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Mehrwertsteuer-Einheitssatz – Einigung in weiter Ferne

05.09.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Das Ärgernis Mehrwertsteuer liefert seit vielen Jahren immer wieder neuen Zündstoff für hitzige Diskussionen. Die aktuelle und viel diskutierte Gastrosuisse-Initiative stellt dabei nur die jüngste Episode im ewigen Kampf zwischen Politik, Unternehmen und Verbrauchern dar. Dabei liesse sich das Debakel leicht durch einen Mehrwertsteuer-Einheitssatz aus der Welt schaffen. Diese Lösung hat sich bisher allerdings als politisch chancenlos erwiesen.

„Schluss mit der Mehrwertsteuer-Diskriminierung des Gastgewerbes“, fordert Gastrosuisse mit seiner aktuellen Volksinitiative, über die am 28. September abgestimmt wird. Der Verband möchte erreichen, dass der aktuell für Restaurants gültige Mehrwertsteuersatz an den niedrigeren Satz für Lebensmittel angepasst wird. Auch wenn es sich hier um eine Einzelinteressen-Initiative handelt, so weist sie doch auf das grundlegende Problem hin, denn die Mehrwertsteuer in der Schweiz ist voll von Problemen.

Die Zähmung des „Monsters“

Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Seit die veraltete Warenumsatzsteuer im Jahr 1995 von der Mehrwertsteuer abgelöst wurde, häufen sich die Klagen darüber, dass die Steuer ineffizient, aufwendig und unfair sei. Viele Unternehmen sehen in ihr sogar die grösste administrative Belastung, mit der sie täglich zu kämpfen haben. Insgesamt existieren über tausend Seiten an Wegleitungen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich im Mehrwertsteuergesetz einer der berüchtigtsten Artikel in der gesamten Gesetzessammlung des Bundes findet. Gemeint ist der Artikel 21, in dem die beinahe dreissig Steuerausnahmen detailliert abgehandelt werden.

Aus den unterschiedlichen Steuersätzen, die im besagten Artikel aufgelistet sind, ergeben sich mitunter allerdings groteske Abgrenzungsprobleme. Der Fall des berühmten Kinder Ü-Eis landete sogar vor dem Bundesgericht: Dort sollte geklärt werden, ob das Ei unter den tiefsten Steuersatz (wegen der Schokolade) oder unter den höchsten Steuersatz (wegen des enthaltenen Spielzeugs) fallen würde.

Im Jahr 2005 versuchte der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz, dieses „bürokratische Monster“ zu bändigen. Zusammen mit dem Bundesrat wollte er die drei Sätze zu einem einzigen zusammenfassen und fast alle Ausnahmen abschaffen. Das Thema Ausnahmen stellte sich allerdings als unüberwindbare Hürde dar, denn bekanntlich verbirgt sich hinter jeder Ausnahme eine Lobby. So kam es dann auch, dass Merz im Jahr 2011 mit seinem Vorhaben im Parlament Schiffbruch erlitt. Das Paket wurde vom Nationalrat an die Regierung zurückgeschickt mit dem Auftrag, ein Zwei-Satz-Modell auszuarbeiten, welches zudem die meisten Ausnahmen beibehalten würde.

Einzig die FDP und die Grünliberalen waren für den Einheitssatz. Aus den Reihen der SP sowie den Vertretern der CVP kam dagegen heftige Kritik: Die Steuerreform sei eine „Totgeburt“ und würde an ein „Luftschloss“ erinnern. Selbst die SVP verweigerte der Reform ihre Unterstützung, denn sie warf ihr vor, dass sie Luxus verbilligen und Brot verteuern würde.

Luxus wird subventioniert

Wie dieser Vorwurf zeigt, ist das sozialpolitische Element einer der grössten Stolpersteine bei der Reform der Mehrwertsteuer. Da der Staat durch die Progression bei den direkten Steuern eine soziale Staffelung vornimmt, wird dies nämlich bei den indirekten Steuern ebenfalls erwartet, obwohl sich diese denkbar schlecht dafür eignen. Das zeigt sich schon an den unzähligen privilegierten Lebensmitteln, die bereits zu Kriegszeiten eingeführt wurden. „Luxus“ ist heutzutage aber längst nicht mehr einfach alles, was sich nicht essen lässt – auch das Bus-Billett des Arbeitgebers und die Schuhe werden überdurchschnittlich besteuert. Der dadurch erzielte Zusatzertrag subventioniert aber nicht nur Brot, sondern auch die Luxusgüter der Oberschicht. Es zeigt sich also, dass die gewünschte Umverteilung einen viel zu chaotischen Charakter hat, als dass sie ausnahmslos dem Gefälle von Reich zu Arm folgen würde.

Nachdem der geforderte Einheitssatz erst einmal abgelehnt worden war, dauerte es nicht lange, bis die Parlamentarier auch von der Sinn- und Nutzlosigkeit des Zwei-Satz-Modells überzeugt waren. So wurde das Vorhaben auch im Sommer letzten Jahres endgültig begraben. In der Zwischenzeit beharrten die Wirte allerdings auf ihrer Volksinitiative, die sie bereits im Jahr 2011 eingereicht hatten. So wurde in Bern wieder damit begonnen, am bestehenden System herumzubasteln, um eine Gleichbehandlung von Take-away-Betrieben und Restaurants zu erreichen. Im Verlauf dieses Prozesses tauchten immer wieder neue Kuriositäten auf, wie beispielsweise der Ansatz, den Steuersatz an der Temperatur der Speisen festzumachen. An die naheliegende Möglichkeit eines einheitlichen Steuersatzes dachte zu diesem Zeitpunkt hingegen keiner mehr.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]

In Bern wurde wieder damit begonnen, am bestehenden System herumzubasteln, um eine Gleichbehandlung von Take-away-Betrieben und Restaurants zu erreichen. (Bild: jabiru / Shutterstock.com)

In Bern wurde wieder damit begonnen, am bestehenden System herumzubasteln, um eine Gleichbehandlung von Take-away-Betrieben und Restaurants zu erreichen. (Bild: jabiru / Shutterstock.com)

[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Vorbild Neuseeland

Wie andere Länder beweisen, ist ein einheitlicher Satz nicht nur utopisches Wunschdenken. Innerhalb Europas ist die Schweiz mit ihrem verwirrenden System zwar in guter Gesellschaft und schneidet im Vergleich zu ihrer Nachbarschaft noch relativ vorteilhaft ab, dennoch leidet das System an den gleichen Mängeln, die auch diejenigen der restlichen EU-Staaten aufweisen.

Vorbildliche und zukunftsweisende Systeme vom „Neue Welt“-Typus finden sich dagegen in Ländern wie Australien, Neuseeland und Kanada. Die Mehrwertsteuersysteme dort sind meist jünger und den antiquierten europäischen Systemen weit überlegen. Als bestes System wird das neuseeländische angesehen, da es aus einem einheitlichen Satz besteht und lediglich Finanzdienstleistungen und Wohnungsmieten von der Steuer ausnimmt.

Angesichts der manifesten Widerstände scheint die Etablierung eines derart wegweisenden Systems in der Schweiz allerdings noch in weiter Ferne zu liegen. Solange aber nur am bestehenden System herumgedoktert wird, werden die Beschwerden über Bürokratie und Diskriminierung nicht weniger werden. Es spielt daher im Endeffekt keine grosse Rolle, wie die Abstimmung im September ausgehen wird.

 

Oberstes Bild: © B Calkins – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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