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Internetzensur im Iran – eine Mahnung für den Westen?

14.05.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]Dass der Iran nicht unbedingt als Land der freien Meinungsäusserung gelten kann, dürfte seit den (angeblich temporären) Sperren von Google, YouTube, Facebook und allerlei anderer Dienste kein Geheimnis sein. Nun sollte sogar die Nutzung von WhatsApp unter Strafe gestellt werden – aber es gibt Gegenwind aus Regierungskreisen.

Kein WhatsApp für den Iran?

Der Iran verfügt über eine Behörde, welche für Internetkriminalität zuständig ist, technische Möglichkeiten für die Sperrung diverser Dienste sind also in grossem Umfang vorhanden. Ausnutzen wollte diese Macht Abolsamad Chorramabadi, Leiter jener Institution. Seine Begründung ist ebenso einfach wie haarsträubend: Da WhatsApp vor kurzer Zeit von Facebook gekauft wurde und dessen CEO Mark Zuckerberg Jude ist (oder wortwörtlich: ein „amerikanischer Zionist“), dürfe WhatsApp nicht mehr verwendet werden.

Chorramabadi ist dabei jedoch kein unbeschriebenes Blatt: In der Vergangenheit fiel er häufiger durch selbst für islamische Verhältnisse sehr strikte Zensur auf, die ihm nicht nur Freunde eingebracht hat. Sein Verbot von WhatsApp hatte daher nicht lange Bestand: Das Kommunikationsministerium, welches von Vertrauten des derzeitigen iranischen Präsidenten Hassan Rohani geleitet wird, legte umgehend ein Veto ein. Offenbar ist dem recht offenen Rohani kein Thema zu klein, denn er selbst hatte die Aufhebung der vorübergehenden Sperre angeordnet.

Mahnung für die westliche Welt

Ein Fehler wäre es, die Entwicklung im Iran als für Europa irrelevant abzutun. Auch hierzulande gibt es Zensur, und die dortigen Auswüchse dieser Pläne können nur als Mahnung verstanden werden. Auch im Iran selbst ist man sich derzeit unsicher, was die politische Lage betrifft: Hardliner werfen Rohani vor, in praktisch allen Dingen zu moderat und nachgiebig zu handeln – was bei vergleichsweise harmlosen Applikationen wie WhatsApp anfängt und erst bei internationalen Atomwaffengesprächen aufhört. Auch in der Bevölkerung wächst Widerstand gegen den aus unserer Sicht positiven Kurs.

Wohin Herr Rohani das Land denn führe, wurde auf einer Konferenz vor einer Woche gefragt. Die Fragen kommen dabei nicht nur aus den Mündern unbedarfter Zivilisten: Parlamentsabgeordnete liessen ihren Bedenken auf dem Event unter dem Titel „Wir sind besorgt“ freien Lauf.

Recht nüchtern reagierte darauf jedoch der Präsident. Wer Sanktionen gegen einen der Führer des iranischen Volkes wünsche, solle ihm erklären, warum das der Fall sein müsse. Von religiös verblendeten Idealen wolle er nichts wissen. Innerhalb des Iran gilt Rohani durchaus als politisches Schwergewicht – aber gleichzeitig ist er nur eine Bastion in einem System aus mehreren Machthabern.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]

Welt mit zwei Gesichtern. (Bild: Bruce Rolff / Shutterstock.com)

Welt mit zwei Gesichtern. (Bild: Bruce Rolff / Shutterstock.com)

[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Welt mit zwei Gesichtern

Ob die Internetsperren im Iran überhaupt zielführend sind, darf unterdessen gerne infrage gestellt werden. Rohani selbst legt sich praktisch täglich mit der staatlichen Internetpolizei an, Verbote ignoriert er einfach komplett. Beispielsweise sind Facebook und Twitter in dem Land noch immer gesperrt (was natürlich viele Iraner nicht daran hindert, die Portale über Umwege dennoch zu erreichen). Rohani selbst möchte diese Sperrung auch so schnell wie möglich aufheben – und bis dahin nutzt er die Dienste einfach trotzdem. Öffentlich redet er über die Nutzung der Dienste und twittert praktisch täglich, andere ihm vertraute Minister folgen seinem Beispiel. Ob sich eine Zensur unter diesen Umständen über längere Zeiträume durchsetzen lässt, ist höchst fraglich.

Das Internet ist jedoch nur eine der Baustellen: Die strengen internationalen Sanktionen gegen den Iran möchte Rohani lockern, aber dafür ist ein Umdenken in der Gesellschaft erforderlich, und auch der Streit um die Nutzung der atomaren Mittel des Iran muss beigelegt werden. Dann – so Rohani – werde der versprochene wirtschaftliche Aufschwung kommen. Jenes Versprechen hat es dem Präsidenten überhaupt erst ermöglicht, bei den letzten Wahlen an die Macht zu kommen.

Tauziehen zwischen den Parteien

Bis dahin dürfte es aber noch ein recht weiter Weg sein. Bislang konnte der Präsident zum Beispiel einige politische Gefangene befreien, darunter auch lokal prominente Gesichter. Das hat den internationalen Blick auf das Land tatsächlich etwas entschärft. Gleichzeitig ändert das jedoch nichts daran, dass Gefangene noch immer unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Gefängnissen des Landes einsitzen – aufgrund teilweise banaler Vergehen. Ein Land, das Menschen aufgrund einer unpassenden Meinung einsperrt, wird es im internationalen Wirtschaftsverkehr nicht leicht haben.

Das weiss auch Rohani und bittet daher um die Unterstützung der Bevölkerung – und diese nutzt natürlich ausgiebig Facebook, Twitter und nun auch wieder WhatsApp, um sich zu organisieren. Dies ist weiterhin ein schönes Beispiel für die Macht der Bevölkerung über die Regierung: Zwar steht die Nutzung der Dienste unter Strafe – aber wie kann ein Staat Millionen von Bürgern bestrafen? Die Plätze in Strafvollzugsanstalten sind gefüllt, finanzielle Strafen haben bei vielen Mitgliedern der armen Bevölkerung kaum eine Drohwirkung. Es mag nur eine Frage der Zeit sein, aber auch im Iran wird es früher oder später wieder ein freies Internet geben – und wir sollten darauf achten, unseres zu behalten.

 

Oberstes Bild: © Kheng Guan Toh – Shutterstock.com

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