DE | FR | IT

Karies – wenn die Zähne den sozialen Status verraten

20.08.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column][vc_column_text]„Zeig mir deine Zähne, und ich sage dir, ob du arm bist.“ Diese Aussage konnte man früher nicht nur auf dem Lande hören. Auch wenn dieser Missstand in der Schweiz und den anderen industrialisierten Ländern Europas eigentlich der Vergangenheit angehören sollte, so steckt doch immer noch viel Wahrheit dahinter. Allerdings sind heutzutage nicht etwa Geldprobleme der Grund für schlechte Zähne, sondern fehlendes Wissen und ein Mangel an Eigenverantwortung.

Durch weitere Aufklärungsaktionen über Mundhygiene hoffen Mediziner nun, diese Wissenslücken bei den Betroffenen zu schliessen und sie dadurch anzuspornen, mehr auf sich selbst zu achten. Bereits früher brachten solche Aufklärungsprogramme grosse Erfolge. So konnte in den letzten fünfzig Jahren bei Kindern und Jugendlichen ein Kariesrückgang von rund 90 % verzeichnet werden. Fanden sich beispielsweise im Kanton Zürich damals bei jedem 14-Jährigen im Schnitt 12,5 Zähne, die entweder Löcher hatten, repariert waren oder sogar gänzlich fehlten, so konnte diese Zahl bis zum Jahr 2009 auf 1,3 Zähne gesenkt werden.

In letzter Zeit vermelden Zahnärzte allerdings eine starke Polarisierung beim Kariesbefall. So hätten Erwachsene und Kinder aus unteren Schichten im Allgemeinen schlechtere Zähne als der Rest der Bevölkerung. Es scheint also, dass Zahnschmerzen und Löcher nach wie vor einen Rückschluss auf den sozialen und finanziellen Status zulassen.

Unterschiede werden immer grösser

Gerade in den sogenannten Problemquartieren der Grossstädte treten die Unterschiede deutlich zutage. Dort finden sich bei Kindern aus den unteren Schichten oft bis zu zweimal mehr löchrige, reparierte oder fehlende Zähne als bei gleichaltrigen Kindern aus den oberen Schichten. Zudem konnte bei Kindern aus bessergestellten Familien in den letzten zehn Jahren eine kontinuierliche Verbesserung der Zahngesundheit verzeichnet werden, wohingegen sie sich bei den anderen Kindern kaum verändert hat.

In der Schweiz haben Kinder und Erwachsene insgesamt eine gute Zahngesundheit. Aber auch hierzulande lässt sich ein deutlicher Unterschied zwischen Schweizern aus der Mittel- und Oberschicht und denjenigen aus einkommensschwachen, bildungsfernen oder Haushalten mit Migrationshintergrund feststellen, so Giorgio Menghini vom Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Zürich.

Die Ursachen für diese Unterschiede sind laut Experten teilweise die Gleichen wie vor fünfzig Jahren. Allen Kampagnen zum Trotz greifen Angehörige der unteren Schichten immer noch seltener zur Zahnbürste als andere Personen und sie gehen auch weniger oft zur Kontrolle beim Zahnarzt. Geldmangel ist allerdings in den wenigsten Fällen verantwortlich für dieses Verhalten. Vielmehr fehlt den Betroffenen das entsprechende Wissen über die Massnahmen, die zum Erhalt der eigenen Gesundheit notwendig sind. Zudem besitzt die Vorsorge in den unteren Schichten einen deutlich geringeren Stellenwert als in einkommensstarken und gebildeten Haushalten.

Die Situation für Migranten ist noch schwieriger. Vielen von ihnen fehlt nicht nur das Wissen über die Wichtigkeit einer adäquaten Vorsorge, sondern die Sprachbarriere verhindert auch, dass sie sich dieses aneignen können. Bei den Nachkommen von Migranten wird das Gesundheitsbewusstsein allerdings von Generation zu Generation stärker und gleicht sich mit der Zeit dem im jeweiligen Land herrschenden Standard an.

Die Anzahl kariöser Zähne entspricht zwar heutzutage in den westlichen Industrieländern längst nicht mehr der von vor fünfzig Jahren, Experten sehen aber trotzdem konkreten Handlungsbedarf. Ein Beweggrund ist der Umstand, dass gerade Kinder nicht unter vermeidbaren Zahnschmerzen leiden sollten. Ein anderer ist die Tatsache, dass gesunde und schöne Zähne heutzutage im Berufsleben wichtiger sind als je zuvor.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]

Auf die richtige Ernährung kommt es an. (Bild: Warren Goldswain / Shutterstock.com)

Auf die richtige Ernährung kommt es an. (Bild: Warren Goldswain / Shutterstock.com)

[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Auf die richtige Ernährung kommt es an

Den Hauptgrund für einen vermehrten Aufklärungsbedarf sehen die Experten aber im mangelnden Wissen über die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung. Kariöse Zähne sind nämlich nicht nur die Folge von schlechtem Putzverhalten, sondern auch von einer zucker- und kohlehydratreichen Ernährung. Diesen Zusammenhang möchte man nun in grösserem Umfang vermitteln und dadurch nicht nur die Zahngesundheit verbessern, sondern auch das Bewusstsein für einen gesünderen Ernährungsstil wecken. Sollte diese Taktik erfolgreich sein, hätte man nicht nur den Kariesbefall in der Bevölkerung vermindert, sondern auch etwas gegen das grassierende Übergewicht getan.

Ob sich diese Hoffnungen allerdings erfüllen werden, ist mehr als fraglich. Schliesslich müssen zur Verminderung von Übergewicht gleich mehrere schlechte Gewohnheiten auf einmal abgelegt oder verändert werden. Die Erfolgsaussichten dafür sind deutlich geringer und verlangen einen grösseren Teil an Eigeninitiative als das zweimal tägliche Putzen der Zähne. Versuchen sollte man es nach Aussage der Experten aber auf jeden Fall, da Übergewicht nicht nur ein schwerwiegendes Problem für die Gesellschaft, sondern auch für die Betroffenen darstellt.

Kinder müssen von klein auf einen gesunden Lebensstil erlernen

Fest steht für die Experten, dass diese Kampagne direkt vor Ort und im persönlichen Gespräch durchgeführt werden muss. Ein blosses Verteilen von Hochglanzbroschüren würde bei der anvisierten Zielgruppe nur geringe Aussichten auf Erfolg bringen, da die Menschen aus den unteren Schichten wenig lesen und die heile Welt auf Hochglanzfotos nicht als brauchbares Vorbild für ihre derzeitigen Lebensumstände sehen würden, so die Experten. Zudem sollte den Kindern in Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen bereits von klein auf ein gesundes Leben vorgelebt und die Wichtigkeit eines solchen erklärt werden.

 

Oberstes Bild: © milosljubicic – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

[xcatlist name="beitrag" numberposts=24 thumbnail=yes]