Preischaos in Zürcher Apotheken

In Zürcher Apotheken herrscht ein Preischaos, bei dem sich kaum noch jemand zurechtfindet. Oft wundern sich Kunden, wenn ein und dasselbe Medikament in der einen Apotheke fast 20 Franken kostet, während es nur wenige hundert Meter weiter in der nächsten Apotheke für knapp 14 Franken erhältlich ist. Besucht man noch weitere Pharmaziegeschäfte, zeigt sich, dass praktisch überall ein anderer Preis verlangt wird.

Besucht man die Apotheken allerdings zwei Wochen später erneut, dann kostet das Medikament in der zuvor teuersten Apotheke plötzlich kaum mehr als in der günstigsten. Das führt dazu, dass in Zürich an jedem beliebigen Tag Preisunterschiede von bis zu 40 % zu verzeichnen sind. Viele Kunden fragen sich da berechtigterweise, wie diese enormen Preisunterschiede zustande kommen.

Für Nichteingeweihte sind die Preise der Apotheken ein Buch mit sieben Siegeln. Licht in dieses Preiswirrwarr, das an die schwankenden Kurse der Börse erinnert, zu bringen, scheint praktisch unmöglich zu sein. Denn die Margen werden nach Kriterien und Gesichtspunkten festgelegt, die für den Laien kaum einen Sinn ergeben.

Vollkommene Freiheit bei der Preisgestaltung

Im Allgemeinen wird zwischen rezeptfreien und rezeptpflichtigen Medikamenten unterschieden. Im Vergleich zu den nicht rezeptpflichtigen Medikamenten gilt für die rezeptpflichtigen nämlich ein Höchstpreis, der von den Krankenkassen vergütet wird. Diese Regelung wurde vom Bundesrat festgelegt, um die steigenden Kosten im Gesundheitswesen einzudämmen.

Dagegen haben die Apotheker bei rezeptfreien Medikamenten die vollkommene Freiheit in der Preisgestaltung. Preise und Margen werden individuell berechnet, wobei eine Software den Apothekern unter die Arme greift. Das ist auch unumgänglich, denn alle zwei bis vier Wochen werden die Einkaufspreise von 200 bis 300 Medikamenten durch die Medikamentenhersteller neu festgelegt, erklärt Lorenz Schmid, Präsident des Kantonalen Apothekerverbands (AVKZ). Bei rund 8000 Medikamenten, die eine normale Apotheke auf Lager hat, könnte ohne die Software ansonsten niemand mehr den Überblick behalten.

Das führt im schlimmsten Falle allerdings dazu, dass durch eine nicht oder zu spät durchgeführte Anpassung, ein entsprechendes Generikum plötzlich teurer sein kann als das Originalmedikament in einer anderen Apotheke gleich um die Ecke.

Viele Kunden nehmen die Preise einfach hin

Falls die Kunden diese verwirrenden Preisunterschiede überhaupt wahrnehmen, bezahlen die meisten von ihnen trotzdem ohne Murren den geforderten Preis. In Bern spricht der Mediensprecher des Preisüberwachers, Rudolf Lanz, trotzdem gerne von einem Erfolg der Medikamentenpreispolitik. Die beobachteten Preisunterschiede würden seiner Meinung nach zeigen, dass der Wettbewerb unter den Apothekern funktioniert. Dies sei seiner Meinung nach sehr zu begrüssen, da sich dadurch in der Regel günstigere Preise herauskristallisieren würden.

Das Problem ist allerdings, dass der Kunde in vielen Fällen gar nicht in der Lage ist, zu erkennen, in welcher Apotheke die benötigten Medikamente am günstigsten verkauft werden. Auch der Sprecher des Preisüberwachers räumt diese Schwierigkeit ein, ruft die Verbraucher allerdings gleichzeitig auf, selbst aktiv zu werden und Preisvergleiche anzustellen.


Die Preise in Zürcher Apotheken unterscheiden sich oft deutlich voneinander. Schuld daran sind die ständigen Preisänderungen der Hersteller. (Bild: Motorlka / Shutterstock.com)
Die Preise in Zürcher Apotheken unterscheiden sich oft deutlich voneinander. Schuld daran sind die ständigen Preisänderungen der Hersteller. (Bild: Motorlka / Shutterstock.com)


Auch Lorenz Schmid vom Apothekerverband schliesst sich dieser Aufforderung an. Wenn die Kunden heute bei Medikamenten den günstigsten Preis finden wollten, dann müssten sie recherchieren und beispielsweise die Apotheken abtelefonieren oder im Internet nachsehen. Die Schuld an dieser unübersichtlichen Situation gibt er allerdings dem Bundesrat. Da dieser spätestens alle zwölf Monate die Preise für rezeptfreie Medikamente senke, würde für die Apotheken ein unglaublicher Verwaltungsaufwand entstehen.

Wenn nämlich ein Originalmedikament im Preis gesenkt wird, dann muss kurze Zeit später auch der Preis des Generikums vom Apotheker gesenkt werden. Im Endeffekt mache aber jeder Apotheker die Preise selbst, denn bei den nicht rezeptpflichtigen Medikamenten gäbe es nicht einmal Preisempfehlungen, erklärt Schmid. Er sieht darin aber auch kein Problem, denn im Supermarkt würden den Kunden ebenfalls keine Preisempfehlungen der Lieferanten an die Hand gegeben werden – auch dort müsse sich jeder selbst schlaumachen.

Die zuvor geschilderten hohen Preisunterschiede von bis zu 40 % hält Apotheker Schmid für absolute Ausnahmen. Zu solchen Abweichungen könnte es seiner Meinung nach nur kommen, wenn der Preis des Generikums nicht schnell genug von allen Apotheken an den des Originalmedikaments angepasst werden würde.

Schweizer Medikamente teurer als im Ausland

Auch die Apotheker zeigen sich angesichts der schieren Menge an unterschiedlichen Medikamenten überfordert. Viele hätten über 15’000 Artikel auf Lager, und alle zwei Wochen würden Preisänderungen stattfinden. Unter diesen Bedingungen könne man nicht jede Unstimmigkeit entdecken, die unter Umständen durch eine falsche Berechnung zustande gekommen ist, erklärt Apotheker Michael Langer.

Auch die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) erhält immer wieder Hinweise von Konsumenten, die Preisunterschiede bei Medikamenten festgestellt haben. Neben den Preisunterschieden stört man sich bei der SKS aber auch daran, dass Kunden in der Schweiz deutlich höhere Preise für Medikamente zahlen müssen als die Kunden im umliegenden Ausland. Aus diesem Grund setzt sich die Stiftung auch dafür ein, dass die allgemeinen Medikamentenpreise gesenkt werden.

Derzeit bleibt einem als Kunde allerdings nichts anderes übrig, als die Apotheken auf Preisunstimmigkeiten hinzuweisen, falls einem diese ins Auge springen sollten. Die meisten Apotheken sind dankbar für solche Rückmeldungen, da sie ihnen helfen, das Verwaltungs- und Preischaos besser unter Kontrolle zu bringen.

 

Oberstes Bild: © Dmitry Kalinovsky – Shutterstock.com

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