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Migros und Israel: Wenn Fakten für Empörung sorgen…

01.06.2012 |  Von  |  News

Die Migros will bei israelischen Produkten Verbrauchertransparenz schaffen: Ab 2013 sollen Produkte aus den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten ausdrücklich deklariert werden. Eigentlich kein Anlass zur Aufregung. Doch für die Migros hagelt es Kritik – vor allem von der israelischen Botschaft.

Wer israelische Produkte – zum Beispiel Datteln – in der Migros kaufte, konnte bislang nicht feststellen, ob diese Produkte nicht aus den von Israel besiedelten palästinensischen Gebieten stammen. Künftig sollen Verbraucher hierüber aufgeklärt und informiert werden. Voraussichtlich ab 2013 weist die Migros besagte Produkte mit der präzisen Herkunftsbezeichnung „Westbank, israelisches Siedlungsgebiet“ oder „Gaza, israelisches Siedlungsgebiet“ aus.

Die Migros beruft sich hierbei auf internationales Recht. Der Schweizer Detailhändler stellt fest, dass die betreffenden Siedlungen (zum Beispiel in Westbank oder Gazastreifen) laut Einschätzungen der UNO und des Bundesrates völkerrechtswidrig sind. Ziel sei es, mit der präzisen Kennzeichnung für Transparenz zu sorgen. Die Entscheidung für oder gegen die Produkte liege bei den Kunden.

So weit, so gut: Die präzise Herkunft israelischer Produkte künftig korrekt auszuweisen, ist ebenso richtig wie eigentlich banal. Denn Güter aus palästinensischen Territorien, die ausserhalb des völkerrechtlich anerkannten israelischen Staatsgebiets liegen, stammen nun mal nicht „aus Israel“. Dies präzise auszuweisen, ist ein Gebot nüchterner Faktentreue. Die gleiche Differenzierung (zwecks Zollbehandlung) macht übrigens auch die offizielle Schweiz – aufgrund von Staatsverträgen mit Israel, wie die NZZ schreibt.

Israelische Botschaft spricht von „antiisraelischer Kampagne“

Normalerweise dürfte die Ausweisung simpler Fakten also kaum zu grosser Aufregung führen. Tut es hier aber doch, was das Erstaunliche ist. So wird das Vorhaben der Migros von der israelischen Botschaft in Bern in einer Stellungsnahme scharf verurteilt: Die Botschaft lehne jede Bestrebung ab, „einseitige, voreingenommene politische Kriterien festzusetzen, die Israel und dessen Produkte diskriminieren“. Weiter zeigt sich die Botschaft enttäuscht, dass die Migros sich an einer „antiisraelischen politischen Kampagne“ beteilige, „die darauf abzielt, Israel anzuschwärzen und schon im Voraus den zukünftigen Status der umstrittenen Gebiete [sic] festzulegen“.

Interessant ist, dass die israelische Botschaft eine präzise Herkunftsbezeichnung für israelische Güter bereits als „antiisraelisch“ einstuft. Höchst ärgerlich ist aber auch, dass der Tages-Anzeiger in dasselbe Horn stösst und sich damit zum Sprachrohr der israelischen Botschaft macht. So meint der Redaktor Bernhard Fischer, dass die Migros Israel „einen Stempel aufdrückt“. Die Herkunftsbezeichnung „Israelisches Siedlungsgebiet“ sei nicht neutral, das „Wörtchen“ „Siedlung“ sei ein „aufgeladener Begriff, der polarisiert“. Für die einen seien dies schliesslich „israelische Gemeinden“, die nach 1948 „unrechtmässig aufgegeben werden mussten“. Darauf hinzuweisen, dass die israelischen Siedlungen laut Einschätzung der UNO und des Bundesrates völkerrechtlich illegal sind, sei von der Migros ausserdem „nicht neutral“.

Kein Skandal, nirgends!

Die Kritik des Tages-Anzeigers an der Migros ist wirklich hanebüchen. Genau genommen wird hier nicht anderes gesagt, als dass die Migros bitteschön die Sichtweise Israels übernehmen soll – und nicht die Position des internationalen Völkerrechts. Beide Positionen stehen gegeneinander. So sind die aus völkerrechtlicher Sicht besetzten Gebiete für Israel lediglich „umstrittene Gebiete“, wie in der zitierten Pressemitteilung der israelischen Botschaft deutlich wird (siehe Hervorhebung).

Dass sich nun die Migros auf internationales Recht – und nicht auf Israel – beruft, ist absolut korrekt und verletzt die Neutralität in keiner Weise. Etwas anderes wäre es, würde die Migros einen Boykott israelischer Waren fordern. Dann würde der Detailhändler konkret politisch Stellung beziehen. Aber das geschieht hier ja gar nicht: Der Verbraucher kann künftig selbst entscheiden, ob er besagte Produkte kaufen will oder nicht. Die Entscheidung kann der Kunde deshalb treffen, da er in Zukunft über die tatsächliche Herkunft der Güter informiert werden soll. Wo war jetzt also noch mal der Stoff für Empörung?

 

Oberstes Bild: © Otto NormalverbraucherCC BY 2.5