DE | FR | IT

Der neue Virus-Test „VirScan“ gibt Auskunft über die Infektionsgeschichte eines Menschen

17.06.2015 |  Von  |  News

Mit Hilfe eines neuen Virus-Tests und nur einem Tropfen Blut können fast alle aktuellen sowie bereits vergangene Virusinfektionen eines Menschen nachgewiesen werden, und zwar bis zu 1ʼ000 differente Virenstämme auf einmal.

So ist es nicht mehr notwendig, mühsam jedes Virus einzeln aufzuspüren, denn der VirScan-Test reagiert auf die Antikörper gegen 1ʼ000 unterschiedliche Virenstämmen. Dabei ist diese neue Methode nicht nur umfassend und schnell, sondern auch günstig. Dies berichteten die Forscher zumindest im Fachmagazin „Science“, in dem sie die Kosten für einen Viren-Scan mit 25 US-Dollar, also circa 23 Schweizer Franken beziffern.

Der Nachweis von Viren erfolgt meist indirekt

Möchte ein Arzt herausfinden, ob ein Patient an einem bestimmten Virus erkrankt ist, nutzt er in der Regel einen indirekten Nachweis. So versucht er nicht etwa, das Virus selbst nachzuweisen, sondern vielmehr die vom körpereigenen Immunsystem produzierten spezifischen Antikörper, die sich gegen die Oberflächenproteine des Virus richten. Die bis dato existierenden herkömmlichen Virus-Tests sind jedoch lediglich in der Lage, die Antikörper gegen ein Virus nachzuweisen. Weiss der Arzt nicht genau, nach welchem Antikörper er sucht oder hat er nicht zumindest einen Verdacht, müssen bestenfalls einige, im schlechtesten Fall sogar sehr viele Test gleichzeitig oder aber nacheinander durchgeführt werden.



Mit dem neuen VirScan wird die Diagnose deutlich beschleunigt

Das mühselige Durchführen mehrerer Tests hat nun ein Ende – dank des von George Xu und seinem Forscherteam der Harvard University im US-amerikanischen Cambridge neu entwickelten Kombi-Tests. Natürlich hat die Entwicklung des VirScan-Tests auch für die Patienten positive Folgen, denn es wird lediglich ein Tropfen Blut benötigt, um nach den Antikörpern gegen 1ʼ000 verschiedene Virenstämme gleichzeitig zu suchen. So werden von diesem Test alle 206 differierenden Virenarten sowie eine Vielzahl ihrer Stämme, von denen der Mensch befallen werden kann, erfasst.

Auf diesen enormen Forschungserfolg weist auch Stephen Elledge, Seniorautor und tätig am Howard Hughes Medical Institute in Boston, hin, wenn er erklärt, dass nun nicht mehr auf jedes Virus einzeln getestet werden muss, sondern alle auf einmal nachgewiesen werden können, was enorm viel Arbeit und auch Zeit spart. Bemerkenswert ist zudem, dass der auf den Namen „VirScan“ getaufte Test nicht nur Aufschluss über die aktuellen Infektionen gibt, sondern mit seiner Hilfe auch vergangene nachgewiesen werden können. Der Grund hierfür ist, dass die Antikörper gegen die Viren im Blut erhalten bleiben, und zwar auch dann, wenn der Patient die Infektion bereits überwunden hat. Elledge bemerkt diesbezüglich, dass es nun möglich sei, in der Zeit zurückzublicken und zu sehen, von welchen Viren ein Mensch bereits befallen war.


Mit dem neuen VirScan wird die Diagnose deutlich beschleunigt. (Bild: Lightspring – shutterstock.com)

Mit dem neuen VirScan wird die Diagnose deutlich beschleunigt. (Bild: Lightspring – shutterstock.com)


Bakteriophagen dienten als mikroskopisch kleine Helfer

Die Funktionsweise des VirScan ähnelt derjenigen, der gängigen, auf einem Antikörpernachweis basierenden Tests. Zur Entwicklung des neuen VirScan-Tests sequenzierten die Wissenschaftler in einem ersten Schritt über 95ʼ000 kurze DNA-Stücke der „Zielviren“, um Klarheit über die Bauanleitung bestimmter Peptide der jeweiligen Erreger zu gelangen.

In einem zweiten Schritt schleusten die Forscher dann einzeln die Bauanleitungen in Bakteriophagen, d. h. bakterienbefallende Viren, ein. In Folge produzierten die Bakteriophagen auf ihrer Oberfläche dann das Erkennungspeptid der differierenden Krankheitserreger, so dass die Forscher insgesamt bakterienbefallende Viren erhielten, die 1ʼ000 unterschiedliche Virenstämme imitierten.

Zur Durchführung des eigentlichen Tests wird lediglich ein Tropfen Blut benötigt, der zu der Testlösung, die die Bakteriophagen enthält, gegeben wird. Nun kommt es zu einer Reaktion der Antikörper im Blut der getesteten Person mit den putativen Erregerproteinen. Zur Analyse gilt es letztlich, die DNA der Bakteriophagen zu sequenzieren und die Antikörper, die sich an die Bakteriophagen angedockt haben, aus dem Blut zu isolieren. Hierdurch kann nun unmittelbar erkannt werden, welche Antikörper sich im Blut des Patienten befinden und entsprechend auch, gegen welche Virenstämme das Immunsystem bereits aktiv war oder gerade aktiv ist.


Bei dem VirScan-Test sequenzierten die Wissenschaftler kurze DNA-Stücke der „Zielviren“. (Bild: Syda Productions – shutterstock.com)

Bei dem VirScan-Test sequenzierten die Wissenschaftler kurze DNA-Stücke der „Zielviren“. (Bild: Syda Productions – shutterstock.com)


Sensibilität des VirScan-Tests liegt zwischen 95 und 100 Prozent

Um den neuen VirScan zu testen, führten die Wissenschaftler ihn bei knapp 600 Probanten aus den USA, Peru, Thailand und Südafrika durch. Elledge überzeugt das Ergebnis der Tests der neuen Methode, denn er erklärt, es habe sich gezeigt, dass VirScan wirklich funktioniert. Bereits in den Tests an den rund 600 Menschen konnten die Forscher mehr Antikörper-Peptid-Interaktionen identifizieren als in der ganzen Historie der der Virenforschung bisher. Beeindruckend sei zudem, so Elledge, dass die Sensibilität des Tests bei 95 bis 100 Prozent lag. Auch sei der VirScan-Test sehr spezifisch, denn die Wissenschaftler erhielten keine fälschlicherweise positiven Testergebnisse bei den Probanden, die sich de facto als negativ erwiesen.

Im Durchschnitt, so das Ergebnis der Wissenschaftler, trug jeder Proband Antikörper gegen etwa zehn Viren in sich. Dabei konnten sie ein Nord-Süd-Gefälle verzeichnen, denn bei den Studienteilnehmern aus südlichen Ländern waren mehr Antikörper vorhanden als bei den US-Amerikanern. Als interessant erwies sich zudem, dass bestimmte Antikörper bei fast allen Probanden nachgewiesen werden konnten, was den Forschern Rückschlüsse auf das Vorkommen und die Verbreitung bestimmter Viren ermöglicht und ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung von Impfstoffen sein könnte.



Fazit: VirScan ist spezifisch, hocheffektiv und günstig

Das Fazit der Wissenschaftler ist klar: VirScan ist nicht nur ein spezifischer, sondern auch ein sensitiver und günstiger Test, mit dessen Hilfe der Virenkontakt in der gesamten Bandbreite menschlicher Viren nachgewiesen werden kann. Der Test kann mit minimalen Proben durchgeführt werden, verursacht lediglich geringe Kosten und ermöglicht ein äusserst effektives Screening grosser Probenmengen.

Künftig wird es mit Hilfe von VirScan deutlich einfacher, einen Überblick über die allgemeine Virenbelastung bestimmter Bevölkerungen oder aber der gesamten Menschheit zu gewinnen. Hilfreich ist daneben, dass sich der Test, so das Wissenschaftlerteam, auch auf andere Antikörper, wie sie beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen auftreten, ausweiten lässt.

 

Oberstes Bild: © psdesign1 – fotolia.com