Ran an die Wurst: Jüngstes Volksbegehren zum Mehrwertsteuersatz wurde abgelehnt
von Claudia Göpel
Das Thema wird weiterhin heiss diskutiert. Worum genau ging es? Die Volksinitiative „Schluss mit der Mehrwertsteuer-Diskriminierung des Gastgewerbes!“ verlangte, dass für verarbeitete Lebensmittel im Gastgewerbe der gleiche Mehrwertsteuersatz gelten solle, wie für verkaufte Nahrungsmittel aus dem Handel, von dem auch Imbissgeschäfte profitieren. Damit sollte eine Gleichbehandlung von Gastwirtschaft und Take-Away erreicht werden. Initiatoren waren Mitglieder des Verbandes Gastrosuisse.
Die Abstimmung erfolgte am 28. September 2014 im Bundeshaus Bern. Die vorläufigen amtlichen Endergebnisse sind im Einzelnen direkt auf der Website der Schweizerischen Bundeskanzlei einzusehen und sind längst „Schnee von gestern“. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf gab unmittelbar danach eine Stellungnahme ab und meinte, dass die Diskussionen über eine Vereinfachung des Mehrwertsteuersystems weitergehen werden. Recht hat sie, denn das Problem bleibt bestehen.
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei
Ja, es ging um die Wurst. Zumindest kann man am Beispiel der Wurst den Inhalt der Volksinitiative am besten erklären. In der Schweiz wird ein Würstchen für unterwegs mit 2,5 Prozent besteuert. Auf das gleiche Würstchen müssen im Lokal 8 Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden. Weil diese Steuer nur ein durchlaufender Posten ist, wird sie an den Verbraucher weitergegeben. Ein Fastfood-Gericht im Restaurant ist demnach deutlich teurer als am Imbisstand – und so soll es auch bleiben.
Gaststätten und Restaurants unterstützten bis Ende September die Initiative mit Handzetteln und Plakaten, auf denen je nach Region eine lange Rote oder ein klassischer Klöpfer zu sehen war. Thüringer Roster waren als Abbild nicht vertreten. Diese gilt zwar angeblich als beste Wurst weltweit, aber hier geht es um die Schweizer Wurst, also ums Prinzip, wobei die Sorte relativ egal ist. In Deutschland ist der Mehrwertsteuersatz ohnehin um ein Vielfaches höher.
Die Gastronomen der angestammten Gastwirtschaften wollten gleiche Steuern für alle Würste. Wobei sie natürlich den geringeren Satz zahlen wollten und nicht umgekehrt die Imbissbuden den höheren Satz zahlen sollten. Noch mal zur Veranschaulichung: Wenn man in der Imbissbude eine Wurst oder einen Burger zum sofortigen Verzehr „auf die Hand“ kauft, dann müssen nur 2,5 Prozent Mehrwertsteuer berechnet werden. Setzt sich der Gast zum Essen derselben Fastfood-Leckerei auf einen Stuhl, dann sind per Gesetz 8 Prozent fällig.
Der kleinen Imbissbude ist damit sicher geholfen, doch auch grossen Fastfoodketten wie McDonalds, Burger King & Co. kommt diese Regelung sehr entgegen. In den Ballungsgebieten tummeln sich immer mehr Imbisslokale im Niedrigpreissektor, während in den traditionellen Gaststätten die Gäste ausbleiben, beklagt der Verband Gastrosuisse weiter. Die Gastronomen sehen hierin eine Wettbewerbsverzerrung, haben für die systematische Diskriminierung durch die Steuereintreiber wenig Verständnis und wollen für ihre Fastfood-Speisen ebenfalls nur den geringeren Satz zahlen. Doch wann zählt ein Gericht als Fastfood und wann nicht?
Bereits seit 2011 wurde das Volksbegehren vorbereitet. Mehr als 118.000 Schweizer Bürgerinnen und Bürger hatten unterschrieben, 20 Prozent mehr als erforderlich. Bundesrat und Parlament waren und sind dagegen, die Schweizerische Volkspartei ist nach wie vor dafür. Die Begründung der Bundesrätin bezüglich der Ablehnung liest sich schlüssig, weil ein positiver Entscheid zu Steuerverlusten in Höhe von bis zu 800 Millionen Schweizer Franken führen würde. Gastrosuisse ist natürlich keineswegs zufrieden und kündigt weitere Massnahmen an. Der Branchenumsatz wäre seit 2010 von 26 auf 23,1 Milliarden Franken zurückgegangen. Tendenz fallend.
Die traditionelle Gastronomie isst ein hartes Brot
Die einheimischen Gastwirtschaften haben weiterhin am höheren Mehrwertsteuersatz zu knabbern und können nur mit Leistung und besserem Service überzeugen. Dieser lässt jedoch vielerorts zu wünschen übrig, was nicht zuletzt an der als ungerecht empfundenen Bevorzugung des Imbissbetriebes um die Ecke liegen könnte. Der geringere Steuersatz gilt seit 1995, zu diesem Zeitpunkt wurde diese Steuer überhaupt erst als Bundessteuer eingeführt und macht seitdem ein Drittel des Bundeshaushaltes aus. Take-Away-Betriebe waren damals noch eine Randerscheinung. Seitdem lautet die Frage „Zum Hier Essen oder zum Mitnehmen?“, denn je nach Antwort muss ein anderer Code eingetippt werden.
Das Parlament argumentierte, dass eine geringere Mehrwertsteuer in Gaststätten nur den besser verdienenden Gästen zugute kommen würde, die sich ohnehin teures Essen leisten könnten. Die Alternative, nämlich die Anhebung des Satzes für alle Gastronomiebetriebe, würde hingegen eine finanzielle Benachteiligung der Geringverdiener darstellen, die bewusst Preise vergleichen und ihr Mittagessen in erster Linie am Imbiss und nicht im Restaurant einnehmen.
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