Banken – sind sie heutzutage noch zeitgemäss?
von Stephan Gerhard
Die Rolle der Banken in der globalen Wirtschaft wird spätestens seit der Finanzkrise kritisch hinterfragt. Jedoch sind es gar nicht die gewagten Spekulationen, die Manipulations-Vorwürfe oder Skandale, die den Bankensektor infrage stellen, vielmehr einige grundlegende Trends, die dessen Geschäftsmodell auf Dauer gefährden.
Werden Banken in Zukunft noch benötigt? Diese Frage gewinnt eine zunehmende Brisanz und trifft Institute rund um den Globus. Besonders filialisierte Banken, die das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben, könnten das Nachsehen haben – auch in der Schweiz.
Eine italienische Erfindung
Banken prägen seit Jahrhunderten die Wirtschaft in vielen Ländern der Erde. In Europa entstand das Bankwesen im modernen Sinne im spätmittelalterlichen Italien. Nicht umsonst stammen heute noch einige gebräuchliche Bankbegriffe wie „Konto“, „Giro“ oder „Saldo“ aus dem Italienischen. Ja das Wort „Bank“ selbst ist italienischer Herkunft. „Banco“ bezeichnet einst den Geldwechsler-Tisch, den Ursprungsplatz des Bankgeschäfts. Die florierenden Handelsstädte Mittel- und Norditaliens wie Florenz, Genua oder Venedig benötigten im ausgehenden Mittelalter ein funktionierendes Finanzwesen. Daher wurden hier im 13. Jahrhundert die ersten Banken gegründet – ein Erfolgsmodell, das sich später rund um den Globus verbreitete. Der Bankensektor besitzt immer noch eine Schlüsselstellung. Ohne Banken droht der globalen Wirtschaft der Kollaps, ein Grund warum man ihnen besondere Aufmerksamkeit widmet – durch Regulierung und Aufsicht ebenso wie durch Rettungsmassnahmen in Krisensituationen.
Was Banken überhaupt leisten
Warum existieren Banken überhaupt? Es ist nicht unberechtigt, danach zu fragen, denn schliesslich produziert eine Bank nichts. Sie lebt im Kern davon, dass sie sich Geld leiht und wieder verleiht. Wo ist da die Leistung der Bank? Die Wirtschaftswissenschaften haben sich eingehend mit diesem Thema beschäftigt. Sie sehen den Nutzen der Banken in verschiedenen Funktionen der Geldumformung bzw. Transformation, konkret handelt es sich um die
- Losgrössentransformation: Banken vermitteln Spar- und Kreditbedürfnisse mit unterschiedlichem Zeithorizont und unterschiedlichen Grössenordnungen;
- Fristentransformation: Banken bringen unterschiedliche Laufzeitinteressen von Schuldnern und Einlegern in Einklang;
- Risikotransformation: Banken sorgen für den Ausgleich unterschiedlicher Risikoneigungen bei Kreditnehmern und Sparern, zum Beispiel durch Risikostreuung und die Kreditprüfung.
Eine weitere wichtige Funktion des Bankensektors ist die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, insbesondere von bargeldlosen Zahlungen. Sie gewährleisten damit einen reibungslosen Leistungs- und Güteraustausch in der Wirtschaft.
Immer weniger Bankfilialen
So weit die Theorie. Doch diese traditionelle Rolle der Banken wird zunehmend in Frage gestellt. Bereits das Aufkommen von Direktanbietern hat die lange fest zementierte Position der klassischen Geldinstitute, die vor allem auf der filialgestützen Präsenz vor Ort beruhte, aufgeweicht. Mit der Entstehung und Verbreitung des Internets ist dieser Erosionsprozess weiter fortgeschritten. Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.
Die Filiale als Ort für Bankdienstleistungen hat inzwischen erheblich an Bedeutung verloren. Ein grosser Teil der Bankgeschäfte wird heute online abgewickelt, ob über Direktanbieter oder entsprechende Auftritte klassischer Banken selbst. Die Filiale ist daher mehr und mehr eine Kostenbelastung, von der sich aber gerade regional ausgerichtete Institute wie Kantonalbanken, Regionalbanken, Sparkassen oder Raiffeisenbanken nicht ohne weiteres verabschieden können, ohne an ihren Grundstrukturen zu rühren. Kosten und Nutzen der Filialen in einer angemessenen Balance zu halten, ist daher zu einer echten Herausforderung geworden.
IT-Firmen forcieren den Wettbewerb im Zahlungsverkehr
Auch im Zahlungsverkehr droht den Instituten ihre Schlüsselstellung verloren zu gehen. Parallel zum stürmischen Wachstum von E-Commerce hat auch das bargeldlose Bezahlen über das Internet einen starken Aufschwung genommen. Hier sind aber Banken längst nicht mehr die einzigen Player. Elektronische Bezahldienste haben sich zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz entwickelt. In der Regel verfügen die dahinter stehend Unternehmen der IT-Branche über erhebliche Technologie-Vorsprünge gegenüber den Geldhäusern. Sie besitzen damit gute Voraussetzungen, um ihre Leistungen auch über das reine Bezahlen hinaus auszudehnen und im Wettbewerb die Nase vorn zu haben. Die Zahlungsverkehrs-Abwicklung könnte dabei als Einstieg in andere Finanzdienstleistungen genutzt werden. Es wäre nicht einmal mehr zwingend nötig, dafür klassisches Geld einzusetzen. Kryptowährungen wie zum Beispiel Bitcoins schaffen neue virtuelle Geldformen, die an den Banken vorbeilaufen.
Beliebt: Kredite ohne Banken
Selbst im Kreditgeschäft, der Königsdisziplin der Banken, bleibt deren Stellung nicht unangefochten. Soziale Netzwerke und Online-Plattformen drängen in dieses Geschäftsfeld. Unter dem Stichwort „Crowd Funding“ oder „Peer to Peer Kredit“ organisieren sich Kreditgeber und Kreditnehmer über entsprechende Internet-Vermittler quasi selbst. Eine Bank, die für ihre Leistungen Kosten in Rechnung stellt, wird also gar nicht mehr benötigt. Kreditnehmer profitieren durch leichteren Kreditzugang und günstigere Konditionen, Kreditgeber durch attraktiv verzinste Anlagealternativen von solchen Modellen. Noch stellen solche Plattformen Nischen im Kreditgeschäft dar, das muss aber nicht so bleiben.
Verfall der Marge
Eine weitere Bedrohung ist die anhaltende Niedrigzinssituation – zumindest in der Schweiz und in Europa. Parallel zur Entwicklung im Euro-Raum ist das Zinsniveau in der Schweiz seit etlichen Jahren rückläufig. Mehrfach wurden die Leitzinsen gesenkt und sind hierzulande inzwischen sogar negativ. Da derzeit nicht absehbar ist, dass sich an dieser Situation bald etwas ändern wird, handelt es sich nicht um ein vorübergehendes Phänomen, eher um einen Dauerzustand. Mit dem Verfall der Zinsen sind auch die Margen der Banken geringer geworden. Die Marge ist aber eine wesentliche Ertragsquelle der Institute. Sie stellt die Differenz zwischen Soll- und Habenzinsen dar. Bei allgemein sinkendem Zinsniveau wird die Marge immer kleiner. Die traditionelle Ertragsquelle versiegt daher allmählich.
Betroffen sind wiederum vor allem regional tätige Geldhäuser, denn Grossbanken können auf das profitablere Investmentgeschäft oder die Vermögensverwaltung ausweichen. Den kleineren Instituten ist dieser Weg weitgehend verschlossen, denn sie sind in diesen Geschäftsfeldern relativ schwach aufgestellt. Allerdings gibt es auch im Investmentbanking Schwierigkeiten. Nach den negativen Erfahrungen mit Lehman Brothers & Co wurden die Regulierungsvorschriften und Anforderungen weltweit verschärft. Seither muss das Geschäftsfeld entweder mit mehr teurem Eigenkapital unterlegt oder zurückgefahren werden.
Ein mögliches Szenario ist das Ende der Universalbank
Das Bankgeschäft bietet über das Tagesgeschehen hinaus also viele Schwachstellen und Angriffsflächen. Sicher ist es zu früh, das Ende der Geldhäuser, wie wir sie kennen, zu prophezeien. Aber die Branche steht vor erheblichen strukturellen Umbrüchen. Ein zukünftiges Szenario könnte so aussehen, dass am Ende das Aus für die klassische Universalbank droht, wie sie vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitet ist. Überleben würden spezialisierte Bank-Unternehmen mit Fokussierung auf das Investmentbanking und die Vermögensverwaltung. Das Retail Banking – das Massengeschäft mit Standardprodukten und -leistungen – würde dagegen weitgehend in die Online-Welt verlagert.
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