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Holländische Banker müssen Schwur ableisten

12.02.2014 |  Von  |  News

Meilenstein für die Bankenzunft oder nur Marketing-Masche? Seit 1. Januar 2014 müssen Banker in den Niederlanden schwören, ihren Beruf ehrlich und zum Besten der Kunden auszuüben. Kann diese Massnahme verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen?

Von einer Vertrauenskrise des Bankensektors kann man ohne Wenn und Aber sprechen. Während in den Niederlanden 2008 noch 90 Prozent der Menschen den Banken vertrauten, ist dieser Wert binnen nicht einmal sechs Jahren auf 34 Prozent abgesackt. Schuld ist zweifellos die massive Finanzkrise, an der auch holländische Banken beteiligt waren.

Gut 100 Milliarden Euro musste der Steuerzahler allein in dem kleinen EU-Gründungsstaat berappen, um „systemrelevante“ Geldinstitute wie Fortis, ANG oder Aegon vor der Pleite zu bewahren. Aber auch andere Skandale, wie die Zinsmanipulationen der Rabobank-Gruppe, zurückbehaltene Vertriebsentschädigungen und individuelle Unterschlagungen von Bankmitarbeitern haben zu dem schlechten Image geführt, das die Banken jetzt haben.

Ein Eid mit Doppeleffekt

„Vertrauen zurückgewinnen“ lautet folglich die Devise der Banken. Gelingen soll das durch einen Eid, den alle 90’000 Angestellten des niederländischen Bankensektors leisten müssen – die Vorstände mussten vorlegen, bis Mitte des Jahres sollen alle anderen nachziehen. „Ich schwöre, dass ich mein Bestes tun werde, um das Vertrauen in den Finanzsektor zu erhalten und auszubauen. So wahr mir Gott helfe!“ lautet die Eidesformel, der Gottesbezug am Ende kann auf Wunsch auch weggelassen werden. Wer den Eid bricht, hat mit strengen Konsequenzen zu rechnen. Von Geldstrafen bis hin zur Entlassung ist einiges möglich. Binnen einen Jahres muss die jeweilige Bank die Disziplinarmassnahmen vollstreckt haben.

Die Idee, eine Berufssparte einen Eid schwören zu lassen, ist nicht neu. Ärzte leisten das Genfer Gelöbnis (eine Art Nachfolger des Hippokratischen Eids), mit dem sie schwören, nur zum Besten der Patienten zu handeln. Beamte müssen in der Regel auf die Verfassung des jeweiligen Staates, Landes oder Kantons schwören. Die Wirkung ist dabei stets eine doppelte: zum einen gibt es einen klaren rechtlichen Massstab, nach dem man grobes Fehlverhalten beurteilen kann, zum anderen stärkt es die innere Selbstverpflichtung des Schwörenden. So fanden Forscher in einer Studie heraus, dass Prüflinge, die vor der Prüfung ein „Nicht-Spicken“-Abkommen unterzeichneten, auch tatsächlich weniger Unterschleif betrieben.

Ein bisschen Marketing ist auch dabei

Bei genauerem Hinsehen steckt jedoch auch eine Menge Marketing-Schläue hinter der Idee des Banker-Eids. Denn entsprechende Vergehen werden sowieso nach dem Arbeitsrecht geahndet. Nur: Der Effekt auf die Kunden ist ein ganz anderer, wenn sie wissen, dass der Anzugträger ihnen gegenüber einen Schwur geleistet hat. Denn ein Schwur hat etwas Feierliches, das ein schnöder Vertrag oder ein Regelwerk nicht haben. Und er schafft Öffentlichkeit für ein Berufsethos, das sonst nur in kryptisch verfassten und den meisten nicht zugänglichen Gesetzen und Verordnungen versteckt ist.

Insofern kann man den niederländischen Bankenschwur nur begrüssen. Auch wenn er ein kleines bisschen heisse Luft ist: verschlechtern wird er die Situation jedenfalls nicht. Vielmehr bringt er in ein von kühlen Zahlen und individualistischer Arroganz nur so strotzendes Gewerbe wieder einen Aspekt der Würdigkeit, der Ehrenhaftigkeit und des Kollektivbewusstseins hinein. Wie sehr sich die Banker daran halten, bleibt abzuwarten. Für den holländische Finanzbranche und die Niederlande insgesamt ist die Einführung des Schwurs in jedem Fall ein wichtiger Schritt, auch unternehmerisch gesehen. Denn misstrauische Kunden wandern auf kurz oder lang ab, legen ihr Geld in Sachwerten an. Für die niederländische Volkswirtschaft haben die Banken jedoch eine ähnliche Bedeutung wie in der Schweiz. Möge Gott den Bankern helfen, sich stets an ihren Schwur zu erinnern.

 

Titelbild: © Alliance – Fotolia