Schulnoten auf dem Prüfstand
von Olaf Hoffmann
Bereits vor den Sommerferien hat die Diskussion um die Schulnoten in der Schweiz an Fahrt aufgenommen. Mit dem Konzept Lehrplan 21 sind auch die schulischen Bewertungssysteme erneut unter Beschuss geraten. Grund dafür sind nicht nur die kantonalen Regelungen, sondern vor allem auch der Bedarf der Wirtschaft, die bereits im Bewerbungsprozedere klare und nachvollziehbare Bewertungen verlangt.
Dagegen sprechen sich Vertreter des Dachverbandes der Lehrer und Lehrerinnen für mehr Bewertungen statt nur blosser Schulnoten aus. Damit soll unabhängig von den Zahlenwerten der Schulnoten klarer werden, wann Schüler bestimmte Kompetenzen erworben haben.
Nationale Regelung erforderlich
Nicht zu überhören sind die Stimmen, die vor allem in der Benotung und Beurteilung schulischer Leistungen und erworbener Kompetenzen eine einheitliche statt der bisher kantonalen Regelung einfordern. Immerhin sei es eine Tatsache, dass sich Schulabgänger nicht nur regional, sondern zunehmend auch landesweit um die besten Lehrstellen bewerben. Dem käme eine einheitliche Regelung zu den Bewertungssystemen in der Schule durchaus entgegen.
Unternehmen und Schüler wollen Noten statt schwammiger Worturteile
Während ein grosser Teil der Lehrerschaft mehr Worturteile zu erreichten Kompetenzen fordert, bleiben sowohl die Unternehmen als auch die Schüler selbst den bewährten Beurteilungen auf der Grundlage von Schulnoten treu. Besonders für die Wirtschaft sei es wichtig, dass klare Massstäbe statt eines ausschweifenden Geschwafels in der Leistungsbeurteilung die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler nachweisen. Und auch die Schüler selbst wollen benotet werden. Immerhin sind Schulnoten ein klarer Ausdruck dafür, wie Leistungen einzuordnen sind. Worturteile hingegen unterliegen oftmals einer sehr weiten Auslegbarkeit, die sowohl den Schülern und deren Eltern als auch den Ausbildungsunternehmen zu viele Interpretationsspielräume offen lassen.
Der Lehrer- und Lehrerinnenverband hingegen verweist darauf, dass anhand einfacher Schulnoten nicht ersichtlich sei, wann bestimmte Kompetenzen als erreicht gelten. Dabei grenzt sich der Verband von einer reinen Notendiskussion ab. Es gehe nicht darum, die Noten an sich abzuschaffen, sondern die Bewertungssysteme so zu erweitern, dass klarere Aussagen möglich werden.
Dem kann zum Teil zugestimmt werden. Sowohl für Unternehmen als auch für weiterführende Schulen oder die Eltern ist anhand des Notenspiegels allein nämlich kaum erkennbar, ob erforderliche Kompetenzen bereits erreicht sind. Trifft das dann erst bei Bestnoten zu oder kann eine durchschnittliche Notenbewertung auch schon ein Signal dafür sein, dass Kompetenzen ausreichend vorhanden sind?
Mit Sicherheit wird diese Diskussion mit dem neuen Schuljahr neue Nahrung erhalten. Für eine schlussendliche Klärung scheint es aber dennoch erforderlich, den kantonalen Stolz einiger Bildungspolitiker abzulegen und zunächst landeseinheitliche Bewertungskriterien auch in der Vergabe von Schulnoten einzuführen. Damit wäre dann zumindest ein erster Schritt in der schulpolitischen Diskussion getan.
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