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Krim-Krise gefährdet auch die Schweiz

09.04.2014 |  Von  |  Beitrag

Die bis vor wenigen Wochen ukrainische Krim ist mittlerweile ein Teil Russlands. In einem in modernen Industriestaaten so noch nicht gesehenen Handstreich hat sich Russland innerhalb weniger Tage die Halbinsel einverleibt.

Spannend bleibt nun, wie sich Russland gegenüber der Ostukraine verhält. Ebenso spannend bleibt aber auch, wie Europa, die USA und der Rest der Welt auf die Annexion russischer Interessengebiete reagieren wollen.

Die Verlautbarungen sind oftmals vollmundig, die politischen Realitäten und wirklichen Handlungsspielräume eher sparsam angelegt. Russland hat Europa sicher in der Hand. Nicht zuletzt wegen des hohen Anteils an der Gasversorgung, die vor allem der russische Staatskonzern Gazprom ermöglicht. Betroffen davon ist auch die Schweiz.

Wer bezahlt welchen Preis?


„Russland wird für die Krim einen Preis bezahlen müssen!“, droht der amerikanische Präsident Barack Obama und tut damit zugleich kund, dass die Krim bereits als an Russland verkauft zu betrachten ist. Die einfache Aufgabe der territorialen Integrität und der staatlichen Souveränität der Ukraine bezogen auf die Krim dokumentiert die Ohnmacht der Welt gegenüber dem Moloch Russland. Und das hat natürlich auch wirtschaftliche Gründe. Fast das komplette Europa ist auf Gaslieferungen aus Russland angewiesen und kann eine eventuell drohende Liefersperre für russisches Erdgas nicht einfach so kompensieren.

Hier zeigt sich, wie gefährlich langfristig gesehen Abhängigkeiten in der Energieversorgung sein können. Selbst bei der Umsetzung angedrohter wirtschaftlicher Sanktionen bleiben den Europäern und letztlich auch den Amerikanern die Hände gebunden. Hier werden es wohl nur zaghafte Schritte sein können, die gegangen werden. Den Preis für schärfere Sanktionen würde bei einer Zuspitzung der Situation nicht Russland, sondern Europa zahlen. Die Schweiz inklusive. Und letztlich vor allem die Verbraucher. Kurz- und mittelfristig ist mit einem politisch motivierten Anstieg der Gaspreise zu rechnen. Das wissen die Russen und lehnen sich selbstbewusst und entspannt zurück.


Russisches Gas als Druckmittel.

Russisches Gas als Druckmittel. (Bild: IgorGolovniov / Shutterstock.com)


Russisches Gas als Druckmittel

Die letztlich doch entspannte Haltung Russlands gegenüber der angedrohten und zaghaft in Gang gesetzten Sanktionen lässt sich einfach erklären. Dreht Russland den Gashahn zu, kommt Europa wirtschaftlich nicht unerheblich ins Schlingern. Darauf muss selbst die amerikanische Aussenpolitik gegenüber Putins Russland Rücksicht nehmen. Ganze 35 % der Gasversorgung Europas hängen an russischem Gas, das zu einem grossen Teil durch Pipelines über ukrainisches Gebiet nach Europa kommt. Für die Schweiz selbst sind es immerhin noch 26 %.

Russisches Gas ist also ein hervorragendes politisches Druckmittel, mit dem Putin ein gewisses Stillhalten der EU erzwingen kann. Wird der Gashahn in Richtung Europa zugedreht, betrifft das auch die Schweiz. Allerdings beträgt der Anteil an Gas für die Energieversorgung in der Schweiz lediglich 12 %. Der Verzicht darauf wäre schmerzhaft, aber letztlich vielleicht doch zu verkraften. Betroffen wäre hierzulande in keinem Fall die Stromversorgung, da Gas lediglich zum Heizen und für die Industrie eingesetzt wird.

Anders für viele Länder der EU. Die sind vom russischen Gas in mehrfacher Hinsicht abhängig. Selbst wenn etwa 65 Prozent des Eigenverbrauchs auch aus europäischer Förderung stammen, bedeutet der Verzicht auf ein Drittel der Gasmengen auch erhebliche Einschnitte in die Stromversorgung. Gas ist hier nämlich auch ein wichtiger Bestandteil der Stromerzeugung im Energiemix. Damit wird Europa quasi noch abhängiger vom russischen Erdgas.

Folgen von Sanktionen treffen Wirtschaft und Verbraucher

Erste Unternehmen ziehen sich vom russischen Markt zurück. Besonders exportstarke Länder wie Deutschland geben damit einen russischen Wachstumsmarkt auf, der in Europa als besonders lukrativ erschien. Das ist nicht nur die Folge angekündigter Sanktionen nach der Krim-Krise, sondern auch der erwarteten politischen Instabilität zu danken. Die Auswirkungen auf die Exportwirtschaft sind noch nicht wirklich absehbar.

Vorhersehbar hingegen sind Einschränkungen der Produktion in solchen Unternehmen, die sich in den vergangenen Jahren sehr stark in Russland und in der Ukraine engagiert haben. Das dürfte auch den einen oder anderen Arbeitsplatz in den betreffenden Firmen kosten. Damit gehen die Wirkungen von Sanktionen weit über die politische Abstrafung Russlands hinaus. Fühlen sich die Russen in die Enge getrieben, werden letztlich die Verbraucher in Europa abkassiert. Ein Lieferstopp von russischem Gas führt dann nämlich zu einer künstlichen Verknappung auf dem Energiemarkt und wird die Preise katapultartig nach oben schiessen lassen.

Ob sich das politisch und wirtschaftlich angeschlagene Staaten innerhalb der Europäischen Union leisten können, bleibt fraglich. Abzusehen ist, dass sich Europa aus wirtschaftlichen Erwägungen über kurz oder lang mit der Situation in Russland und in der Ukraine arrangieren muss. Das wissen auch die politischen Verantwortungsträger, die auch die weltpolitische Isolierung Russlands beispielsweise durch den Ausschluss vom G8-Gipfel nicht langfristig aufrechterhalten können.

Nach leisem Säbelrasseln und lautem politischen Geschwafel wird Russland letztlich wieder freie Hand in seiner eigenwilligen Einverleibungspolitik von russischen Enklaven bekommen. Schon allein deshalb, weil Russland so lange Druck auf die europäische Wirtschaft ausüben kann, wie die Länder westlich der russischen Grenzen vom Gazprom-Gas zu einem guten Teil abhängig sind.

Die Sonderrolle der Schweiz lässt sich hier sicherlich für politische Vermittlertätigkeiten nutzen, ändert aber letztlich nichts daran, dass Europa in den nächsten Jahren neue Unabhängigkeit von Putins Russland finden muss. Die Abkehr von energiepolitischen Abhängigkeiten von Nicht-EU-Staaten wäre ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung.

 

Oberstes Bild: © photo.ua / Shutterstock

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