der Beendigung des Algerienkriegs herum verübt wurden. Für Frankreichs Neonazis ist die Entlassung Algeriens in die Unabhängigkeit ein Ereignis nationaler Schande.
Allerdings spricht auch ein Punkt gegen die These vom Neonazi-Täter: Von den ausländischen (arabischen) Wurzeln seines ersten Opfers konnte der Killer nämlich nichts gewusst haben, da in der Internet-Annonce Vor- und Nachname nicht genannt wurden, wie „Le Figaro“ berichtet. Der E-Mail-Verkehr mit dem ersten Mordopfer kann die Ermittler nun womöglich auf die Spur des Täters bringen, wenn es ihnen gelingt, dessen IP-Adresse zu ermitteln.
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