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Bettina Wündrich: „Einsame Spitze? Warum berufstätige Frauen glücklicher sind“

14.05.2012 |  Von  |  Beitrag

Karrierefrauen sind verbissene, geldgeile Egoistinnen, die sich für ein einsames, freudloses Leben ohne Kinder entschieden haben. Negativ-Klischees dieser Art kennt Bettina Wündrich nur zu gut. 20 Jahre lang arbeitete die erfolgreiche Journalistin in leitenden Positionen für grosse Magazine (u. a. „Glamour“). Während einer Auszeit hat sie ein Buch über das Thema „Frau und Karriere“ geschrieben, in dem sie genau solchen Vorbehalten entgegentritt. Titel: „Einsame Spitze? Warum berufstätige Frauen glücklicher sind.“

Zum Schlüsselerlebnis für das Buch wurde ein Abiturtreffen, bei dem sich die Absolventinnen eines Mädchengymnasiums nach 30 Jahren wiedersahen. An diesem Vormittag standen „unsere Lebensentwürfe auf dem Prüfstand“ (S. 6), schreibt die Autorin. Wündrich, die erfolgreiche Journalistin, hat eine Karriere vorzuweisen, aber kein Kind – und nicht mal einen Partner. Auf einmal sieht sie sich mit einem Negativ-Etikett behaftet: „Erfolgreich, einsam, kinderlos.“ (S. 6) Warum bloss hat sie keine Kinder bekommen, und warum war ihr der Erfolg im Beruf wichtiger? Darüber gibt Wündrich auf den folgenden Seiten ausführliche Auskunft.

Und genau dieser persönliche Ton ist eine Stärke des Buchs. Wündrich schreibt über sich selbst und stellt dar, warum ihr Lebensmodell für sie funktioniert. Die Befürchtung, dass hier eine Feministin ihr eigenes karriereorientiertes Lebensmodell zum Vorbild für alle anderen Frauen erhebt, bestätigt sich damit erfreulicherweise nicht. Denn in zitierten Gesprächen lässt die Autorin auch Frauen mit ganz anderen Lebensentwürfen zu Wort kommen. Zugleich plädiert Wündrich dafür, dass sich Frauen für ihr Lebensmodell nicht gegenseitig kritisieren sollten.

Karriere statt Kind: Der Beruf als Quelle der Erfüllung

Sie selbst als eine „von den Nachwirkungen der 68er und den Ausläufern des Feminismus“ (S. 25) geprägte Frau hatte stets den Wunsch nach Autonomie, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. Die Kinderlosigkeit lag in der Konsequenz. „Ich habe (…) für meinen Beruf auf meine Kinder verzichtet. Und das war für mich in Ordnung.“ (S. 229). Beides, Beruf und Kind, zu vereinen, hätte sie sich „nie zugetraut“ (S. 34).

Viel liegt der Autorin daran, mit dem „Märchen von der einsamen Karrierefrau“ (S.103) aufzuräumen. Wer für seine Karriere auf Kinder verzichtet, müsse deshalb nicht zwangsläufig unglücklich werden – denn schliesslich seien auch Kinder keine Garantie für Zufriedenheit und Glück.

Als wichtigste Quelle der Erfüllung nennt Wündrich den Beruf. Glück bedeutet dabei, eigene Ideen und persönliche Ziele zu verwirklichen und dafür Anerkennung zu bekommen. Sogar wichtiger als ein Partner scheint der Beruf für die Autorin zu sein: „Arbeit ist zuverlässiger als jeder Kerl.“ (S. 115) An einer Stelle schildert sie, wie ihre Beziehung an der Karriere scheiterte: „Zwischen ihm und mir stand der Job.“ (S. 113)

Doch ist dieses Loblied auf die Arbeit nicht viel zu einseitig? Gibt es nicht auch viele Berufe, die gerade mal zum Broterwerb taugen und in denen Erfüllung kaum möglich ist? Und kann Arbeit nicht auch krank machen? Die Autorin übersieht dies nicht. So schreibt sie auch über negative Auswirkungen einer Karriere, die zum „Hamsterrad“ (S. 175) wird.

Frauen sollen sich für verschiedene Lebensmodelle nicht kritisieren

Wündrich hält daher fest: „Frauen wollen Karriere. Aber auf ihre Art.“ (S. 171) Und eben nicht auf die Art, die von der männlich dominierten Arbeitswelt vorgegeben wird. So schildert Wündrich Fälle, in denen es Frauen durch eine selbstständige – und selbstbestimmte – Tätigkeit geschafft haben, Karriere zu machen und dabei auch Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Insofern bestätigt sich nicht, was die FAZ-Autorin Antje Schmelcher Wündrich vorwirft: dass karriereorientierte Frauen wie sie angepasste Erfüllungsgehilfinnen der Arbeitgeber seien. Denn schliesslich kritisiert Wündrich die Unternehmen gerade dafür, dass diese immer noch zu wenig Rücksicht auf Frauen und Männer (!) mit Kindern nehmen. Die Arbeitgeber fordert sie dazu auf, vieles zu ändern, damit Frauen und Männer Familie und Beruf künftig besser unter einen Hut bekommen können.

Bei aller berechtigten Kritik an bestehenden Vorurteilen gegenüber so genannten „Karrierefrauen“ gilt es aber auch die andere Seite zu nennen: die gesellschaftliche Geringschätzung der Leistung von Frauen, die sich ganz der Kindererziehung widmen und in der Rolle der Hausfrau und Mutter aufgehen. Fairerweise erinnert die Autorin daran, indem sie Beate, eine Vollzeitmutter, die sich selbst als „Familienmanagerin“ (S. 196) bezeichnet, zu Wort kommen lässt.

Fazit: Mehr Offenheit und Toleranz gegenüber unterschiedlichsten Lebensentwürfen von Frauen ist notwendig, egal ob sie kinderlose Berufstätige, nicht erwerbsstätige Mütter oder Mütter mit Vollzeit- oder Teilzeitjob sind. Es gibt kein allein richtiges Lebensmodell – alle haben ihre Berechtigung; Aufgabe der Gesellschaft ist es, diese Lebensmodelle prinzipiell zu ermöglichen und hierzu bestehende Hemnisse abzubauen. Positiv ist, dass Wündrichs Buch – geschrieben aus der Sicht einer karriereorientierten Frau – zum Blick über den Tellerrand im besten Fall einen Beitrag leisten kann.


Bettina Wündrich: Einsame Spitze? Warum berufstätige Frauen glücklicher sind
Rowohlt
Hardcover, 224 S.
15.07.2011
16,95 €
978-3-498-07380-0

 

Oberstes Bild: © Andy Dean Photography – shutterstock.com

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