ETH untersucht Klimawandel am Victoriasee

An der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) beschäftig man sich auch mit dem Klimawandel und seinen Folgen. In einer gemeinsam mit der belgischen Universität Leuven durchgeführten Studie wurden jetzt bestimmte Wetterphänomene auf dem Victoriasee in Ostafrika näher erforscht.

Der zweitgrösste See der Welt ist für seine stürmischen Nächte bekannt. Jedes Jahr fordern die Stürme viele Todesopfer. Betroffen sind vor allem Fischer, die sich nachts auf dem See aufhalten, um ihrem Beruf nachzugehen. Neue Erkenntnisse lassen vermuten, dass der See bedingt durch den Klimawandel künftig zu einem „Hotspot“ für gefährliche Gewitterstürme werden wird. Bessere Sturmwarnungen sind daher dringend notwendig, weil lebensrettend.

Eine der gefährlichsten Seen der Welt

Der Victoriasee, zwischen Uganda, Kenia und Tansania gelegen, ist Nahrungsquelle für rund 30 Millionen Menschen, die entlang seiner Ufer leben. Mit einer Fläche von rund 70 000 km2 ist er zudem der zweitgrösste See der Welt – und darüber hinaus der wohl gefährlichste. Dies insbesondere für die 200 000 Menschen, die in der Nacht auf dem See auf Fischfang gehen. Das Internationale Rote Kreuz schätzt, dass jedes Jahr zwischen 3000 und 5000 Fischer in den heftigen Stürmen den Tod finden. Trotzdem wusste man bis vor kurzem kaum, wie sich der Klimawandel auf dieses riesige Gewässer auswirken wird.

Landwinde rühren einen stürmischen Cocktail

Der Grund, weshalb es auf dem Victoriasee in der Nacht sehr stürmisch sein kann, liegt in der Luftzirkulation über der enormen Wasserfläche. Tagsüber entstehen Winde, die sich vom kühlen Wasser in Richtung warmes Festland bewegen. In der Nacht passiert das Gegenteil: Die Landwinde wehen vom abkühlenden Festland hin zum wärmeren See. Da der See rund ist, treffen die Landwinde aus allen Himmelsrichtungen über ihm zusammen. Gesellt sich zum windigen Cocktail zusätzlich Verdunstung, entstehen Gewitter, Wellen, Regen und Stürme.

In der Studie gelang es dem belgisch-schweizerischen Forscherteam, dieses Wetter-Muster nachzuweisen. Zusammen mit der NASA wurde mit Hilfe von Satellitendaten die Anzahl heftiger Gewitterstürme in Ostafrika sowie deren Ort identifiziert – und das alle 15 Minuten für den Zeitraum von 2005 bis 2013. Am Tag wüten die meisten Stürme über dem umliegenden Festland. Dies gilt insbesondere für die typischen nachmittäglichen Gewitter, die durch lokal aufsteigende warme Luft entstehen. In der Nacht konzentrieren sich diese Stürme über dem Victoriasee.

„Hotspot“ für nächtliche Stürme

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf den Victoriasee vorherzusagen, wurde dessen Klima mit einem Computermodell simuliert. In einem Szenario, in dem die Treibhausgas-Emissionen weiterhin zunehmen (Business as usual), werden die extremen Niederschläge über dem Victoriasee gegenüber denjenigen auf dem umliegenden Festland um das Doppelte zunehmen. Als Folge davon entwickelt sich der See noch stärker zum „Hotspot“ für nächtliche Stürme. Auch Superstürme, wie sie heute nur alle 15 Jahre vorkommen, werden sich am Ende des Jahrhunderts beinahe jedes Jahr ereignen. Der Victoriasee dürfte deshalb auch künftig das gefährlichste Gewässer der Welt bleiben.

Frühwarnsystem soll Leben retten

Mittlerweile sind sich zahlreiche Organisationen der Gefahren dieser Stürme bewusst und unterstützen die Entwicklung von Frühwarnsystemen. Vielversprechend sind die Bestrebungen der World Meteorological Organisation WMO, die zusammen mit dem britischen Met Office und lokalen Telekommunikationsunternehmen Wetteralarme auf Mobiltelefonen anbietet. Fischer, die diesen Dienst abonniert haben, empfangen Textnachrichten mit einem einfachen Ampel-System, das sie warnt, falls heftige Gewitterstürme über dem See erwartet werden.



Die Studie hat das Potential, die Sturm-Prognose zu verbessern und könnte helfen, Warnsysteme weiter zu optimieren. Konkret wurde herausgefunden, dass die Bedingungen am Nachmittag auf dem Festland die Stärke der nächtlichen Stürme über dem See beeinflussen. Das deutet auf eine grössere Vorhersagbarkeit hin als bisher vermutet. Darauf basierend wurde bereits ein Prototyp eines neuen Sturmprognosesystems entwickelt. Dieses unterstützt laufende Bemühungen zur Sturmwarnung und könnte so mithelfen, die Menschen am Victoriasee besser zu schützen.

 

Artikel von: ETH Zürich / Dr. Wim Thiery
Artikelbild: © Damiano Luchetti, Wikimedia, GNU

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