Eugene Kaspersky: Cyberkrieg ist nur einen Schritt entfernt

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt tobt im Internet ein regelrechter Cyberkrieg. Noch sind die physischen Schäden gering, doch die technischen Möglichkeiten für grössere Attacken sind längst da.

Eugene Kaspersky ist der Gründer der bekannten Moskauer IT-Sicherheitsfirma Kaspersky. Sie ist unter anderem dafür bekannt, die hochwertigste Anti-Viren-Software der Welt herzustellen. MIT Technology Review sprach mit Kaspersky über die grössten Bedrohungen in der digitalen Welt.

Vor vier Jahren geschah etwas, das aus einem Science-Fiction-Thriller entsprungen zu sein scheint: Hacker drangen in iranische Atomanlagen ein und beschädigten Zentrifugen, die der Urananreicherung dienen. „Stuxnet“ hiess die Schadsoftware, mit der vermutlich amerikanische und israelische Agenten die Computernetze infiltrierten. In der Folge ging die Angst vor einem regelrechten Cyberkrieg um, mit dem Super-GAU-Szenario von per Mausklick abgeschossenen Atomraketen.

Doch seitdem hat Kasperskys Forschungslabor Kaspersky Labs keine solchen Angriffe mehr registriert. Was nicht heisst, dass Ruhe eingekehrt ist, sagt Eugene Kaspersky. Die Angriffe seien weitergegangen, so der IT-Experte gegenüber MIT Technology Review. Zwar seien „nur“ IT-Systeme attackiert worden, wie z.B. die von Saudi Aramco. Doch in Russland seien durch Hackerangriffe bereits Radarkameras der Polizei ausgeschaltet worden. Dass auch schwerwiegendere Schäden auftreten können, ist für ihn nur eine Frage der Zeit. „Genauso, wie das Auftauchen möglicher Schadsoftware für Smartphones nur eine Frage der Zeit war: Jetzt haben wir sie.“

Cyberkrieg im Ukraine-Konflikt

Kaspersky ging auch darauf ein, welche Hackeraktivitäten im Ukraine-Konflikt beteiligt waren. Seinen Angaben zufolge erfolgten Attacken auf Banken, Medien und politische Gegner. Stets seien die Verursacher aber „Hacktivisten“ gewesen – „kriminelle Patrioten“, wie Kaspersky es ausdrückt. Regierungen beider Staaten sind seiner Meinung nach nicht involviert gewesen, sonst wäre der Schaden grösser gewesen, wie etwa ein Internet-Blackout. Warum in dem sonst recht scharf geführten Konflikt keine schlimmeren Dinge auf digitaler Ebene passiert seien, darauf weiss auch der Experte keine Antwort.

Das Internet der Dinge – Biotop für die nächste Trojaner-Welle?

Laut Kaspersky bewegen sich die Bemühungen von Cyberkriminellen und amtlichen Spionen immer stärker Richtung mobiles Segment. Als zweite grosse Strömung macht er das Infiltrieren gewöhnlicher Geschäftsabläufe durch Hacker aus. Das könnte z.B. so aussehen: Eine Gang manipuliert die Computersysteme einer Verladestation so, dass diese einen Diebstahl von Kohle nicht anzeigen. Das ermöglicht der Bande, den fossilen Rohstoff in grösseren Mengen abzuzweigen.

Generell macht Kaspersky darauf aufmerksam, dass auch kriminelle Hacker wirtschaftlich denken. Wo lässt sich der grösste Profit erreichen? Derzeit seien die Kriminellen mit den beiden grossen Betriebssystemen Windows und Android zufrieden, sollte ihnen aber dort die Arbeit ausgehen, wären auch Macs, Linux-Rechner und BlackBerry-Smartphones nicht mehr sicher.

Zugleich gibt Kaspersky Entwarnung, was eine unnötige Panik angeht. Smart Homes, also vernetzte Häuser, stellen zwar ein Sicherheitsrisiko dar; doch müsse man sich fragen, welchen Nutzen Hacker von bestimmten Zugriffen hätten. Für die Temperatur im Kühlschrank oder dessen Füllstand interessierten sie sich wahrscheinlich weniger, falls das Gerät jedoch über einen Kreditkartenleser verfüge, mit dem man online einkaufen kann, könne es wieder interessant werden.

 

Titelbild: Sangoiri / shutterstock.com

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