Lymphödeme – bald heilbar?
Lymphödeme gelten bisher als unheilbares Leiden. Das könnte sich bald ändern. Forscher an der ETH Zürich haben herausgefunden, dass bestimmte Zellen des Immunsystems die Entwicklung von Lymphödemen unterdrücken können. Auf der Basis dieser Erkenntnisse lassen sich vielleicht entzündungshemmende Therapien entwickeln, die den Durchbruch in der Lymphödem-Bekämpfung bedeuten könnten.
Wenn die Gewebeflüssigkeit in unseren Armen oder Beinen nicht mehr abfliessen kann, staut sie sich. Die betroffenen Gliedmassen schwellen an, es entwickelt sich ein Lymphödem. Dazu kommt es in vielen Fällen nach Operationen, bei denen Chirurgen Lymphknoten entfernen. So entwickelt rund ein Fünftel aller Patientinnen einige Jahre nach einer Brustkrebsoperation ein Lymphödem im Arm oder im Brustbereich.
Für die betroffenen Frauen ist das belastend, nicht nur aus kosmetischen Gründen, sondern auch, weil sie den Arm schlechter bewegen können und es häufiger zu Infektionen kommt. Heilen konnte man das Leiden bisher nicht, lediglich etwas lindern durch Massnahmen wie die Lymphmassage. Warum einige Patientinnen Lymphödeme entwickeln, andere nicht, ist unklar. Es gibt jedoch Hinweise, dass bei der Entstehung von Lymphödemen nicht nur der chirurgische Eingriff eine Rolle spielt, sondern auch Entzündungsprozesse im Körper.
Regulatorische T-Zellen unterdrücken Lymphödeme
Ein Team von Forschern der ETH Zürich und der Aristoteles-Universität Thessaloniki hat nun entdeckt, dass ein bestimmter Typ von Blutzellen – die regulatorischen T-Zellen – Lymphödeme unterdrücken können. Diese Erkenntnis könnte helfen, Therapien zu entwickeln, um Lymphödeme zu heilen. Regulatorische T-Zellen sind Teil des fein austarierten Immunsystems. Sie unterdrücken Immunreaktionen – als Gegenspieler anderer Blutzellen, welche Immunreaktionen fördern. Damit sorgen die regulatorischen T-Zellen dafür, dass Immunreaktionen nicht über das Ziel hinausschiessen.
Auf die Spur der regulatorischen T-Zellen in Zusammenhang mit Lymphödemen kamen die Forschenden unter der Leitung von ETH-Professor Michael Detmar, als sie in Lymphödem-Gewebe von Mäusen die Konzentration verschiedener RNA-Moleküle massen. In besonders hohen Konzentrationen kamen Moleküle vor, die spezifisch die Gen-Aktivität in regulatorischen T-Zellen steuern. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass im Lymphödem-Gewebe solche Zellen verstärkt aktiv sind.
Zell-Transfusion könnte helfen
In weiteren Versuchen bei Mäusen konnten Detmar und seine Kollegen die Rolle der regulatorischen T-Zellen bei Lymphödemen klären: Die Zellen hemmen das Wachstum der Ödeme. „Wir zeigen mit unserer Arbeit, dass man über die Unterdrückung von Entzündungen Lymphödeme im Schach halten kann“, sagt ETH-Professor Detmar. Bisher habe sich die Medizin bei der Behandlung von Lymphödemen auf die Lymphgefässe und den Abfluss der Lymphflüssigkeit konzentriert. „Bei der Therapie von Lymphödemen sollte man den Blick eher auf Entzündungsreaktionen richten. Möglicherweise wäre mit diesem Ansatz auch erstmals eine Heilung möglich.“
So wäre eine Therapie mit entzündungshemmenden Medikamenten zu prüfen, sagt Detmar. In Zukunft denkbar wäre auch eine Transfusion von regulatorischen T-Zellen bei Menschen. Allerdings müsse man bei Krebspatientinnen auch im Auge behalten, dass Massnahmen, welche Immunreaktionen unterdrücken, das Tumorwachstum fördern könnten, geben die Wissenschaftler zu bedenken. Es gelte, die richtige Balance zu finden.
Artikel von: ETH Zürich / www.ethz.ch/news
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