Fall Behring: Strafuntersuchung gegen Mitglieder der Bundesanwaltschaft abgewiesen

Im Rahmen der Verhandlung vor Bundesstrafgericht reichten die Anwälte von Dieter Behring am 21. Juni 2016 Strafanzeige gegen Bundesanwalt Michael Lauber, dessen Stellvertreter Ruedi Montanari sowie den Staatsanwalt des Bundes Tobias Kauer ein. Die Anzeige wurde später auf Staatanwalt Werner Pfister ausgedehnt.

Der mit Vorabklärungen betraute ao. Staatsanwalt Thomas Hansjakob kommt nun zum Schluss, dass keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Angezeigten strafbar gemacht haben könnten. Er ist deshalb auf die Anzeigen nicht eingetreten.

Nach Eingang der Anzeige hatte die Aufsichtsbehörde über die Bundeanwaltschaft zur Vorabklärung der Vorwürfe als ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes Thomas Hansjakob, den Ersten Staatsanwalt des Kantons St. Gallen, eingesetzt. Ein von der Verteidigung von Dieter Behring eingereichtes Ausstandsgesuch gegen Hansjakob wies die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes am 12. Oktober 2016 ab.

Bundesanwalt Lauber wurde vorgeworfen, er habe mutmasslich als Zeuge falsch ausgesagt, weil er in der Einvernahme vor Bundesstrafgericht vom 6. Juni 2016 erklärt habe, er habe kein Wissen von der Existenz von Anklageschriften oder Anklageentwürfen von Staatsanwalt Pfister gehabt, was den Einvernahmen des Buchsachverständigen Paratore und von Staatsanwalt Pfister selbst widerspreche. Insbesondere müsse ein Mail von Pfister an Lauber vom 21. September 2012 einen solchen Entwurf enthalten haben.

Die Abklärungen dazu haben ergeben, dass Staatsanwalt Pfister selbst nie behauptet hat, er habe Entwürfe von Anklageschriften verfasst. Er habe lediglich persönliche Unterlagen, Konzepte und zum Teil Entwürfe gehabt, aus denen er an der Anklageschrift hätte weiter arbeiten können. Sein Mail an Bundesanwalt Lauber konnte ediert werden, es enthielt lediglich einen Entwurf zur Einleitung und zum 1. Kapitel der Anklageschrift.

Der Buchsachverständige Paratore sprach zwar in seiner Einvernahme von Entwürfen von Anklageschriften, meinte damit aber diejenigen Dokumente, die der Jurist Pfister zu Recht nur als persönliche Unterlagen und Konzepte bezeichnete. Die Bundesanwaltschaft edierte schon im Verfahren vor Bundesstrafgericht diese Unterlagen von Staatsanwalt Pfister, die elektronisch noch abgelegt waren. Keines dieser Dokumente kann formal oder materiell als Entwurf einer Anklageschrift gelten.

Deshalb gibt es nach Auffassung des ao. Staatsanwaltes keine konkreten Hinweise dafür, dass die Aussage von Bundesanwalt Lauber vor Bundesstrafgericht falsch gewesen sein könnte, wonach er im Verfahren Behring lediglich eine Anklageschrift gesehen habe, und zwar diejenige von Staatsanwalt Kauer vom Oktober 2015.

Bundesanwalt Lauber, seinem Stellvertreter Montanari und dem fallführenden Staatsanwalt Kauer warfen die Verteidiger von Dieter Behring vor, die von Bundesanwalt Lauber verfügte Fokussierungsstrategie (im Fall Behring) sei von strafrechtlicher Relevanz. Im Vordergrund stünden die Vorwürfe der Begünstigung, der Irreführung der Rechtspflege, der falschen Anschuldigung, des Amtsmissbrauchs und als Resultat eine Urkundenfälschung im Amt.

Rechtsanwalt Dr. Steiner ergänzte in fünf umfangreichen, direkt beim ao. Staatsanwalt eingereichten Stellungnahmen diese in der Anzeige noch nicht näher begründete Ansicht und erhob zusätzlich gegen Staatsanwalt Pfister den Vorwurf, dieser habe als Zeuge (vor Bundesstrafgericht) ausgesagt, er sei angehalten worden, persönlich laufmeterweise Aktenordner zu vernichten, nachdem ihm die Fallführung entzogen worden sei.

Das begründe den Tatverdacht der Unterdrückung von Urkunden. Nachdem Staatsanwalt Pfister in einer Parteimitteilung die Anklage aller zehn Beschuldigten in Aussicht gestellt habe, sei es ohne Amtsmissbrauch nicht mehr möglich gewesen, das Verfahren gegen neun Beschuldigte durch andere Staatsanwälte einzustellen. Wegen der Konzentration auf Behring sei der Anklagesachverhalt verfälscht und den Klägern Haftungssubstrat entzogen worden.

Damit verbunden sei ein dramatischer Gesetzes- und Verfassungsbruch und eine krasse Missachtung des Grundsatzes des fairen Verfahrens. Rechtsfremde Gründe hätten zur Sündenbockstrategie von Bundesanwalt Lauber geführt. Eine solche Straftat könne gar nicht von einer Einzelperson begangen werden.

Die Einstellungsverfügungen gegen die neun Mitbeschuldigten wurden von der Bundesanwaltschaft auf jeweils etwa 50 Seiten detailliert begründet. Im Wesentlichen wurde erkannt, diese Personen hätten nicht gewusst, ob Behring die investierten Gelder wirklich angelegt habe, sodass ein direkter Vorsatz, die Anleger zu täuschen, nicht vorliege.

Auch Eventualvorsatz scheide aus, denn wenn die Mitbeschuldigten hätten erkennen müssen, dass die Gelder nicht angelegt würden und das System nicht funktionieren könne, hätten sie selbst keine Anlagen getätigt und das System nicht Familienmitgliedern und engen Freunden empfohlen. Wer nicht erkenne, dass ein System betrügerisch sei, könne sich auch nicht strafbar machen, wenn er daran mitwirke.

Die Verteidigung von Dieter Behring hat sich in ihren Eingaben darauf beschränkt, diese Argumentation einen „Kunstgriff“ zu nennen, ohne näher zu erklären, was daran inhaltlich falsch sei. Auch eine Plausibilitätsprüfung durch den ao. Staats-anwalt ergab keine Hinweise darauf, dass die Argumentation in den Einstellungsverfügungen bewusst falsch war, um die Mitbeschuldigten zu begünstigen und Dieter Behring zusätzlich zu belasten.

Entgegen der Behauptung der Verteidigung von Behring war es im Übrigen nicht Bundesanwalt Lauber, der die Fokussierung auf Behring vorgeschlagen hatte, sondern die Task Force um Staatsanwalt Kauer. Der Bundesanwalt hatte dies gebilligt. Es ergaben sich insgesamt aber keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Verantwortlichen sich durch die Einstellung der Verfahren strafbar gemacht haben könnten.

Staatsanwalt Pfister erklärte schon vor Bundesstrafgericht, er habe nach der Umteilung des Falles lediglich persönliche Notizen und Arbeitsunterlagen vernichtet, und zwar nicht auf Anweisung, sondern auf eigenen Antrieb. Solche Unterlagen gehören nicht zu den Strafakten. Nachdem es keine konkreten Hinweise dafür gibt, dass er auch Bestandteile der Strafakten vernichtete, war das Verfahren auch in diesem Punkt nicht an die Hand zu nehmen.

Die Parteien haben das Recht, gegen die Verfügungen des ao. Staatsanwaltes innert 10 Tagen Beschwerde beim Bundesstrafgericht zu erheben.

Anders als bei Strafbefehlen ist in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen, dass Nichtanhandnahmeverfügungen zu veröffentlichen sind. Es besteht deshalb keine Rechtsgrundlage dafür, dass der Unterzeichnete den Medien Einsicht in die gesamten Verfügungen geben kann. Den Parteien bleibt dies aber unbenommen.

 

Artikel von: Ao. Staatsanwalt des Bundes, Dr. Thomas Hansjakob
Artikelbild: Heiko Kueverling – shutterstock.com (Symbolbild)

Für Bern

Publireportagen

Empfehlungen

MEHR LESEN