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Bettnässen – ein ewiges Tabu

08.11.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Hartnäckig hält sich das Vorurteil, wonach Bettnässen vor allem seelische Ursachen hat. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Nur bei einem geringen Anteil der Patientinnen und Patienten ist die Psyche der Auslöser für das lästige Leiden. Kaum jemand ahnt, wie verbreitet diese Störung ist.

Manuels Eltern wissen nicht mehr weiter. Alle Freunde des 9-Jährigen fahren auf ein spannendes Zeltlager, welches der örtliche Sportverein organisiert. Die Jungs und Mädchen verstehen nicht, warum ihr sonst so aufgeweckter Kumpel nicht mitkommen will. Schön langsam gehen ihm die Ausreden aus – Manuel hat nämlich ein Geheimnis…

Kaum ein Phänomen, welches derart weit verbreitet ist, wird in der Gesellschaft auch nur annähernd so tabuisiert, wie das Bettnässen. Kinderurologen gehen davon aus, dass ungefähr 10 Prozent aller Schulanfänger in der Nacht noch nicht trocken sind.

Es ist allerdings zu unterscheiden, ob die Schützlinge auch am Tag mit diesem Problem Schwierigkeiten haben. Dann handelt es sich nämlich nicht um Bettnässen im ursprünglichen Sinn, sondern um chronische Inkontinenz. Ist das der Fall, wird prioritär versucht, die Kinder während des Tages trocken zu bekommen. Erst dann kann man sich den nächtlichen Problemen widmen. Entgegen der weit verbreiteten Annahme liegen dem Leiden vor allem körperliche Ursachen zugrunde. Weil Menschen mit dem Phänomen Bettnässen aber meistens seelische Probleme assoziieren, entsteht ein derart hoher Tabuisierungsgrad. Experten klären auf, dass nur bei 7 bis 8 Prozent der Betroffenen psychische Gründe vorliegen.

Der erste Schritt: Die Diagnose

Bevor eine Behandlung begonnen werden kann, muss das Problem erst diagnostiziert werden. Dabei gehen Mediziner in mehreren Schritten vor. Zuerst werden mögliche organische Ursachen abgeklärt: So werden ein Ultraschall gemacht, der Harn analysiert und körperliche Fehlbildungen geprüft. Auch die Vorgeschichte wird berücksichtigt – etwa, ob auch ein Elternteil Bettnässer war. Keine dieser Untersuchungen verursacht Schmerzen. Es tut nicht weh – diese Botschaft ist den kleinen Patienten bewusst zu machen, damit ihnen die Angst genommen wird.

Herzstück der Diagnostik ist das Miktions-Trink-Stuhl-Protokoll. Dabei wird über mehrere Tage aufgezeichnet, wann und wie viel das Kind trinkt, wie oft es anschliessend auf das WC muss und wie viel Harn dabei gelassen wird. Auch über das sogenannte grosse Geschäft, die Darmentleerung, wird Protokoll geführt. In vielen Fällen lösen sich schon über diese Beobachtungen einige Fragen.

Nicht selten ist Bettnässen mit einem falschen Trinkverhalten zu erklären. Spät am Abend ein Liter Limonade führt unweigerlich zum Problem in der Nacht. Manchmal hat die Störung auch mit einer chronischen Verstopfung zu tun. Ein bewussteres Trink- und Essverhalten kann also in manchen Fällen schon die Lösung sein.

Ursachen

Aus dem Miktions-Trink-Stuhl-Protokoll kann der behandelnde Arzt feststellen, ob die Blase des Kindes über eine für das Alter entsprechende Fasskraft verfügt. Wenn das nicht der Fall ist, kann das mit Medikamenten relativ gut gelöst werden. Diese Arzneimittel hemmen die Aktivität des Blasenmuskels, wodurch eine Verbesserung der Blasenfasskraft erreicht wird. Eine beliebte Therapie ist auch die sogenannte Klingelhose. Geht der erste Tropfen in die Hose, wird ein Signal gegeben – das Kind wird munter und kann die Toilette besuchen. Im Gegensatz zu Erwachsenen wachen Kinder durch eine volle Blase oft nicht auf.

Manchmal ist die altersgemässe Blasenfasskraft kleiner als die Menge der nächtliche Nierenausscheidung. Dann kann eine Hormontherapie helfen, welche die Harnproduktion reduziert. Alle diese Lösungsansätze benötigen Zeit. Egal welche Methode – bis die Therapie anschlägt und das Kind endgültig trocken ist, vergehen durchschnittlich sechs bis acht Monate.
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Nicht selten ist Bettnässen mit einem falschen Trinkverhalten zu erklären. (Bild: jeep5d / Shutterstock.com)

Nicht selten ist Bettnässen mit einem falschen Trinkverhalten zu erklären. (Bild: jeep5d / Shutterstock.com)

[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Wichtig ist, dass sich betroffene Eltern Hilfe holen. Zuerst müssen sie gemeinsam mit dem Kinderarzt abklären, wo genau das Problem liegt. Auf keinen Fall sollte man sich darauf verlassen, dass sich die Störung von alleine löst. Das ist zwar grundsätzlich nicht unwahrscheinlich, bei manchen von den betroffenen Kindern geschieht das aber erst im Alter von 15 Jahren. Dramatisch, wenn man die Konsequenzen bedenkt: Das Kind kann bei keinen Schulausflügen teilnehmen, nicht zum Sommerlager fahren oder einfach nur bei Freunden übernachten. Diese Ausgrenzung ist niemandem zumutbar.

In seltenen Fällen können auch emotionale Probleme Auslöser für das Bettnässen sein: Die Scheidung der Eltern, der Tod eines Nahestehenden, ein Wohnortwechsel oder auch Schulstress. Über eine umfassende Differentialanalyse, in der das Problem in seiner Gesamtheit betrachtet wird, müssen auch diese Auslöser erkannt werden. Mit der entsprechenden Behandlung kann das Kind in allen Fällen unterstützt werden.

Einfühlungsvermögen und Geduld

Bettnässen ist nicht nur für die Kinder, sondern auch für deren Eltern eine extreme Belastung. Umso wichtiger ist es, dass die Tabuisierung in der Gesellschaft aufgeweicht wird. Niemand darf durch Scham abgehalten werden, sich die so wichtige Hilfe zu holen. Alle Involvierten sind gefordert – auch weil eine Behandlung so langwierig ist. Den Betroffenen Hoffnung zu geben, ist ein erster Schritt. Viele erfolgreiche Therapien haben nämlich gezeigt: Mit Einfühlungsvermögen und Geduld kann dieses Problem gelöst werden.

Manuel und seine Eltern sind sehr froh, dass sie den Gang zum Kinderurologen gewagt haben. Es war manchmal hart, doch es hat sich gelohnt – nach einigen Wochen Therapie hatte er sein Problem im Griff. Das Wichtigste für ihn: Im kommenden Sommer kann er mit seinen Freunden aufs Abenteuer-Camp!

 

Oberstes Bild: © Federico Rostagno – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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